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Er unternahm Reisen nach Berlin, Dresden, Halle und Leipzig, besuchte Galerien und Ateliers und erwarb von 23 Künstlern je zwei bis drei große Tafelbilder aus solitären Positionen, im Widerstreit zu dominierenden Kunstströmungen. Repräsentanz strebte er nicht an; Malerinnen fehlen. Die oft »mißverständlich herausgestellten Pole: staatsnah und staatsfern«, spielten für ihn keine Rolle, wie es die Kuratoren Jörg Sperling und Ulrike Kremeier betonen. Mit der ersten Ausstellung seiner Sammlung in Potsdam, kuratiert von Gisold Lammel, trat Seiz 1999 der herrschenden Diskreditierung der Kunst aus der DDR entgegen. In Interviews hat Jörg Sperling die Künstler gefragt, was die sich in Aufbruch befindendeAußenwelt für die Innenwelt und ihre Kunst bewirkte, ob sie jetzt manche Themen direkt ansprechen können und nicht auf subtile Formen der Verschlüsselung ausweichen müssen und so weiter. Künstler wie Werner Liebmann stellten klar: »Ich habe nie einen Zwang empfunden, was die Art und Form meiner Malerei angeht: Man kann nicht malen, was man nicht will.« Walter Libuda erinnert sich an »eine spannende, verwirrende und voller Hoffnung besetzte Zeit«, die zu seiner »künstlerischen Arbeit aber keinen direkten Bezug« hatte. Ähnlich resümierte Peter Hoppe 2003: »als maler habe ich stets und ohne rücksicht auf verluste auf mich reagiert. und das macht mich froh, daß ich auch bei auftragsarbeiten immer freien mutes war und nur das getan habe, oder die sache biegen konnte, daß es ein icke werden konnte. ha!« Seiz‘ Kunstreise begann etwa 1985 bei Heinrich Tessmer (1943–2012) in Berlin-Pankow, der den Sammler aufmerksam machte, daß sich in der DDR ein Umbruch abzeichne – in der Gesellschaft, aber auch in der Malerei. Tessmers »Der Streitende« zeigt das. Es ist wohl ein Merkmal von Kunst aus der DDR, daß sich bildkünstlerische Strukturen zwar nicht von sozialpsychologischen herleiten, aber dennoch wechselseitig aufeinander bezogen werden können. Aus der Vielfalt der stilistischen Richtungen figürlicher Malerei zeigt das Kunstmuseum »Gestürzte I«, 1985, des Leipzigers Hartwig Ebersbach (1940) mit »Farbbrüllereien«, die, selbstironisch gemeint, wohl »als politischer Aufruf verstanden worden sein« konnten. Dagegen beschränkt sich der Berliner Lothar Böhme (1938), um Lothar Lang zu bemühen, auf »formkarge« Motive, wie weibliche Akte und Stilleben, mit »feinen Rhythmen« um die Farbe Braun und »expressiver Schwere«. Nicht ganz fern führt der Dresdener Max Uhlig (1937) die halbabstrakte Figur mit seinen braun-roten, sich verdichtenden Pinselhieben zum Porträt »Franziska«, 1987, aus. Eine oszillierende Motivszenerie bricht im Bild »Die Sportschau«, 1987, von Johannes Heisig (1953) zwischen dem dunklen Rahmen von Wand und vor dem Fernseher schattenhaft Sitzendem hindurch, wie harmlos, als ähnelte nicht die Satellitenantenne hinterm Fernsehapparat einer Bombe und der Teppich unterm spielenden Kind züngelnden Flammen. Werner Liebmann (1951) geht es immer um Malerei, die – wie er sagt – »Konzentration, Spiel, Klarheit und Emotion verlangt, nie Illusion sei, sondern real durch Leinwand und Farbkörper«. In den vielheitlichen Schichtungen tauchen skurrile Figuren auf, denen von Ensor nicht fern. Bei Neo Rauch (1960) in Leipzig erwarb Seiz genial gemalte traumhafte, halluzinatorische Rätselbilder des Jahres 1990 vom »Gärtner« und dem »Inneren«. Walter Libuda sucht keine direkte Form, sondern eine gültige für existentielle Inhalte. Das bestätigen schon die »Wurstesser«, die in einer anderen Fassung auf der X. Kunstausstellung der DDR, 1987/88, zu sehen waren. Die vehement, mit weiten Zügen und Farbschichtungen aufgebauten Ölbilder muten satirisch und kafkaesk an. Im Dresdener Raum steigert Jürgen Wenzel (1950) den expressiven Realismus (»Akt«, 1988) im riesigen »Fasan«, 2014, mit barocken Elementen zum heraldischen Symbol für narzißtische Prunksucht. Den Vanitas-Gedanken besitzt ebenfalls »Herbststilleben«, 1988, von Peter Hoppe (1938–2010). Der Tod grinst mit den Zähnen des grauschwarzen Schweinekopfes; darüber im befreienden Licht helles Leben mit dem Farbklang runder Früchte, und in der Bildmitte strahlt sonnig ein durchschnittener Kürbis mit Samenkernen. Das Bild umfaßt Pole des Lebens. Die Ausstellung eröffnet ein Bild von Hans Vents (1932): »Der Kranke«, 1979, der voll Schmerz und Angst unter seinem Bettzeug mit verwinkelten Streifen wie eingesperrt liegt. Doch über ihn neigt sich die warme Haut einer Figur, eine besänftigende, heilende Kraft. Gut gehängte Wände. Gegenüber Willi Sitte (1921–2013), der im Gemälde »Die Ungewißheit darunter – Königin Maria-Anna, nach Velasquez«, 2000, Weiblichkeit unter dem korsettgestützten Kleid aufdeckt. Und Velázquez folgend, der ihr Bildnis über ein unvollendetes von ihrem Manne, Philipp IV., dem Onkel, gemalt hat, deutet Sitte die adlige Inzucht an. Sein Realismus feiert den menschlichen Körper in Bewegung wie »Das Paar«, 1980, sich wechselseitig entkleidend und zueinander kommend. Menschlichkeit in erfahrener Sinnlichkeit ist die Botschaft, an der auch der alte Sitte festgehalten hat. Ebenso an seiner Mahnung, die massenhafte Flucht und Tötung in weltpolitischer Gegenwart und Vergangenheit nicht mit dem »Tuch des Vergessens«, 2005, zu bemänteln. Das ist ein Blick nach außen, auf die Realitäten. Da fand kein Weltenwechsel statt. »Weltenwechsel. Sammlung Seiz: Figürliche Malerei aus dem letzten Jahrzehnt der DDR und heute. Der Blick nach Innen«, bis 12. April im Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus, dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, und 9. Mai bis 12. Juli Städtisches Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen und Kunstverein Reutlingen (Gesamtkatalog erscheint vielleicht zur Finissage)
Erschienen in Ossietzky 7/2015 |
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