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Obwohl im Vorfeld der Parlamentsanhörungen wie auch in der kritischen Öffentlichkeit zahlreiche der 27 Kandidatinnen und Kandidaten auf große Bedenken stießen, »erwischte« es am Ende lediglich die Slowenin Alenka Bratušek, die als Vizepräsidentin für die Energieunion vorgesehen war. Für sie wurde Violeta Bulc nachnominiert. Obwohl die »Kreuzverhöre« der Ausschüsse des EU-Parlaments und die Recherchen von Nichtregierungsorganisationen wie Attac bei vielen der inzwischen amtierenden Kommissarinnen und Kommissare ein geballtes Maß an fachlicher Inkompetenz und auch lobbyistischer Verquickungen offenlegten, können sie nun im Rahmen ihrer Zuständigkeiten schalten und walten. Ein Trauerspiel fürwahr. Die neu formierte EU-Kommission, das Junckersche »Siegerteam«, wird unsere Lebensverhältnisse in den kommenden sieben Jahren erheblich mitprägen. Sie besteht, ich finde, das sollte wenigstens einigermaßen vertraut sein, aus den folgenden politischen Leicht- und Schwergewichten der EU-Mitgliedstaaten: Federica Mogherini: zugleich Vizepräsidentin und »EU-Außenministerin«; Frans Timmermans: Erster Vizepräsident und zuständig für bessere Regulierung, Rechtstaatlichkeit und Grundrechte; Kristalina Georgieva: Vizepräsidentin und zuständig für Haushalt und Personal; Andrus Ansip: Vizepräsident und zuständig für die digitale Binnenwirtschaft; Maroš Šefčovič: Vizepräsident und zuständig für die Energieunion; Valdis Dombrovskis: Vizepräsident und Euro-Kommissar; Jyrki Katainen: Vizepräsident und zuständig für Arbeitsplätze, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit. Zum Reigen der ausschließlich zu Kommissaren berufenen Mitglieder gehören: Günther Oettinger, zuständig für digitale Wirtschaft und Gesellschaft; Johannes Hahn, Kommissar für die EU-Erweiterungsverhandlungen etwa mit den Ländern des Westbalkans; Cecilia Malmström, Handelsfragen – auch zuständig für Freihandelsabkommen wie TTIP; Neven Mimica, Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung; Miguel Arias Cañete, Klimaschutz und Energie; Karmenu Vella, Umwelt, maritime Angelegenheiten und Fischerei; Vytenis Andriukaitis, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit; Dimitris Avramopoulos, Migration und Inneres; Marianne Thyssen, Beschäftigung und Soziales; Pierre Moscovici, Wirtschaft; Christos Stylianides, humanitäre Hilfe und Krisenbewältigung; Phil Hogan, Landwirtschaft; Jonathan Hill, Finanzmarkt; Violeta Bulc, Verkehr und Weltraum; Elżbieta Bieńkowska, Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und Mittelstand; Vĕra Jourová, Justiz, Verbraucherschutz und Geschlechtergerechtigkeit; Tibor Navracsics, Bildung, Kultur und Jugend; Corina Creţu, Regionalpolitik; Margrethe Vestager, Wettbewerb und Carlos Moedas, zuständig für Forschung und Innovation. Das läßt sich doch gut merken. Von den oben genannten Amtswalterinnen und -waltern gelten besonders Miguel Arias Cañete, Jonathan Hill, Tibor Navracsics, Karmenu Vella, Dimitris Avramopoulos und auch Günther Oettinger als fachlich überfordert beziehungsweise interessenabhängig. Bemerkenswerter sind da schon Akteure wie Valdis Dombrovskis. Der Ex-Regierungschef Lettlands und neue Euro-Kommissar versprach bei den Anhörungen, die Troika abzuschaffen und soziale Fragen bei der laufenden »Sanierung« der Staatshaushalte stärker zu berücksichtigen. Bislang gibt es freilich keine Anzeichen dafür, daß sich die EU – und in ihr vor allem die Euro-Länder – von der seit Beginn der Finanzmarktkrise immer schärfer praktizierten Austeritätspolitik verabschieden will. Im Europäischen Rat (der Staats- und Regierungschefs) wie auch im (Minister-)Rat der EU wird die ins Kaputtsparen mutierte Haushaltskonsolidierung mehrheitlich nach wie vor als Nonplusultra verteidigt. Und das, obwohl die wirtschaftliche Situation in der EU desolat ist und die Hoffnungen der ein riesiges Arbeitslosen- und Prekariatsheer bildenden Unionseuropäerinnen und -europäer auf Besserung in absehbarer Zeit selbst dann nicht erfüllt werden können, wenn die Kommission die von ihr geforderten 300 Milliarden Euro für ein Investitionspaket erhielte. Beim EU-»Beschäftigungsgipfel« im Oktober verdeutlichte nicht zuletzt unsere Eiserne Kanzlerin Merkel, sie hielte nichts von überambitionierten Plänen, zudem seien nicht einmal die bisher bereitgestellten Mittel für die EU-Jobgarantie aufgebraucht worden. Die EU-Politik der vergangenen Krisenjahre hat viele Mitgliedstaaten in den sozialen und wirtschaftlichen Ruin getrieben. Solange die irrwitzigen Regeln zur Reduzierung der Staatsschulden beibehalten werden, wird die Euro-Zone weiterhin und ungebremst in eine Krise getrieben, für die noch kein beschreibender Begriff erfunden wurde. Wohin die Reise auch auf höherer politischer Ebene geht, deutete beim jüngsten Gipfeltreffen der britische Premier David Cameron schon einmal unüberhörbar an: »Ich werde das nicht bezahlen!« schimpfte er, als ihm von der EU-Kommission eine Nachzahlung von zwei Milliarden Euro abgefordert wurde. »Das ist keine Summe, das ist eine tödliche Bedrohung!« kommentierte er die geforderte Erfüllung der Beitragsverpflichtungen Großbritanniens zum EU-Budget. Konkret: Wenn nicht einmal mehr die von Vertretern aller Mitgliedstaaten gemeinschaftlich festgelegten Beitragssätze von gewissen Staatschefs akzeptiert werden, wie soll dann die für die notleidenden Krisenländer dringend erforderliche Solidarität überhaupt zustande kommen? Dieser Beitrag ergänzt das Buch von Rudolf Hickel und Johann-Günther König: »EURO stabilisieren. EU demokratisieren. Aus den Krisen lernen«, Kellner Verlag, 288 Seiten, 16,90 €.
Erschienen in Ossietzky 23/2014 |
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