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Als 1739 ein Torhaus abgerissen wurde, wurde in einer Kammer ein mumifizierter Hund gefunden, der 400 Jahre zuvor als »Opfergabe« lebendig eingemauert worden war und offenbar die Schätze bewachen sollte, die dort angesammelt wurden. »Da liegt der Hund begraben« hieß es seit dem 17. Jahrhundert nicht nur, wenn man auf die Ursache von Schwierigkeiten und des Übels hinweisen wollte, sondern auch wenn in alten Sagen von vergrabenen Schätzen die Rede war. Auch Goethe läßt im »Faust II« Mephisto über die Menge spotten, die an dessen Schatzgräbertum zweifelt: »Da stehen sie umher und staunen, vertrauen nicht dem hohen Fund, der eine faselt von Alraunen, der andre von dem schwarzen Hund.« Und tatsächlich, das Schloß Burgk, ein ehemaliger Sitz der Fürsten Reuß, in dem der Hund begraben war, birgt viele wertvolle Schätze, darunter kostbare Gemälde, Prunkzimmer mit auserlesenen Barock- und Rokokomöbeln, Waffen- und Trophäensammlungen, eine Silbermann-Orgel, unersetzliche Originaldokumente, wie zum Beispiel ein von Wallenstein ausgestellter Schutzbrief aus dem Dreißigjährigen Krieg. Auf diese und andere Schätze, die jetzt zum Bestand des Schloßmuseums gehören, ist das Fürstenhaus Reuß scharf und fordert ihre Rückgabe. Es beruft sich dabei auf das 1994 vom Bundestag angenommene EALG (Gesetz über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage; kurz: Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz). Das Gesetz sieht vor, daß die in der sowjetisch besetzten Zone bei der unter der Losung »Junkerland in Bauernhand« durchgeführten Bodenreform in Volkseigentum überführten Kunstschätze der Adelshäuser und Großgrundbesitzer nach 20 Jahren an die hochherrschaftlichen ehemaligen Besitzer zurückzugeben sind. Ende des Vorjahres war die Frist abgelaufen. Der in die Ostländer zurückgekehrte Adel und auch der im Westen seßhaft gewordene konnte aufatmen. Eine schlimme von den Kommunisten geschlagene Wunde wurde wenigstens teilweise geheilt. Nach langwierigen Rückgabeverhandlungen haben viele Alteigentümer ihre Schätze zurückerhalten, andere wurden aus der Staatsschatulle entschädigt. So erhielt beispielsweise das sächsische Königshaus der Wettiner bereits 1999 vom Freistaat Sachsen auf der Grundlage des EALG 18.000 Kunstgegenstände zurück. 12.000 davon verkauften die Blaublütigen großzügig an den Freistaat für zwölf Millionen Euro, und vom Rest machten sie große Teile im Londoner Auktionshaus Christie’s zu barer Münze. (s. Ossietzky 2/07) Bei all dem fehlte es auch nicht an großherzigen Gesten. So schenkte das Fürstenhaus Sachsen-Weimar und Eisenach nahezu sein gesamtes Eigentum der Klassik Stiftung Weimar, darunter Teile der Bestände der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, die Weimarer Gemäldegalerie, die Originale im Goethe- und Schiller-Archiv, ja sogar die Fürstengruft mit den Sarkophagen von Goethe und Schiller. Der Gesamtwert der Schenkung betrug geschätzt eine Milliarde Euro. Dafür bekam das Fürstenhaus als Ausgleich läppische 15,5 Millionen Euro. Zu Recht bezeichnete Hellmut Seemann, Präsident der Klassik Stiftung Weimar, diese und andere gefundene Lösungen als einen »außerordentlichen Heilungsprozeß der deutschen Geschichte … Man muß verstehen und anerkennen, daß es hier ein Unrecht gab, das nun zum Teil wieder gutgemacht wird.« (fr-online.de) Aber leider gibt es immer noch ungelöste EALG-Fälle. Nicht alle ostdeutschen Museen sind bereit, ihre teils sehr wertvollen Ausstellungsstücke an die vom Unrecht betroffenen Adelshäuser zurückzugeben. Noch immer sind vor allem in Thüringen und Sachsen-Anhalt Hunderte von Anträgen zu Zehntausenden von Einzelobjekten nicht entschieden. Einer der problematischsten Fälle betrifft das Schloßmuseum Burgk. Das weitverzweigte und überaus reiche Fürstenhaus Reuß, übriggeblieben ist die Nebenlinie Reuß-Köstritz, fordert die Rückgabe eines großen Teiles der ausgestellten Kultur- und Kunstschätze. Die Verhandlungen gestalten sich schwierig. Oberhaupt der Fürstenfamilie ist gegenwärtig Heinrich XIV. Prinz Reuß von Köstritz, verheiratet mit Baronin Johanna Raitz von Frentz. Sein Vater, Heinrich IV., ist 2012 auf seinen österreichischen Besitzungen im Alter von 92 Jahren verstorben. Vor ihm war Heinrich XLV. Familienoberhaupt, den das Unglück und Unrecht trafen, von der Sowjetischen Militäradministration verhaftet und später enteignet zu werden. Er war ein aktives Mitglied der NSDAP gewesen. Überhaupt gab es in der Fürstenfamilie nicht wenige, die dem großdeutschen Dritten Reich zu Diensten waren. So faßte Heinrich XXXIII. Prinz Reuß zu Köstritz, Sohn von Prinz Heinrich VII. Reuß-Köstritz und Prinzessin Marie von Sachsen-Weimar-Eisenach, seine politische Position wie folgt zusammen: Deutschland habe »am Rande schlimmsten Bolschewismus« gestanden. »Da schenkte uns Gott den Deutschen Führer Adolf Hitler«, der einen »starken Willen … gegen diese vernichtende Flut« errichtet und nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa gerettet habe. Man könne die »Bolschewiken und dieses ganze Pack … nicht mit Glacéhandschuhen behandeln.« Die Handhabung der »Judenfrage« verstehe das Ausland nicht, da es sich »noch nicht in dem Zustand der Verjudung« befinde (Quelle: Wikipedia). Die Schmach des Untergangs seines geliebten Dritten Reiches zu erleben, blieb ihm erspart. Er verstarb 1943. Nun aber kämpfen die lebenden Angehörigen der Fürstenfamilie Reuß mit Verve für die Rückgabe der von ihren Vorfahren in selbstloser, fleißiger Arbeit gesammelten und nun unter anderem auch im Schloßmuseum Burgk aufbewahrten Kulturgüter. Ihre Erfolgsaussichten sind groß. Es ist doch einfach wunderbar, daß nach der Großen Friedlichen Freiheitsrevolution und dem Anschluß der DDR an die Bundesrepublik der Adel nach Ostdeutschland in seine Schlösser und Landsitze zurückgekehrt ist. Aber bei weitem nicht allein da ist der Hund begraben.
Erschienen in Ossietzky 3/2015 |
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