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Lang ist die Liste der amerikanischen Untaten in Vietnam. Sie beginnt nicht mit dem exzessiven Einsatz des Pflanzengiftes Agent Orange zur Entlaubung des Dschungels, das heute, in späteren Generationen, immer noch zu Mißbildungen führt, und sie endet nicht mit dem Massaker in dem Dorf My Lai, wo wie in einem Blutrausch die Zivilbevölkerung von den G.I. hingemetzelt wurde. Ein besonders grausamer Höhepunkt aber war das sogenannte Weihnachtsbombardement von 1972. Zwischen dem 18. und 31. Dezember flogen B52-Bomber der US-Luftwaffe rund um die Uhr Einsätze gegen Hanoi und die Hafenstadt Haiphong, mit kleiner Pause am ersten Feiertag. Welch menschenverachtender Zynismus hinter diesem Bombardierungsbefehl stand, zeigen erst kürzlich in den USA veröffentlichte Tonbandmitschnitte der entscheidenden Unterredung zwischen Präsident Richard Nixon und dem Leiter des Nationalen Sicherheitsrates, Henry Kissinger. Tonbandmitschnitte, die der deutsch-französische Fernsehsender Arte am 14. April in einer 53minütigen Geschichtsdokumentation als Erstausstrahlung sendete (»Dr. Kissinger und Le Duc Tho, oder: Das Ende eines Krieges«, von Daniel Roussel). Von 1970 bis 1973 hatten Kissinger als Sonderbeauftragter Nixons und Le Duc Tho, Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Vietnams und Beauftragter des nordvietnamesischen Präsidenten Ho Chi Minh, in Geheimverhandlungen in Frankreich über einen Friedensvertrag beraten. Auch von diesen Gesprächen tauchten erst in jüngster Zeit Tonbandmitschnitte auf, rund 100 Stunden lang. Die Verhandlungen hatten, das zeigt die Fernsehdokumentation, im Oktober 1972 zu einem unterschriftsreifen Neun-Punkte-Abkommen über die Bedingungen zur Beendigung des Krieges geführt. Quer stellte sich nur die Marionettenregierung in Saigon. Anfang Dezember saßen sich die beiden Verhandlungsführer wieder in Paris gegenüber. Tho sagte, an dem nun erreichten Punkt müsse er zurück nach Hanoi, zu Beratungen. Kissinger fragte ihn, wann er denn in Hanoi sei. Tho antwortete, voraussichtlich am 18. Dezember. Kissinger: Dann können sie ja noch zu Hause Weihnachten feiern. Tho: Wir feiern in Vietnam Weihnachten anders. Da schüttelte sich Kissinger aus vor Lachen. Und lachte. Und lachte. Und flog zurück in die USA, zu Nixon, wo sie die Bombardierung beschlossen. Start am 18. Dezember. Als Anfang Januar 1973 die Gespräche wiederaufgenommen werden, ist auf dem Tonbanddokument Le Duc Tho zu hören, mit vor Zorn und Abscheu bebender Stimme. Das Abkommen wurde bald danach unterzeichnet, fast unverändert. Der Abzug der Amerikaner begann. Der letzte US-Soldat verließ am 29. März 1973 Südvietnam. Im Herbst des Jahres erhielten Kissinger und Le Duc Tho den Friedensnobelpreis zugesprochen. Tho lehnte die Entgegennahme ab: Neben Kissinger, der so viel Leid über sein Land und sein Volk gebracht hatte, wollte er nicht stehen. Und: In Vietnam herrschte immer noch kein Frieden. Der kam erst mit dem Zusammenbruch des südvietnamesischen Regimes, mit der Kapitulation Saigons am 30. April 1975. Kleine historische Beigabe: Lachende Männer mit »schmutzigen Händen« machten schon früher Schlagzeilen. Zum Beispiel 1966, als die DDR-Filmer Walter Heynowski und Gerhard Scheumann ihren Film über Siegfried Friedrich Heinrich Müller, genannt Kongo-Müller, so betitelten. Müller war in den 1960er Jahren als Söldner an der Niederschlagung der Simba-Rebellion im Kongo beteiligt (»Der lachende Mann«, DEFA 1966). Kongo-Müller hatte schon 1964 für die stern-Reporter Gerd Heidemann (ja, den mit den angeblichen Hitler-Tagebüchern, Jahre später) und Ernst Petry vor seinem mit menschlichen Schädeln und Knochen dekorierten Jeep lachend posiert (»Die Straße der Landsknechte«, stern-Serie, 1964). Ebenfalls 1966 erschien in Frankfurt im Verlag Bärmeier & Nikel das Buch »Kongo-Müller oder die Freiheit, die wir verteidigen«. Verfasser: der damalige Spiegel-Journalist und heutige Ossietzky-Herausgeber Otto Köhler. Die öffentliche Aufführung des DDR-Films wurde übrigens in der Bundesrepublik Deutschland wiederholt von der Polizei verhindert. Vor allem eine Interview-Äußerung Müllers galt als besonders skandalös: »Wir haben für Europa gekämpft, für die Idee des Westens … Denn Afrika ist für mich nichts anderes als die Verteidigung des Westens in Afrika.« Tauschen wir »Afrika« gegen »Asien« aus: Anders als der »lachende Mann« hätte der 1923 in Fürth geborene spätere Friedensnobelpreisträger Heinz-Alfred Kissinger, genannt Henry, Empfänger des Bayerischen Verdienstordens (2005) und der Baden-Württembergischen Verdienstmedaille (2007), das Eingreifen der USA »für Freiheit und Democracy« (Brecht) in Vietnam und den anderen asiatischen Staaten auch nicht begründet. Dann aber hatte es sich ausgelacht.
Erschienen in Ossietzky 10/2015 |
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