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Er endet mit der Feststellung: »So eroberten sie [die Israeliten] die Stadt und vollstreckten den Bann [die Ausrottung; H. H.] an allem, was in der Stadt war, mit der Schärfe des Schwerts, an Mann und Weib, jung und alt, Rindern, Schafen und Eseln« (Josua 6 Vers 21) – »Heiliger Krieg« total. Dann aber gibt es, auch schon im Alten Testament, Texte anderer Art, Texte einiger Propheten wie Jesaja, Jeremia, Amos, Micha, die aus dem Elend der Kriege, auch den unheiligen »Heiligen Kriegen«, gelernt hatten und nun eine bessere, gerechte Welt verhießen, zu deren Aufbau die »Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet« werden müßten und »die Menschen hinfort nicht mehr lernen (sollen), wie man Kriege führt« (in Jesaja 2). An diese Propheten knüpft Jesus später an: In der »Bergpredigt«, die die »Magna Charta« der Christen sein sollte (Matthäus 5-7), werden die »selig« gepriesen, die »Frieden schaffen«, gespeist aus einer »Feindesliebe«, die für die Verfolger bitten läßt (Matthäus 5 Vers 44). Das schließt Waffeneinsatz, auch als »letztes Mittel«, als »ultima ratio«, prinzipiell aus. Anschaulich und vorbildhaft wird uns das in der Darstellung der Verhaftungsszene Jesu vor Augen gestellt, als Petrus, der Jesus mit dem Schwerte verteidigen will, zurechtgewiesen wird: »Stecke dein Schwert an seinen Platz. Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen« (Matthäus 26 Vers 52). Bis ins 4. Jahrhundert waren diese Worte für die Christen wegweisend: Wer als Soldat Christ werden wollte, mußte den Militärdienst quittieren, und als Christ durfte niemand Soldat werden. Der bedeutende Kirchenvater Tertullian lehrte um 200 n. Chr.: »Im Krieg muß der Soldat Dinge tun, die einem Abfall [vom Glauben] gleichkommen.« (Tertullian, De corona militis 14; zit. bei Karlheinz Deschner: »abermals krähte der hahn«, 1962, hier: 1972, S. 505) Diese urchristliche Haltung, die auf Jesus also zurückgeht, wurde von den Theologen ab dem Jahre 313 n. Chr. in ihr Gegenteil verkehrt. In diesem Jahr gewährte der römische Kaiser Konstantin dem Christentum volle Religionsfreiheit. Hieß es bisher: Wer die Waffe nicht wegwirft, kann nicht Christ werden, beschloß die Synode von Arles schon 314 n. Chr.: Wer die Waffe wegwirft, kann kein Christ bleiben. Das gefiel den staatlichen Autoritäten, so daß das Christentum durch Kaiser Theodosius 380 n. Chr. zur »Staatsreligion« wurde. Die Kirche gab ihm dafür den Beinamen »der Große«. Als »Staatskirche« wurde das Christentum in den folgenden Jahrhunderten mit Privilegien und Reichtümern überhäuft; im Gegenzug stützte und rechtfertigte es alle Maßnahmen des Staates, besonders seine Kriege und Eroberungen. Wer sich dem, etwa auf Grund der Lehre der Bergpredigt, entgegenstellte, wurde verfolgt oder gar ausgerottet, wie etwa die Waldenser (12. Jahrhundert) oder später die Täufer und die Quäker. Durch die »Christianisierung«, in deren Verlauf im 8. Jahrhundert der größte Teil der Sachsen abgeschlachtet wurde, durch die Kreuzzüge gegen den Islam unter dem Schlachtruf »Gott will es« (ab 1095), durch Eroberung und gewaltsame Missionierung der »Neuen Welt« im 16. Jahrhundert und Afrikas im 19. Jahrhundert wurden große Teile der Welt von Europa aus angegriffen, ausgeplündert in ein Elend gestürzt, das bis heute nachwirkt. Durch die Reformation im 16. Jahrhundert wurde die Kriegstheologie nicht zurückgenommen. Zwar hatte Luther in seinen frühen Jahren mit seiner Lehre vom »Priestertum aller Gläubigen« Gedanken für eine demokratische und damit für eine mögliche friedliche Entwicklung formuliert und durch sein couragiertes Auftreten vor dem Kaiser 1521 auf dem Reichstag in Worms den herkömmlichen imperialen Mächten, die sich als Verteidiger des Christentums sahen, widerstanden; durch die anschließende fürsorgliche Errettung durch seinen Landesherrn, der ihn auf der Wartburg vor kaiserlichen Nachstellungen versteckte, wurde er aber von ihm abhängig und bald auch von allen anderen Landesherren, die seine »Reformation« annahmen und die er dann zu Bischöfen seiner »neuen Kirche« einsetzte. Ihnen mußte fortan absoluter Gehorsam geleistet und ihre Kriege gerechtfertigt werden. Entsprechend versicherte Luther im »Bauernkrieg« 1525: »Darum, liebe Herren, ... steche, schlage, würge hier, ... bleibst du darüber tot, wohl dir, einen seligeren Tod kannst du nimmermehr erhalten ...