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Wer nicht genug sparte, war folglich selbst schuld, wenn er später Armut erlitt. Der Sparsamkeit eng verwandt war seit jeher die Genügsamkeit. Das arbeitende Volk sollte gefälligst keine Ansprüche stellen, sondern sich mit dem zufrieden geben, was die Herrschaft ihm gnädig gewährte. Die Schotten, unter englischer Herrschaft ausgeraubt und vertrieben, wurden gar noch wegen Geizes verspottet. Am Beispiel der Chinesen, denen angeblich eine Schale Reis pro Tag genügte, war zu lernen, wie billig Arbeitskräfte zu haben und zu halten waren. Heute bringt Deutschland als Lehrmeister Europas vor allem den Südeuropäern das Sparen bei. Namentlich die Griechen sollen – wie Bild, Welt, Spiegel et cetera ihnen permanent vorhalten – aufhören, das Geld zu verprassen, das ihnen gar nicht zusteht, sondern ihren Gläubigern, unseren Banken. Mit den Sozialleistungen des griechischen Staates muß Schluß sein. Wir verlangen pünktliche Rückzahlung der Schulden, wie es unser gutes Recht ist. Wie kämen wir dazu, auf unsere Ersparnisse zu verzichten, die wir beziehungsweise unsere Banken in Griechenland zinsbringend angelegt haben. Wenn die Griechen nicht in der Lage sind, Zins und Tilgung zu zahlen, müssen sie ihre Wertgegenstände hergeben: Alles, was dem Staat gehört und sich irgendwie verwerten läßt, muß privatisiert werden. Dann können wir, die großen Konzerne, es uns aneignen. So oder ähnlich kommandieren unsere Konzernmedien. Die dem griechischen und ausländischen Kapital verbundenen Politiker in Athen, denen das Volk bei der letzten Wahl den Laufpaß gegeben hat, hatten, wie EU und NATO es verlangen, bei Rüstungskonzernen reichlich eingekauft und dafür hohe Kredite aufgenommen. Für Zins und Tilgung sollte das griechische Volk aufkommen – durch fortgesetzte Verarmung. Von 2008 bis 2012 sanken die nominalen Bruttoeinkommen, wie im Handelsblatt zu lesen war, durchschnittlich um fast ein Viertel. Soziale Einrichtungen verkamen, weil der Staat sie nicht mehr finanzierte. Die Jugendarbeitslosigkeit betrug schließlich annähernd 70 Prozent. Solches Elend ließ europäische Finanzminister vom Schlage Schäubles gewohnheitsmäßig kalt. Wenn jetzt die demokratisch gewählte Regierung Tsipras vorrangig den Ärmsten helfen will, zeigt sich die westliche Wertegemeinschaft entsetzt. Tsipras und sein Finanzminister Varoufakis erscheinen ihr als freche, unverschämte Halbstarke, die keinesfalls Erfolg haben dürfen. Diese Regierung, die womöglich sozialistische Flausen im Kopf hat, muß schnellstens im Schuldenmeer ertrinken – am besten unter dem Beifall enttäuschter Wähler. Ganz andere Behandlung wird der Putsch-Regierung in Kiew zuteil, die jetzt eifrig Waffen kauft. Daß ihr an zentralen Stellen offene Faschisten angehören, ohne die, wie die New York Times schrieb, der Maidan-Putsch im Februar 2014 gar nicht gelungen wäre, stört Merkel, Steinmeier, Schäuble & Co. ebensowenig wie ihre Bonner Amtsvorgänger vor 48 Jahren, als in Griechenland faschistische Generale und Obristen entsprechend dem NATO-Plan »Prometheus« putschten, weil bei der damals bevorstehenden Parlamentswahl ein Erfolg der Linken zu erwarten war. Panzer rollten durch Athen, Wahlen wurden verboten, Oppositionelle auf die Gefängnisinseln Jaros und Leros verbannt, Zensur und Folter eingeführt. Tonangebende Bonner Politiker fanden verständnisvolle Worte. Typisch war die Erleichterung des Handelsblatts: »Die Befürchtung in den letzten Jahren, daß kommunistische Einflußnahme auf die Regierung und die Wirtschaft die Handlungsfreiheit des Unternehmers beeinträchtigen könnte, ist geschwunden. Die neue Regierung garantiert der Industrie das Prinzip der freien Wirtschaft.