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Quelle: statistisches Bundesamt und eigene Berechnungen Während also die Anzahl der Beschäftigten enorm steigt, sinkt das Arbeitsvolumen der Lohnerwerbsarbeit, gleichzeitig steigt der Reichtum unseres Landes seit Jahrzehnten. Das Arbeitsvolumen sank durch Arbeitszeitverkürzung von der 48- auf die 40-Stunden-Woche, durch höhere Urlaubsansprüche und in den letzten zehn Jahren vor allem durch oft unfreiwillige Teilzeitarbeit. »Noch nie ging es uns so gut – noch nie haben wir uns so schlecht gefühlt. Ist die steigende Zahl seelischer Krankheiten, sind Burnout, Depressionen und Versagensängste der Preis einer immer hektischeren Jagd nach Erfolg und Wachstum?« schreibt und fragt der Psychologe und Psychoanalytiker Paul Verhaeghe in seinem Buch »Und ich? Identität in einer durchökonomisierten Gesellschaft«. Arbeit macht krank – zu viel Arbeit und zu wenig. Meine Kolleginnen und Kollegen aus der VW-Fabrik berichten so: »Nervenzusammenbruch im Vertrieb, Wutanfall bei einem Fahrer, viele kranke Kollegen im Zentrallager, Morddrohungen eines Stapler-Fahrers …, und dies nur in meiner unmittelbaren Arbeitsumgebung ... Pauschal kein Urlaub, freie Tage sollen ›verkauft‹ werden, weil zu wenig Personal verfügbar ist. Umstrukturierung und noch mehr Bürokratie; mit zwei Personen pro Schicht, die nicht mehr ihrer alten Arbeit nachgehen sollen, sondern die Schnittstelle zwischen VW und der Personal-Verleihfirma. 1050 Euro ausgezahlt für drei Schichten mit Zuschlägen und Wochenendarbeit im Bereich der Logistik, zu 100 Prozent integriert mitten in der Wertschöpfungskette, Lohndumping erster Klasse mitten im Werk.« Rund zwei Millionen Beschäftigte in Deutschland sind mindestens einmal im Jahr krank, durchschnittlich zehn Arbeitstage oder 160 Millionen Arbeitsstunden fallen dadurch aus. Andererseits werden trotz Flexibilisierung und Arbeitszeitkonten immer noch etwa 1,5 Milliarden Überstunden gemacht – das entspricht etwa einer Million Vollzeitarbeitsplätzen oder durchschnittlich 50 Stunden pro Person und Jahr. Alles zusammengenommen, Minijobs, Teilzeitbeschäftigte und Vollzeitbeschäftigte, beträgt die durchschnittliche Jahresarbeitszeit aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer etwa 1.300 Stunden an 220 Arbeitstagen. Diese tatsächliche Arbeitszeit entspricht genau der 30-Stunden-Woche, nur ist die Arbeitszeit sehr ungleich verteilt in Überforderung einerseits und Unterbeschäftigung andererseits, beides macht die Individuen und die Gesellschaft krank. Eine radikale Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohn- und Personalausgleich ist aktueller denn je, sie ist möglich, nötig und bezahlbar. Wie in den zurückliegenden 100 Jahren wettern Kapital und Kabinett, bis vor 100 Jahren im Verein mit Krone und Kirche, gegen jede Arbeitszeitverkürzung und erklären sie zum Untergang unseres Landes, zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Karl Marx wies nach, daß sich in der Ökonomie der Zeit schließlich alle Ökonomie auflöst. Für die Kapitaleigentümer und ihre Manager ergibt sich daraus zwecks Profitsteigerung der Zwang, den Arbeitstag der abhängig Beschäftigten extensiv auszuweiten. Eine Begrenzung des Arbeitstages und eine Reduzierung der Arbeitszeit hingegen ist eine Begrenzung der Macht und des Profites, eine Rückgewinnung von Autonomie für die lohnabhängig Beschäftigten.
Erschienen in Ossietzky 24/2014 |
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