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In den Naturfelsen und unverputzten Gewölben zwischen Grundmauern durchziehen die Höhler, unregelmäßige Stollengänge mit Stufen und Nischen, grundstücksüberschreitend die Unterwelt der Altstadt. Das labyrinthisch erscheinende Raumgefüge führt bis zu elf Meter hinab zu den nur während der Biennale erlebbaren Kunstwerken und zwingt mit oft flachen Gewölbehöhen den Besucher zum Bücken, um neugierig zu den Installationen vorzudringen. Sie sind aus Steinen, Wurzelwerk, Plaste-Materialien, mit Schirmen und im Rund aufgefächerte CDs, aufgeblähten Ballons, mit Licht und kinetischen Objekten, mit Filmnegativen und Videokunst, mit Regalen, Hockern, Flaschen gestaltet und fordern heraus, Intentionen zu ergründen. Dazu geben die beigefügten Schilder und der Katalog (70 S., 5 €) Hinweise, die poetisch, mit heiterer Ironie und manchmal Agitation geistig anstoßen. Das Programm der Installationsbiennale fordert, mit innovativem Materialeinsatz Licht, Klang, Zeit und Bewegung zu einer gestalthaften Zeichenfindung zusammenzuführen, die aktuelle Zeiterfahrungen vermittelt. Dem MDR-Literaturredakteur Michael Hametner kann man zustimmen, dass sich »viel Zeitgefühl in den einzelnen Arbeiten gesammelt« hat. Mit kritischem Zeitgeist verwandelten 32 Künstler, vor allem aus Deutschland, aber auch aus Österreich, Frankreich und der Schweiz drei Höhler zu Orten von Sinnbildern. Räume spiegeln nicht mehr Gebrauchtes, Abgelagertes, das Unbewusste, Träume. Da breiten sich Folien im Gang aus, und die Rettungsdecken leuchten in ironisch goldiger Aufwertung mit herabsetzendem Sinn zu der Art der Rettung von Flüchtenden (Romana Menze-Kuhn). Im Taschenlampenlicht verliert sich der Blick in einem »düsteren Geflecht ... einer gewahnsam verhausten Umwohnung« (Albrecht Fersch). Hermine Reidinger und Michael Sardelic lassen in einer Retorten-Genese oder Reinhold Neururer bei der unterirdischen Gemüseproduktion eine Mars-Erfahrung, Kunst und Naturprozesse medial in einer poetischen Science-Fiction zusammenspielen und erschrecken: Was fällt dem Menschen ein, wenn die Wissenschaft aus dem Lot und er in Not gerät. Schon einmal wandelte eine Preisträgerin die Höhler zum Lebensraum für Pflänzchen, die in Phiolen als Lebenslichter strahlten und auf die Beseelung des Alls und die sensible Problematik der Bewahrung des Lebens hindeuten. Da gelang Rosmarie Weinlich ein Wurf, der nicht wieder erwartet werden konnte; zum Internationalen Emailsymposium zeigt sie in Erfurt eine vielbeachtete Innovation, die dort in der Galerie Waidspeicher bis zum 30. August zu sehen ist. Im Sparkurs-Gera brachten Gitta Heil, Sven Schmidt und Winfried Wunderlich mit anhaltendem Engagement und in wiederholter Mühe die Biennale hervor, jedoch nicht ohne Probleme: Die »bespielten« Höhler wurden von fünf auf drei beschränkt, die Zahl der Künstler nahm ab (2011 waren es noch 54 Künstler aus neun Staaten gewesen); für manche Arbeiten ging der Umraum für die konzentrierte Isoliertheit etwas verloren. Für den Dauergast beginnen sich zwar die Einfälle zu wiederholen. Dennoch lässt die unerschöpfliche Ikonographie »Helle Formen vor dunkler Wand« vieles offen und werden die Höhler mit abwechslungsreichem Material ausgefüllt, so mit Schirmen, als flösse aus ihnen Glut (Heinz Bert Dreckmann), oder mit zylindrischen Bechern (Annina Hohmuth), als wüchse Unheilvolles heraus oder griffe mit massehaften Plastefingern nach uns (hallesches Dreier-Kollektiv). Die Beschränkung von LICHT auf ICH kritisiert den Effekt narzisstischer Selbstbetrachtung (Gerald Hofmann). In einer blauen Grotte spiegelt ein fiktives erdweites »Konservatorium für blaue Himmel« (Olivier Huet) mit schwebender weiß-grauer bis dunkelblauer Substanz in Behältnissen die Luftverschmutzung und ruft zum Umweltschutz auf. Geheimnisvoll dringen mit magischem Leuchten das Licht und die Farbe verborgener Schätze durch Steinspalten, womit der Geraer Sven Schmidt dagegen appelliert, die Museen zu versperren. Wohltuend erscheint zunächst Thomas Lindners »Zum Licht«, denn an einem Ende eines Höhlers ist endlich lichtes Himmelblau zu erblicken, das ein Gefühl weckt, aus Eingesperrtsein und Dunkelheit entfliehen zu können. Aber das »Licht am Ende des Tunnels ...« ist Illusion. Deren Vergeblichkeit prognostiziert der Geraer Winfried Wunderlich mit seinem tragischen Zukunftsentwurf: Vom schwebenden Dalí-Kruzifix ist das Kreuz zwar hängen geblieben, doch unter ihm im Schatten der Gekreuzigte in Glasscherben zerfallen, eine vom Faschismus sich in die weltweite Gegenwart fortsetzende Zerschlagung der Utopie vom Menschlichsein: »... wenn alles in Scherben fällt«. Gera, Markt 14: Höhler A, Greizer Straße 10 und 37: Höhler B und C, Mittwoch bis Sonntag 11 bis 18 Uhr, bis 18. Oktober 2015
Erschienen in Ossietzky 15/2015 |
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