« Woraus man wohl schließen mußte, daß sich Unternehmer um so freier fühlen, je brutaler ein faschistisches Regime das Volk unterdrückt. Die Militärdiktatur dauerte sieben Jahre. Deutsche Konzerne machten bedenkenlos Rüstungs- und andere Geschäfte mit den Machthabern in Athen. Die Schulden Griechenlands stiegen und stiegen. Für deutsche Banken aber waren es keine Schulden, sondern Forderungen, Anlagen, Besitztitel. Zur Beliebtheit des Athener Obristenregimes in Bonn trug bei, daß es unsere Politiker nicht mit Ansprüchen auf deutsche Zahlungen nervte. Über alles, was Deutschland Griechenland schuldete, wurde vornehm geschwiegen: über Reparationen, über Entschädigungen an die NS-verfolgten griechischen Juden und an die Opfer der Massaker in Distomo und vielen anderen Dörfern; man verlor auch kein Wort über die Rückzahlung der Zwangsanleihe von 1942. Die deutschen Besatzer hatten damals die Bank von Griechenland gezwungen, ihnen die Devisenreserven des Landes als Darlehen zu geben. Gesamtwert heute: wahrscheinlich weit mehr als hundert Milliarden Euro. Aber die Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches behauptet, sie schulde Griechenland nichts. Deutschland als der Hauptschuldner in Europa ist besonders verächtlich und gefährlich, wenn es seine Schulden leugnet oder verharmlost und wenn es sich Völkern, die den größten Beitrag zum Sieg über das Nazi-Regime geleistet haben, mit seiner ganzen ökonomischen Breitbeinigkeit entgegenstellt. Zum Beispiel Serbien. Oder Weißrußland, wo deutsche Truppen 1944 beim Rückzug dem Befehl folgten, nichts als verbrannte Erde zu hinterlassen. Mehrere Millionen gefangene Sowjetsoldaten wurden als »Untermenschen« behandelt, die deutschen »Herrenmenschen« versagten ihnen die völkerrechtliche Anerkennung als Kriegsgefangene, jede Entschädigung – auch für ihre Zwangsarbeit – unterblieb. Stattdessen verhängen die USA und die BRD ausgerechnet gegen diese Länder immer mal wieder – nicht erst seit der Ukraine-Krise – Sanktionen, um sie zu erpressen oder einfach zu schädigen. Längst überfällig ist ein Friedensvertrag, dem sich Deutschland bisher erfolgreich widersetzt hat. 2+4 ersetzt ihn nicht. Auf dem Wege zur Weltmacht ist Deutschland inzwischen so reich geworden, daß es kaum noch Schulden machen muß. Schäuble kann sich einer »Schuldenbremse«, einer »Schwarzen Null«, eines Bundeshaushalts ohne Neuverschuldung rühmen. Durch verschärfte Ausbeutung, beschleunigte Digitalisierung, Steigerung der Arbeitsproduktivität, Eroberung von Absatzmärkten wächst der Reichtum auch in Krisenzeiten. Und zugleich wächst die Armut. Der Volkswagen-Konzern, der größte des Landes, der in diesem Jahr Toyota übertreffen will, um der größte Automobilproduzent der Welt zu werden, steigerte 2014 seinen Umsatz auf mehr als 200 Milliarden Euro. Der Gewinn erhöhte sich um acht Prozent auf 12,7 Milliarden Euro. Die im Dax vereinten 30 größten deutschen Aktiengesellschaften zahlen ihren Eigentümern fürs vergangene Jahr mehr Dividende als je zuvor. Und ihre Einnahmen haben ein solches Ausmaß angenommen, daß sie für ihre Geldgeschäfte kaum noch auf Kredite angewiesen sind. Sparkassen und Versicherungen entstanden einst als Genossenschaften. Einer für alle, alle für einen. Nach wie vor gibt es solche Institute. Die großen Finanzkonzerne aber betreiben Umverteilung von unten nach oben. Wer dort viel Geld anlegt, darf sich weitaus günstigerer Konditionen erfreuen als ein Kleinanleger, und seinen Anteilseignern zahlt der Allianz-Konzern mehr Dividende als jede andere Aktiengesellschaft. Welche Perversion der Spar-Idee. Was tun die Reichen mit dem vielen Geld? Sie neigen nicht dazu, es denen zu geben, die es zum Leben brauchen. Ihr Hauptinteresse ist die Senkung der Kosten: billigere Rohstoffe, billigere Arbeitskräfte. Möglichst wenige Beschäftigte sollen möglichst viel leisten. Das nennen die Unternehmer: sparen. So wollen sie ihre Marktanteile vergrößern, die Konkurrenz niederringen. Beim Verbilligen der Arbeitskräfte sind sie und die ihnen nahestehenden Politiker schon weit vorangekommen. Vier von zehn Beschäftigten in Deutschland arbeiten nicht mehr in einem sogenannten Normalarbeitsverhältnis, haben also keinen Anspruch auf vollen Tariflohn und auch nicht auf entsprechende Sozialleistungen. Allmonatlich bei der Verkündung der Arbeitslosenzahlen behaupten die zuständigen Minister und tonangebenden Medien, gestützt auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die Beschäftigung habe zugenommen. Aber die geleistete Arbeit, gemessen an bezahlter Arbeitszeit – hat nicht zugenommen. Tatsächlich zugenommen hat jeweils die Zahl der prekär Beschäftigten, die in Minijobs viel zu wenig verdienen, um mit dem Verdienst ihre Familie ausreichend ernähren zu können; zudem droht ihnen, im Alter mit einer beängstigend niedrigen Rente auskommen zu müssen. Bei der privatisierten Post zum Beispiel werden immer mehr Beschäftigte in neue, befristete Verträge gedrängt und erhalten dann viel weniger Lohn als bisher. Auch in der Luftfahrtindustrie wird Stammpersonal systematisch verdrängt, von Leiharbeitern ersetzt. Ähnlich verändern sich die Arbeitsbedingungen in der Alten- und Krankenpflege – mit den zu erwartenden Folgen für die Qualität der Pflege. 2012 hatten sich die Eigentümer der Pflege-Einrichtungen im sogenannten Ausbildungspakt verpflichtet, die Zahl der Ausbildungsplätze jährlich um mehr als zehn Prozent zu erhöhen, zumal die Zahl der Pflegebedürftigen ständig steigt und weiter steigen wird. Das Versprechen blieb unerfüllt. Die Lebenshaltungskosten, vor allem Mieten und Nahrungsmittelpreise, wachsen viel schneller als die Löhne. Hinzu kommen solche »Sparmaßnahmen« wie zum Beispiel die Zuzahlungen, die an die Apotheken zu leisten sind. Die Unternehmer hingegen werden entlastet. Sie haben durchgesetzt, daß sie nun weniger zu den gesetzlichen Sozialkassen beitragen müssen als die Lohnabhängigen. Entlastet wurden sie auch von Steuerpflichten. Steuerpolitik, sinnreich als Instrument der Umverteilung von oben nach unten, von reich zu arm, dient ihnen im Gegenteil zum »Sparen«. Unternehmer verstehen es als ihre Aufgabe, Produktionskosten zu senken. Zu diesem Zweck müssen sie die Möglichkeiten des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts nutzen. Sie wollen aber die »Rationalisierungsgewinne« möglichst allein vereinnahmen – nicht nur um sich gelegentlich das Vergnügen eines Picasso- oder Bacon-Gemäldes für 140 oder 160 Millionen Euro leisten zu können, sondern um weiter zu expandieren. Je größer und stärker die Wettbewerber, desto härter der Wettbewerb. Hauptbetroffene sind die Lohnabhängigen. Endlich streiken jetzt die Beschäftigten in mehreren Branchen für deutlich höheren Lohn und deutlich reduzierte Arbeitszeit in festen Vollzeit-Beschäftigungsverhältnissen. Als Vollzeit sollte eigentlich längst die 35-Stunden-Woche gelten – schon vor mehr als drei Jahrzehnten erstreikt in der Metall- und der Druckindustrie, aber in der Schröder-Ära von der Agenda verschwunden, als unter der Parole »Wettbewerbsfähigkeit!« die Belegschaften zu günstigsten Lohnstückkosten und damit zur Export-Weltmeisterschaft angetrieben wurden. Der damalige VW-Chef Piëch sprach von »Krieg«. Die Medien, vor allem die privaten, unterlassen es zumeist, über die gewerkschaftlichen Forderungen zu informieren. Sie ereifern sich und dringen auf Einschränkung des Koalitions- und des Streikrechts, obwohl das Grundgesetz diese Rechte als unveräußerliche Grundrechte garantiert. Die Bahn AG, im Besitz des Bundes, macht in Tarifverhandlungen kein Zugeständnis. Sie demonstriert Härte und nimmt dafür hohe Einnahmeverluste hin; die Schuld daran schiebt sie den Streikenden zu. Diesen »Krieg« dürfen Kabinett und Kapital nicht gewinnen. Wir müssen sie vorrangig an ihren Propagandakriegen hindern, mit denen sie uns in militärische Abenteuer zu reißen versuchen. Wir brauchen mehr ausgebildete und anständig bezahlte Erzieherinnen, Alten- und Krankenpfleger, aber keine neuen Waffensysteme, schon gar nicht zur Abwehr von Flüchtlingen. Wir brauchen Vollbeschäftigung – damit Menschen nicht zu Müll werden, wie Papst Franziskus gesagt hat. Kein Mensch darf weggespart werden. In der Auseinandersetzung um die Linksregierung in Griechenland fehlte bisher die Erinnerung an den freundlichen Umgang der Bundesrepublik Deutschland mit dem faschistischen Militärregime, das 1967 bis 1974 das griechische Volk unterdrückte. Auskunft darüber gibt das 1975 erschienene Buch »Unser Faschismus nebenan – Griechenland gestern, ein Lehrstück für morgen«, hg. von Günter Wallraff und Eckart Spoo.
Erschienen in Ossietzky 11/2015 |
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