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Bedeutung für die Stadt hat aber auch eine kleine Insel im Fluß, auf der – oberhalb des »Lauffen« – eine spätmittelalterliche Burg steht. Die Laufer nennen sie Wenzelschloß. In dem Namen steckt schon ein Stück Geschichte der Anlage. Denn Bauherr der Burg war Karl IV., deutscher und böhmischer König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Es ist jener König und Kaiser, der Lauf 1355 das Stadtrecht verlieh und der 1356 mit der Goldenen Bulle einen Kompromiß zwischen den aufstrebenden Fürstenhäusern und der Zentralmacht fand, der letztendlich zur Kleinstaaterei in Deutschland beitrug. An diesem Ort im Fluß machte Karl IV. Station, wenn er auf dem Weg nach Nürnberg war. Als ich vor Jahren zum ersten Male nach Lauf kam, wollte ich mir neben dem Marktplatz und dem Glockengießerspital auch das imposante Bauwerk auf der Insel anschauen. Aber ich stand vor verschlossenem Tor. Ein Schild verriet, dort residiere die »Nürnberger Akademie der Bildenden Künste« mit der »Abteilung Kunsterziehung an höheren Schulen«. Das Gebäude sei nicht zugänglich. Enttäuscht kehrte ich dem Ort den Rücken. Später führte mich der damalige Stadtarchivar Ewald Glückert, der einen Schlüssel für die gut erhaltene Burg hatte, durch das kulturhistorische Kleinod. Dabei gab er mir nicht nur einen Einblick in die böhmische Geschichte der Stadt im 14. Jahrhundert, sondern zeigte mir auch den Wappensaal mit den 140 gut erhaltenen in Stein gehauenen farbigen Wappen, Zeugnisse der großen Macht des böhmischen Königs Karl. Die Wände zieren unter anderem die Wappen von Prag, Breslau, Kuttenberg (Kutná Hora), der Burggrafen von Magdeburg, der Herren von Plauen, der Mark Bautzen und der Herren von Torgau. Historiker und Kunstwissenschaftler sind sich heute einig, daß dieser Wappenfries zu den eindrucksvollsten Beispielen gotischer Innenraumkunst in Deutschland gehört. Manche sagen, dieses Kunstwerk sei von europäischem Rang. In letzter Zeit hörte ich auch, es sei einmalig auf der Welt. Lange schien es mir, die Laufer nähmen nicht zur Kenntnis, welcher Schatz da in ihrer Stadt zu finden sei. Denn als der Freistaat Bayern, der Eigentümer der Burg, diese der Stadt für eine DM zum Kauf anbot, lehnte man ab. Stadtrat und Bürgermeister schreckten die hohen Sanierungs- und Unterhaltungskosten. Vielleicht wußte auch niemand, was mit dem Gebäude anzufangen sei. Aber lagen damals die Nutzungskonzepte nicht auf der Hand? Die Kreisstadt des Kreises Nürnberger Land hatte Raumbedarf. Noch heute fehlt das, was die Nachbarstädte Röthenbach beziehungsweise Hersbruck haben, eine Stadthalle oder ansprechende Ausstellungsräume für Bildende Kunst, eben repräsentative Orte für kulturelle Begegnungen. Die Burg wurde 1985 zur Außenstelle der Nürnberger Akademie der Bildenden Künste. Die lud die Lauferinnen und Laufer einmal im Jahr zu einer Kunstausstellung ein. Ab und an bot das Stadtarchiv Führungen durch den Wappen- und den Kaisersaal an. Hin und wieder fanden im Wappensaal Lesungen oder Konzerte statt. Manchmal kamen auch Gäste aus der Tschechischen Republik, um die Burg Karls IV. anzuschauen. Mancher Besucher fragte höflich, warum dieser Ort deutsch-tschechischer Geschichte nicht für jedermann zugänglich sei. Hoffnungen auf eine Öffnung flammten auf, als bekannt wurde, daß die »Abteilung Kunsterziehung an höheren Schulen« nach Nürnberg ziehen würde. Im Juli 2010 überraschte die in der Stadt erscheinende Pegnitz-Zeitung ihre Leserinnen und Leser mit der Frage: »Wird also bald ein Hollywood-Star neuer Schloßherr in Lauf?