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Das Jahr 2015 war erst einige Stunden alt, da ließen neoliberale Politiker deutscher Lande die Presse wissen, für die Eurozone gelte nicht der alte Slogan: Geh doch in die Zone. Vielmehr müsse die am 25. Januar zu Neuwahlen aufgerufene griechische Bevölkerung sich auf den Rausschmiß aus der Eurozone einstellen. Sollte Alexis Tsipras mit seinem Parteienbündnis Syriza eine demokratische Mehrheit erringen, gehe es jedenfalls nicht anders, denn unter dem von Tsipras angedrohten Schuldenschnitt Griechenlands würde der deutsche Staatshaushalt erheblich leiden. Das Magazin Cicero brachte das austeritätshörige Politge-plapper umgehend ins unmißverständliche hegemoniale Deutsch: »Ja, was mit Griechenland gerade passiert, ist kalter Entzug. Aber es geht nicht anders. Es geht nur so.« Nach der möglichen Wahl des Alexis Tsipras gebe es nur zwei Szenarien, führt das Magazin weiter aus: »Entweder der Mann begreift schnell, daß er sich in die Rolle des Statthalters europäischer Vorgaben fügen muß. Oder die Mitglieder der Eurozone befreien das Land vom ungeliebten Kuratel und sorgen dafür, daß der Euro nicht länger Zahlungsmittel in Griechenland ist. Wenn Tsipras sein Programm ernst meint, kann nur der Grexit, Griechenlands Austritt aus dem Euro die Antwort sein.« Allerdings hatten die hiesigen neoliberalen Zeitgeister die schnelle Vorwahl-Rechnung ohne den eigentlichen Wirt einschlägiger Verträge gemacht. Eben deshalb stellte die EU-Kommission gleich zu Beginn des Jahres klar, daß die Wirtschafts- und Währungsunion, deren Währung der Euro ist, einen Austritt oder gar Rausschmiß eines Mitglieds der Eurozone vertraglich nicht vorsieht. Die Mitgliedschaft ist »unwiderruflich«, hieß es aus Brüssel. Ein Blick in den seit 2009 gültigen Vertrag von Lissabon reicht, um das nachzuvollziehen – auch für die insgesamt 28 Mitgliedstaaten der EU ist keine Austrittsregelung vorgesehen. Vom einschnürenden Fiskalpakt ganz zu schweigen; er enthält – wohlweislich – keine Bestimmungen, wie er von einem Staat gekündigt oder beendet werden kann. Die Frage, ob die so markt- wie überwachungs- und austeritätsradikale EU samt Eurozone als alternativlos historische Errungenschaft ohne Austrittsregelungen Bestand haben kann, wird 2015 nicht nur im Hinblick auf den Wahlausgang in Griechenland auf die politische Tagesordnung rücken. Schließlich steht am 7. Mai in Großbritannien die Wahl zum Unterhaus an, und deren Ausgang könnte die Zukunft des Königreichs mindestens so kolossal und folgenreich prägen wie im Mai 1979, als die Eiserne Lady Margaret Thatcher das Kommando übernahm. So hat der amtierende konservative Premier David Cameron, der seit längerem dafür plädiert, die Briten 2017 in einem Referendum über den Verbleib in der EU (der Eurozone gehören sie nicht an) abstimmen zu lassen, für den Fall seiner Wiederwahl schon einmal in Aussicht gestellt, dann umgehend »eine Reform der EU« zu verhandeln. Zwar weiß er nur zu genau, daß er mit seinen Forderungen zur Einführung des »härtesten Systems« zur Unterbindung des vermeintlichen »Mißbrauchs der Freizügigkeit in der EU« keine Chance haben dürfte. Vertragsrelevante EU-Reformen können nur bei Einstimmigkeit der Regierungschefs aller Mitgliedstaaten zustande kommen, und die wird es für Camerons Pläne nicht geben. Aber angesichts des wachsenden EU-feindlichen Kurses vieler seiner Tory-Parteimitglieder und der in einigen Teilen des Landes erstarkten rechtspopulistischen Partei UKIP versucht Cameron eben, sich für die kommende Wahl möglichst stimmenbringend zu positionieren. Wie die mittels Mehrheitswahlrecht entschiedene Unterhauswahl am 7. Mai ausgehen wird, ist schwer einzuschätzen. Für den Großteil der Bevölkerung, die unter niedrigen Löhnen, hohen Kreditschulden, einem stets schlechter werdenden öffentlichen Gesundheitssystem, steigenden Mieten und Tarifen aller Art ächzt, könnte die Abwahl der austeritären Regierungskoalition unter Premier Cameron durchaus eine Art Befreiungsschlag sein. Daß sie eventuell der traditionsreichen Labour Party unter der Führung von Ed Miliband, der zum einen als blaß und zum anderen nicht gerade als Verfechter ursozialdemokratischer Werte gilt, zu einer Mehrheit verhelfen, ist jedenfalls nicht undenkbar. Aktuellen Prognosen zufolge hat Labour einen kleinen Vorsprung vor den Tories. Nun sind zwar schon aufgrund des Mehrheitswahlrechts die Chancen der kleineren Parteien nicht eben groß. Ob die noch mitregierenden Liberalen (Lib Dem) erneut ein gutes Ergebnis einfahren können, scheint gegenwärtig ebenso unwahrscheinlich wie ein größerer Erfolg der noch bei der EU-Parlamentswahl auftrumpfenden UKIP. Immerhin haben sich drei kleinere Parteien zu einem Bündnis zusammengefunden, um die Austeritätspolitik der drei führenden Parteien gemeinsam zu bekämpfen: die Scottish National Party, die walisische Plaid Cymru und die Green Party (Grüne). Es bleibt abzuwarten, welche der kleineren Parteien eventuell stimmenmächtig genug ist, um ein Wort bei der Regierungsbildung mitreden zu können. Aus meiner Sicht ist den Unionsbürgerinnen und -bürgern im Vereinigten Königreich keinesfalls zu wünschen, weitere fünf Jahre lang von den Konservativen – allein oder in einer Koalition und garantiert unter ständigem Druck von UKIP – regiert zu werden. Denn dann würden sie 2020 ihre Heimat schon deshalb nicht mehr wiedererkennen, weil fast alle Staatsaufgaben ausgelagert und sämtliche Staatsbetriebe verkauft wären. Selbst die seit 1862 über Land- und Immobiliengeschäfte buchführende Behörde Land Registry soll demnächst privatisiert werden (und rund 1,5 Milliarden Euro in die Kasse spülen). Vom Brexit – dem wie auch immer gestalteten Austritt Großbritanniens aus der EU – ganz zu schweigen.
Erschienen in Ossietzky 2/2015 |
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