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Der gemeinsame Kampf hat eine lange Tradition und mündete unter anderem 1935 in der ILO-Konvention Nr. 47: »Übereinkommen über die Verkürzung der Arbeitszeit auf vierzig Stunden wöchentlich«. Interessant vor allem die Begründung der Internationalen Arbeitsorganisation: Sie »geht von der Erwägung aus, … daß die Arbeitslosigkeit einen solchen Umfang angenommen hat und schon so lange anhält, daß sich zur Zeit Millionen von Arbeitnehmern in der Welt ohne eigenes Verschulden in Not befinden und Entbehrungen erleiden, von denen befreit zu werden sie mit Recht fordern können.« Außerdem sei es »im Sinne der Entschließungen der Internationalen Arbeitskonferenz erforderlich …, auf die möglichste Verkürzung der Arbeitszeit in allen Beschäftigungsgruppen hinzuwirken«. Die Konvention vom 22. Juni 1935 wurde damals nicht ratifiziert; in Deutschland gilt die 48-Stunden-Woche mit vielen Ausnahmemöglichkeiten als gesetzlicher Rahmen. Kurz nach Beschlußfassung der ILO wurde die Kriegsmaschine angeworfen; das Problem der Arbeitslosigkeit rückte in den Hintergrund. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Europa durch gewerkschaftliche Kämpfe die 40-Stunden-Woche auf tariflicher Basis eingeführt; zeitweilige Vollbeschäftigung in den 1960er Jahren war die Folge. Durch die Produktivitätsentwicklung ist diese Arbeitszeitverkürzung in ihrer Wirkung jedoch verpufft. In vielen Ländern, so auch in Deutschland, wird die 40-Stunden-Woche tatsächlich überschritten. Für die beim Land Bayern Beschäftigten gilt die längste tarifliche Arbeitszeit mit 40,1 Wochenstunden. Mit Überstunden, zur Hälfte ohne Bezahlung, beträgt die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit von gut 40 Prozent der Beschäftigten in Deutschland mehr als 40 Stunden, von gut 20 Prozent gar mehr als 45 Stunden pro Woche. Durch die Intensivierung der Arbeit und extensive Verlängerung der Arbeitszeit sind die Lohnstückkosten in Deutschland extrem niedrig. Nach dem neoliberalen Dogma müßte die Wirtschaft kräftig wachsen. – Tut sie aber nicht. Die 30-Stunden-Woche ist die bessere Alternative zur deutschen Agenda-Politik der Arbeitsmarktflexibilisierung, des Niedriglohnsektors und der Leiharbeit. Ein Bruchteil der Beträge des sogenannten Rettungsschirms würde ausreichen, den Lohnausgleich zu finanzieren und die Binnennachfrage zu stärken. Eine Förderung der 30-Stunden-Woche als Konjunkturprogramm mit öffentlichen Zuschüssen wäre möglich. 30 Stunden für Europa sind ein Problem für die Exportwirtschaft, deren Produkte sich verteuern würden. Damit verlöre die EU etwas Marktmacht im internationalen Wettbewerb und gäbe Entwicklungs- und Schwellenländern Luft, ihre teils die Menschenrechte verletzenden Arbeitsstandards anzuheben, ohne gleich von der EU niederkonkurriert zu werden. Mit dadurch erzeugter größerer Verhandlungsmacht der Gewerkschaften können wieder vernünftige Arbeitsstandards erreicht werden. Gute Arbeit und weniger Burnout werden erst dann möglich. Nur so können der Niedriglohnsektor sowie andere Formen extrem ausbeuterischer Lohnarbeit zurückgedrängt werden. 30 Stunden für Europa sind ein gemeinschaftlicher Ansatz, der möglichst viele Bevölkerungsgruppen im Blick hat: Arbeitslose, Erwerbstätige, Mütter, Väter, Kinder, Frauen, RentnerInnen, Kranke, Noch-Gesunde, SportlerInnen, demokratisch Engagierte. Es ist ein Ansatz, Wachstum zu begrenzen, ohne soziale Not in Kauf zu nehmen. So wird Buen Vivir möglich, ein gemeinschaftliches Leben im Einklang mit der Natur und den Mit-Menschen. Von Zeit zu Zeit blitzt bei den Zuständigen ein Funken Erkenntnis auf: »... schließlich müssen wir vermehrt Arbeitsplätze schaffen, wobei das Augenmerk insbesondere auf der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit liegen sollte«, so der Stehsatz der EU-Kommission seit vielen Jahren. Eine Kommission der französischen Nationalversammlung hat kürzlich die positiven Ergebnisse der gesetzlichen 35-Stunden-Woche in Frankreich beschrieben. Für Deutschland wäre es ein Jahrhundertfortschritt, wenn die gesetzliche Arbeitszeit zunächst auf 40-Stunden begrenzt würde, nachdem der 8-Stunden-Tag vor fast 100 Jahren zum Gesetz erhoben wurde. Es ist zu wünschen und zu hoffen, daß die Opposition im Bundestag dieses Thema bald auf die Tagesordnung setzt!
Erschienen in Ossietzky 11/2015 |
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