« Die Redaktion hatte erfahren, daß die Burg nicht in die Hände der Schlösserverwaltung übergehen sollte, sondern in die der landeseigenen Firma »Immobilien Freistaat Bayern«, deren Aufgabe es ist »für den staatlichen Betrieb nicht mehr benötigte Immobilien … dem Markt« zuzuführen. Anfang Juni 2014 erfuhren wir aus den Nürnberger Nachrichten, daß Lauf von der neuen Liebe des bayerischen Heimatministers Markus Söder zu Tschechien profitieren würde. Auf einer Reise nach Pilsen hätte er auch kurz nach Lauf geblickt. »Dort, sagte er, könne er sich gut ein deutsch-tschechisches Sprachinstitut vorstellen, untergebracht im Wenzelschloß.« Das hieß also: Die Burg wird nicht verkauft! Sie bleibt Eigentum des Freistaates Bayern. Der hat indessen eine Vereinbarung mit der Stadt Lauf für eine »Zwischennutzung« geschlossen: Im Wappensaal finden Trauungen statt. Seit ein paar Wochen ist der Burghof geöffnet und die Laufer und ihre Gäste können nach 30 Jahren wieder den kurzen Weg über die Schloßstege in die Altstadt nehmen. Als ich jüngst durch den Burghof ging, fiel mir auf, wieviel noch zu tun sein wird, bis in das Wenzelschloß wieder Leben einziehen kann. Aber wer wird nun diesen Ort beleben? Die Burg wird nicht zum Museum, kein deutsches »Karlštejn«. Die Region Nürnberg/Fürth/Erlangen sei reich an Museen, hörte ich einmal. Im Gespräch – in das diesmal auch die Stadtverwaltung Lauf einbezogen wurde – ist, aus der Burg eine »Europäische Begegnungs- und Bildungsstätte« zu machen. Deren »Realisierung und Finanzierung … (Errichtung und laufender Betrieb) wäre Sache eines noch zu findenden Trägers«, teilte mir die Pressestelle des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, auf Anfrage mit. In der Stadt kursieren indessen Ideen, den ersten Stock mit dem Wappen- und dem Kaisersaal für Kultur- und Bildungsveranstaltungen, für Ausstellungen und Empfänge zu öffnen. Aber entspricht das dem historischen und kulturellen Stellenwert des Ortes? Die Burg sei »ein wichtiger ›Gedächtnis-Ort‹ für die tschechisch-bayerische Kulturgeschichte« und könnte »deswegen auch eine wichtige Rolle in der gemeinsamen Gedächtniskultur spielen«, wünschte sich Jirí Cistecky, Sonderbeauftragter der Tschechischen Regierung für die Tschechisch-Bayerische Landesausstellung 2016, in einem Interview mit der Pegnitz-Zeitung. Und so sollte sie mehr sein, als ein Ausstellungsort während der Landesausstellung 2016, die aus Anlaß der 700. Geburtstages von Karl IV. stattfinden wird. Von Lauf und der Burg in der Pegnitz könnten auch nach 2016 noch Impulse für den deutsch-tschechischen Kulturaustausch ausgehen, die auch auf die nahe Stadt Nürnberg ausstrahlen könnten. Sie beklagt immer wieder ihr Bratwurst- und Lebkuchen-image, erinnert aber an den böhmischen und deutschen König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches mit nicht viel mehr als dem »Männleinlaufen«. (Jeden Tag um Punkt zwölf Uhr erscheinen im Giebel der Frauenkirche am Hauptmarkt die Figuren der sieben Kürfürsten, die den König wählen durften.). Dabei hätte Nürnberg zum Beispiel mit der Kaiserburg, der Frauen- und der Sebalduskirche auch viele Potentiale, um zusammen mit der kleinen Nachbarstadt nicht nur an spätmittelalterliche Zeiten zu erinnern, sondern neue Akzente im Miteinander mit dem Nachbarland Tschechische Republik zu setzen.
Erschienen in Ossietzky 19/2014 |
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