« 100 000 Aufständische wurden darauf von den Fürsten guten Gewissens ermordet. Ein Jahr später schob Luther eine Rechtfertigungsschrift für diesen Massenmord nach mit dem Titel: »Ob Kriegsleute in seligem Stande sein können«. »Natürlich«, lehrt Luther, sie dürfen in ihrem »Kriegshandwerk« nur nicht von »Ehrsucht und Geldgier« getrieben werden und sich nicht gegen »die von Gott verordnete Obrigkeit empören«. Dann aber sollen sie wissen: Sie sind gerechtfertigt, das heißt von Gott angenommen. »Denn die Hand, die das Schwert führt und tötet, ist nicht mehr eines Menschen Hand, sondern Gottes Hand, und nicht der Mensch, sondern Gott hängt, rädert, enthauptet [sic!; H. H.], tötet und führt Krieg ... Zusammengefaßt: Man darf beim Soldatsein nicht darauf sehen, wie man tötet, brennt, schlägt, gefangennimmt ... Das tun die ungeübten einfältigen Kinderaugen, die dem Arzt nicht weiter zusehen, als wie er die Hand abnimmt oder das Bein absägt, aber nicht sehen und bemerken, daß es um die Rettung des ganzen Körpers geht. Ebenso muß man auch dem Amt des Soldaten oder des Schwertes mit männlichen Augen zusehen, warum es so tötet oder grausam ist. Dann wird es selbst beweisen, daß es ein durch und durch göttliches Amt ist und für die Welt nötig und nützlich wie Essen und Trinken.« Im Sinne dieser Lehrschrift waren die lutherischen Kirchen in der Folgezeit die besten Rechtfertiger der »gottverordneten Obrigkeit« und ihrer Kriege: des Dreißigjährigen Krieges, der Kolonialkriege, des deutsch-französischen Krieges, des Vernichtungskrieges gegen die Herero 1904, des Ersten Weltkrieges, des Zweiten Weltkrieges, des Abwurfs der ersten Atombombe in Japan, der von einem US-amerikanischen lutherischen Geistlichen gesegnet wurde, des Vietnamkrieges der USA, des Jugoslawienkrieges 1999, aller darauf folgenden Militärinterventionen, die immer von Militärgeistlichen begleitet wurden. Als Kriegstheologe hatte ein Prediger schon im Ersten Weltkrieg auf sich aufmerksam gemacht, der dadurch nach 1918 Karriere machte, so daß er im März 1933, am »Tag von Potsdam« in der Nikolaikirche die offizielle Festpredigt halten konnte, in der er das NS-Regime zur Gewalt ermunterte. Sein Name: Otto Dibelius. Nach dem Kriege legte er als Ratsvorsitzender der EKD von 1949 bis 1961 in der evangelischen Kirche erneut die militärkirchlichen Strukturen fest, die sie bis heute bestimmen (s. Ossietzky 5/14). Gegen den Widerstand starker Kräfte in der Kirche um Gustav Heinemann, Martin Niemöller, Hans Joachim Iwand, Helmut Gollwitzer drückte er zusammen mit seinem Stellvertreter, dem Landesbischof in Hannover, Hanns Lilje, die von Adenauer gewünschte Remilitarisierung der Bundesrepublik durch, genauso wie den von ihm 1957 unrechtmäßig unterschriebenen Militärseelsorgevertrag, durch den die evangelische Kirche bis heute und – weil ohne Kündigungsklausel – bis in alle Ewigkeit an die Militärmaßnahmen der Bundesrepublik gebunden sein soll. In der etwas später, 1958, in der Synode, dem Kirchenparlament, stattfindenden Atomkriegsdiskussion befürwortete der Cheftheoretiker der konservativen Mehrheitsfraktion, der Theologe Walter Künneth, die »Atomrüstung in der Hand des Westens«: »Die Herstellung und Verwendung [sic!; H. H.] können in den Dienst der Nächstenliebe treten« (Evangelisch-lutherische Kirchenzeitung 12/1958). Dibelius selbst hatte sich schon früher, 1954, auf der 2. Vollversammlung des »Ökumenischen Rates der Kirchen« in Evanston (USA) zu einem solchen Dienst der Nächstenliebe geäußert: »Die Anwendung einer Wasserstoffbombe ist vom christlichen Standpunkt aus nicht einmal eine so schreckliche Sache, da wir alle dem ewigen Leben zustreben. Und wenn zum Beispiel eine einzelne Wasserstoffbombe eine Millionen Menschen tötet, so erreichen die Betroffenen umso schneller das ewige Leben«. Dieses menschenfeindliche Dibelius-Wort findet sich in dem Buch von Manfred