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Manchmal – und so auch jetzt – hat man gar den Eindruck, daß der Verweis auf das eine Ressentiment geradezu davon ablenkt, daß zeitgleich ein anderes Ressentiment mit vergleichbaren Konstruktionen aufgebaut und gezielt genutzt wird. Antimuslimischer Rassismus wurde bis zum strafrechtsrelevanten Kommentar von Nicolaus Fest in der BamS vom 27. Juli 2014 im Zusammenhang mit den Reaktionen auf das Gaza-Bombardement nicht ausgemacht, antijüdischer Rassismus sehr wohl und zurecht kritisiert. Fests antiislamisches Ressentiment reicht so weit, daß er das Asylrecht für Menschen muslimischen Glaubens einschränken möchte. Die üblichen Distanzierungsrituale von antisemitischen Äußerungen – bei denen alle Juden für das verantwortlich gemacht werden, was die Regierung Netanjahu tut – dienten jedoch auch der Ablenkung von Völkerrechtsbruch und Menschenrechtsverletzungen vor Ort. Das eigentlich wichtige und berechtigte Einschwören auf »Nie wieder Judenhaß« wurde mißbraucht zur Rechtfertigung eines menschenunwürdigen Krieges, der nur darum überhaupt möglich wird, weil man Palästinensern ihre Menschenrechte abspricht. Die systematische Entmenschlichung der Palästinenser ist über Jahre hinweg betrieben worden, so daß man deren physische Vernichtung als Folge einer Kriegs- beziehungsweise Verteidigungslogik hinnimmt – Stichwort: Hamas und Islam. Das gerne verstärkend benutzte Syntagma »radikal-islamische Hamas« belegt die Notwendigkeit einer verknüpfenden Betonung des zu Dämonisierenden, Radikalität und Islam, die hier angeblich eine genuine Verbindung eingehen. Die Behauptung aber, daß Muslime grundsätzlich zu Gewalt, Unterdrückung und Antisemitismus neigten, ist nicht viel anderes, als die dämonisierenden Behauptungen, die man Juden stets kollektiv unterstellte – bis hin zur Agenda einer Weltverschwörung. Einer jüdischen Weltverschwörung einst und auch heute noch und neuerdings einer muslimischen Weltverschwörung, die man Islamisierung nennt. In einer aktuellen Plakataktion – wobei die Herkunft der Plakate nicht geklärt ist – wird Israel in Fotomontagen als letzte freie Bastion vor der islamischen Welt dargestellt. Das Motto dabei: First we take Tel Aviv, then we take Berlin – oder Paris, oder Dublin. (http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/middleeast/israel/10992936/Israel-condemned-over-European-terror-propaganda-tweets.html) Die Nationalsymbole sind mit scheinbar islamischen Attributen umgestaltet, vor allem Burka und Kopftuch kommen hier bildlich zum Einsatz. Ob solche Aktionen Israel nützen, darf in Frage gestellt werden. Sie schüren vermutlich weiteren Judenhaß, was womöglich sogar ein weiteres Eskalationsziel ist. Daß solche Fotomontagen aber gleichzeitig islamophob sind, sollte alle diejenigen auf den Plan rufen, die glauben, sich für eine diskriminierte Minderheit – und oft gegen die andere – einsetzen zu müssen. An diesem Beispiel, wie an vielen anderen, wird deutlich, wie komplementär diese beiden Ressentiments sind. Kollektive Schuldzuweisungen und die Behauptung eines kollektiven Charakters sind also auch im Jahre 2014 noch möglich. Wer erkennt schon die Parallelen zwischen der Beschimpfung »Staat im Staate« und »Parallelgesellschaft« oder zwischen Fleischbesudelungsprozessen gegen Juden und dem Vorwurf, Muslime würden Schweinefleisch bespucken? Dies sind nur zwei Beispiele aus ungezählten Parallelen zwischen Muslim- und Judenhaß, wobei der eine Rassismus nicht den anderen ersetzt hat – beide existieren neben- und miteinander. Dies leugnen vor allem diejenigen, die nicht wollen, daß man ihre Menschenfeindlichkeit erkennt, während sie sich ausschließlich zum vermeintlichen Wohle einer diskriminierten Gruppe einsetzen. Daß zwischen den Wohlmeinern und Nichtblickern auch einige falsche Freunde sind, die dieses Unverständnis der realen historischen Verantwortung schamlos ausnutzen, um menschenverachtende Propaganda zu machen und ihren Haß zu pflegen, das erkennen nicht alle, und nur wenige wagen es, dies auch klar zu benennen. Gerade die sich ausbreitende muslimfeindliche Szene gibt sich oft und gerne besonders judenfreundlich. Abraham Goldstein hat in seinem bemerkenswerten Kommentar auf migazin.de (22.7.2014) die Problematik auf den Punkt gebracht: »Als Jude läuft man Gefahr, sich in einer falschen Sicherheit zu wiegen – der sich aufdrängende Typus von Freund, der noch vor 70 Jahren den Gashahn aufdrehte, unterscheidet sich nicht wirklich. Er beseitigt den ihm Fremden immer auf ähnliche Weise. Und zwar alle ihm Fremden.« Mehr dazu in: Sabine Schiffer / Constantin Wagner: »Antisemitismus und Islamophobie, ein Vergleich«, HWK-Verlag, 260 Seiten, 24,80 €
Erschienen in Ossietzky 17/2014 |
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