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Fünf schmale, auf wenige Kopien beschränkte Täterbiographien kann die Gedenkstätte vorweisen, hingegen fehlt noch immer jeder Hinweis zu juristischen Schreibtischtätern wie Werner Hülle und Heinrich Ebersberg, den Organisatoren des »Nacht- und Nebel«-Befehls und der Aktion »Vernichtung durch Arbeit«. Und was ist aus dem »Vorzeigeprojekt« des ehemaligen Gedenkstättenleiters Wilfried Knauer geworden, dem Gräberfeld 13 a? Zur Erinnerung: Auf dem Wolfenbütteler Friedhof gibt es ein Gräberfeld: eine Rasenfläche, unter der die sterblichen Überreste von 298 Soldaten der Roten Armee und 103 in Wolfenbüttel hingerichteten Justizopfern liegen. Für Wilfried Knauer war es vorteilhaft, daß ganze Schulklassen und einige Lehrer glaubten, daß man sich in erster Linie um die Opfer und nicht um die Täter kümmern muß, und so fand er viel Unterstützung bei der Umgestaltung der Fläche. Mit Hilfe des akkurat geführten Gräberplans des Friedhofsamtes konnten die Schüler die Gräber genau den einzelnen Namen zuordnen. Das war endlich »Geschichte zum Anfassen«. Außerdem half ein Celler Historiker. Als Aufgabe für Knauer blieb die nicht pannenfreie Beratung für die Namen der Justizopfer. Im Unterschied zu der wichtigen, aber komplexeren Beschäftigung mit der NS-Justiz ließ sich ein solches Projekt auch in der Wolfenbütteler Zeitung besser »verkaufen«. In mehr als 40 Artikeln konnte der Gedenkstättenleiter Knauer Lob für das Projekt verbuchen. Auf 18 Aufnahmen ist Knauer allein abgelichtet; kein einziges Foto druckte die Presse von einem Opfer ab. Schließlich erhielt jeder der 298 als Zwangsarbeiter eingesetzten Soldaten einen Grabstein mit einem dauerhaften Edelstahlschild mit Name, Geburts- und Todestag. Bei seinem letzten Fototermin im Jahre 2010 posierte der Gedenkstättenleiter beim Reinigen eines Schildes. Seither schweigt die Wolfenbütteler Presse. Die von dem Gedenkstättenleiter durchgesetzte Gestaltung – die Grabsteine so vertieft in den Boden einzulassen, daß ein Rasenmäher darüberrollen kann – war wenig dauerhaft. Erst versuchte man noch, die Grabsteine freizuschneiden. Doch nahm die Natur sich ihr Recht. Schon in den ersten Jahren zerfetzten die Rasenmäher auch einige der Metallschilder. Und jetzt, nach weniger als vier Jahren ist das, was Knauer publikumswirksam mit dem Leitspruch anpries »Opfern ihre Namen zurückgeben«, damit »kein Gras darüber wächst«, wieder nichts als eine gewöhnliche Wiese. Noch unwürdiger und planloser ist der Gedenkstättenleiter mit den 103 Namen der in der Nähe der Zwangsarbeitergräber beerdigten Justizopfer umgegangen. An sie hatte der Leiter einer Gedenkstätte zur NS-Justiz allerdings zuletzt gedacht, auch bei der Beschaffung der Finanzierungsmittel, obgleich das für alle Opfer der NS-Zwangsherrschaft geltende Gräbergesetz dafür eine Kostenerstattung vorsieht. Zur notwendigen Registrierung kam es erst ungefähr 2013. Und so erhielten die dem Fallbeil zum Opfer Gefallenen im Frühjahr 2010 nur je eine einfache Gehwegplatte. Zur Beschriftung begnügte man sich mit laminierten Papierschildern, die auf die Steinplatten aufgeklebt wurden. Von ihrem einstigen Vorzeigeobjekt »Gräberfeld 13 a« will die Gedenkstätte nichts mehr wissen und verweigert jede Auskunft darüber, wie und wann es weitergehen soll. Entgegen der von der Gedenkstätte immer wortreich in den Vordergrund gestellten Arbeit an der »Schicksalsklärung« hat Wilfried Knauer sich wenig um die Hinterbliebenen der Justizopfer gekümmert, überhaupt nicht um die in Helmstedt lebenden Angehörigen von Moritz Klein. Kürzlich hat der Enkel von Moritz Klein den unwürdigen Zustand des Grabes seines Großvaters moniert. Eine Antwort der Gedenkstätte ist bislang ausgeblieben. Wegen des beschämenden Anblicks hat man die völlig verschmutzten Namensplaketten jetzt entfernt. Das Desaster des »Gräberfeldes 13 a« ist ein Lehrstück und verweist auch auf ein Defizit der Dienstaufsicht (Stiftung niedersächsische Gedenkstätten). Eine Gedenkstätte zur NS-Justiz bedarf des nötigen Sachverstands. Zweifeln an der wissenschaftlichen Kompetenz der beiden Gedenkstättenleiter hatte Thomas Henne vorgebeugt, Mitglied der vom (inzwischen ehemaligen) Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Habbo Knoch, berufenen Internationalen Expertenkommission für die Gedenkstätte Wolfenbüttel: Das »Wissen um die Mittel, mit denen die ›furchtbaren Juristen‹ arbeiteten«, führe nicht notwendig zur Kompetenz für eine museumspädagogisch sinnvolle Darstellung«. Überflüssig seien auch »mehr Täterbiographien«. Inzwischen gibt es Hoffnung auf Änderung. Ab 1. September 2014 wird die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten von Jens-Christian Wagner geleitet. Interesse und Kompetenz für die Justizgeschichte hat Wagner schon bei seiner langjährigen Leitung der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora gezeigt, nicht zuletzt mit einer Tagung zum Thema Justiz und Zwangsarbeit. In einer Pressemitteilung Wagners liest man Ungewohntes: Es gelte auch, die Funktionsmechanismen einer rassistischen Gesellschaft aufzuzeigen, also auch die Täter und deren Motive in den Blick zu nehmen und den Bezug zur Gegenwart herzustellen. Wegen der Verwahrlosung der Wolfenbütteler Gedenkstätte wird Wagner ein schweres Erbe antreten. Bei der Entscheidung für einen Stiftungsgeschäftsführer, der über ein bloßes allgemeinhistorisches Wissen hinaus auch etwas von der Justizgeschichte und dem besonderen Unrechtsbeitrag der Justiz im »Dritten Reich« versteht, hat der Stiftungsrat der niedersächsischen Gedenkstätten offensichtlich der Gedenkstätte Wolfenbüttel größeren Stellenwert als bislang zugestehen wollen. Weil man mit dem Neubeginn in Wolfenbüttel eine zukunftsfähige Gedenkstätte schaffen will, hat die Stiftung jetzt für Wolfenbüttel eine Vollzeit- und drei Teilzeitstellen ausgeschrieben. Die meisten setzen Kenntnisse zur NS-Justiz voraus. Ein gutes Zeichen. Die Tatwaffe der NS-Juristen war ebenso unsichtbar wie heimtückisch: Es waren das Wort und eine perfide, das Unrecht verschleiernde Rechtsanwendungsmethode. Das gilt es herauszuarbeiten.
Erschienen in Ossietzky 18/2014 |
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