Görtemaker »Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart«, Beck-Verlag 1999. Nach den Auseinandersetzungen in den 1950er Jahren wurde 1965 beim Kirchentag in Hannover eine »Verständigungsformel« kreiert, die bis heute gilt: »Friedensdienst mit und ohne Waffen«. Was hier zunächst als gesellschaftliche Anerkennung der Kriegsdienstverweigerer, die bis dahin durchweg als Drückeberger verunglimpft wurden, gefeiert wurde, entpuppte sich ab den 1990er Jahren als Türöffner dafür, mehr und mehr auf Waffen und schließlich wieder auf Krieg zu setzen. Die in den 1980er Jahren von der Aktion Sühnezeichen herausgebrachte Forderung »Frieden schaffen ohne Waffen« konnte politisch nicht durchgesetzt werden. Stattdessen wurde eine alte Formel als Begründung für Kriege wieder herausgeholt, die »ultima ratio«. Schon der Jugoslawienkrieg, von deutscher Seite aus völkerrechtswidrig vom Zaune gebrochen, wurde umgehend von den Kirchen mit eben jener Formel gerechtfertigt. Tatsächlich setzt die Befürwortung eines Krieges als »letztes Mittel« voraus, daß der Angreifer von einer militärischen Überlegenheit ausgeht, die zur Vernichtung des Gegners führt. Deshalb wird vor solchen »Ultima-ratio-Kriegen« immer eine verstärkte Aufrüstung betrieben. Erklärungen, damit »Menschenrechte« oder »Religionsfreiheit« zu schützen oder einen »Völkermord« zu verhindern, dienen der Beschwichtigung oder der Irreführung. »Ultima-ratio-Kriege« sind jederzeit und überall und mit allen möglichen Begründungen möglich. Dazu Egon Bahr 2013 im Gespräch mit Schülern: »In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie und Menschenrechte. Es geht um Interessen von Staaten. Merken Sie sich das!« Kriege und Waffeneinsätze werden wieder und in Zukunft wohl verstärkt unter Zuhilfenahme von uralten Versatzstücken aus dem theologischen Grusel-Arsenal und mit pastoralem Pathos geistlicher Vorbeter geführt. Deshalb wohl wurde ein Ex-Pastor zum Bundespräsidenten gewählt. Er vertritt ebenso wie seine lutherische Heimatkirche jene »Ultima-ratio-Lehre« für kommende Kriege, obwohl er als ehemaliger Pfarrer in der DDR das dort gebräuchliche Prophetenwort »Schwerter zu Pflugscharen« oft genug im Munde geführt und den dortigen Aufnäher dazu vermutlich auch getragen haben wird. Doch wahrscheinlich wird er dieses Wort ebensowenig ernst genommen haben – oder besser: nur in bezug auf die Volksarmee der DDR – wie jene Worte Jesu an seine Jünger, »Frieden zu stiften« und »Feindesliebe zu üben«. Diese Worte scheinen ihm lästig zu sein. Deshalb ist es erforderlich, dem Bundespräsidenten mit seiner Militärrhetorik auch aus theologischen Gründen scharf zu widersprechen. Feindesliebe zu üben bedeutet, »Feindbilder« zerstören zu helfen; in unseren Tagen ist es das wiederbelebte Feindbild von den Russen, das dazu beitrug, daß im 20. Jahrhundert unendliches Leid über dieses von Deutschland überfallene Volk gebracht wurde. Die Kernbotschaft Jesu zum Krieg und zum Frieden ist stärker, auch gegen amtskirchliche und staatliche Verlautbarungen, hörbar zu machen. Das bedeutet praktisch, zu fordern, die Exporte von Waffen zu beenden, zum Beispiel in die uns freundschaftlich verbundenen Unrechtsstaaten wie Saudi-Arabien und Katar, und die Waffenproduktion selbst zugunsten nützlicher Güter umzustellen, damit »Schwerter zu Pflugscharen« werden; die Militärseelsorge als halbstaatliche Institution abzuschaffen, wie es jetzt eine innerkirchliche Bewegung militaerseelsorge-abschaffen.de anstrebt; Feindbilder zerstören zu helfen und kriegstreiberische Propaganda zu entlarven und schließlich, den Kriegs- und Armutsflüchtlingen beizustehen, wie es den Christen nach dem Gleichnis »Vom Weltgericht« (Matthäus 25) geboten ist. Damit haben wir, welcher Weltanschauung wir auch immer angehören, genug zu tun. Vom gegenwärtigen Bundespräsidenten werden wir für solche Friedensarbeit allerdings wohl kein Wort der Ermutigung hören. Vortrag (gekürzt) beim DGB – Wolfsburg/Braunschweig und »Arbeit und Leben Wolfsburg« am 7. Oktober 2014 in Wolfsburg aus Anlaß des Antikriegstages.
Erschienen in Ossietzky 24/2014 |
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