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Der Künstler, der die Schrift gestaltet hatte, wurde davon nicht informiert. Die Worte »Helden« wie »Ruhm und Ehre« erschienen nicht verwendbar. Vermutlich, weil sie nicht die reale Situation der Häftlinge erfassen und aus floskelhaftem Sprachgebrauch entstammen. Zumal die Legende eingebettet war, daß der Politiker der KPD Albert Kuntz, der am 23. Januar 1945 im KZ Mittelbau-Dora ermordet wurde, das Lager als »Held« befreit habe. Offenbart sich mit den in der DDR oft gebrauchten großen Wörtern »Ruhm und Ehre« in gewissem Sinne verdeckt die umgekehrte Minderschätzung des Einzelnen? Ebenso gilt heute der Begriff vom »antifaschistischen Kampf« als nicht korrekt. Die neue Widmung spricht von den »Opfern der nationalsozialistischen Verbrechen« und folgt der nach 1945 im Westen gebräuchlichen und nach 1990 sich ausbreitenden Historikersprache. Vor allem Ralph Giordano lehnt vehement den Begriff »Faschismus« für Deutschland ab mit der Begründung, mit diesem werden deutsche, italienische, spanische, ungarische oder chilenische Faschisten nivelliert und die Verbrechen der Nationalsozialisten relativiert. Wer aber »faschistisch« wie »antifaschistisch« ablehnt und dafür von »nationalsozialistisch« spricht, wer also zur faschistischen Diktatur »nationalsozialistische Diktatur« sagt und zur faschistischen Gesinnung »Nationalsozialismus« (»National Socialism«), geht der demagogischen Selbstetikettierung auf den Leim. Mit diesem Propagandabegriff und ihrem Selbstbild wollten die Nazis damals den Eindruck erwecken, eine auf Veränderung drängende Stimmung im Volk aufgreifen und sozialistische Ideen verwirklichen zu wollen. Doch Hitler erklärte: »Unser Sozialismus ändert nicht die äußere Ordnung der Dinge«, womit er das gegenrevolutionäre Wesen der »völkischen Revolution« betonte. Und es waren keine sozialistischen Überlegungen, die Hitler bewegten, seinen »Kampfgenossen« Ernst Röhn, der mit antikapitalistischen Parolen eine »Zweite Revolution« forderte, erschießen zu lassen. Selbstbenennungen deuten oft auf trügliche Absichten. Aber entscheidend ist nicht, wie jemand sich nennt, sondern was er wirklich ist. (Zwar wirkt die Benennung auch, aber sie ist nicht entscheidend.) Das versuchte die KPD in ihrem Programm von 1930 zur nationalen und sozialen Befreiung klarzustellen, sie wollte die Grenzlinie zwischen Kommunisten und Nazis verdeutlichen. Doch das Programm verwischte den Unterschied, weil manche weiter glaubten, daß die Nazis etwas mit Sozialismus zu tun hätten. In der Gedenkstätte KZ Dachau bemerkt man anscheinend nicht die eigene unlogische Begriffsverwendung in dem an sich auskunftsfähigen Text in der Ausstellung: »Der Nationalsozialismus bündelte und radikalisierte eine Vielzahl von politischen Haltungen, die in der Gesellschaft verbreitet waren, insbesondere Nationalismus, Imperialismus, Sozialdarwinismus sowie Ressentiments gegenüber Liberalismus, Demokratie und sozialistischer Arbeiterbewegung.« Also stellt man hier zwar richtigerweise Nationalsozialismus gegen Sozialismus, der im Begriff »sozialistische Arbeiterbewegung« versteckt ist, aber verbleibt bei der widersprüchlichen Begriffsverwendung. Denn das Bestimmungswort »National« als erstes Glied des Kompositums bestimmt den Zweck, das Ziel und die räumliche Ausdehnung des zweiten Gliedes »Sozialismus«. Und obwohl die einengende Bestimmung teils sogar aufhebend ist, wird mit diesem Grundwort eine Bedeutung signalisiert, die von den Faschisten nicht angestrebt wurde. Verwendet werden in Rußland »Faschisty« und »Faschism« oder in Polen »wokresie przemocy hitlerowskiej« (Zeit der Gewaltherrschaft Hitlers). Dort lehnt man den Begriff »Nationalsozialisten« als zu harmlos ab. Andere, wie Renate Lasker-Harpprecht, sprechen von »Nazi-Deutschen« oder »SS-Deutschen«. Man könnte sich durchaus mit dem Kurznamen »Nazis« behelfen und von Nazi-Diktatur, -Ideologie, -Reich, oder -Größen sprechen oder heute von Neonazis. Dennoch erscheinen mir weiterhin »Faschisten« und »Faschismus« die treffenderen Schlüsselbegriffe zu sein, weil sie sich nicht in konkreten politisch-ökonomischen Begriffen verfangen und einen historischen Hintergrund besitzen. Das italienische Fascio als anachronistische lateinische Bezeichnung für Rutenbündel im antiken Recht war für die Faschisten ein mythisch unverklärtes und aufladbares System, in dem sie alle Drangsalierungen zu ihrem »Recht« subsumieren konnten. Damit erfaßt der Begriff »Faschismus« bildhaft die Gesamtheit aller gesellschaftlichen Umstände, den Totalitarismus, und schließlich deren Wesenskern, entsprechend der Dimitroff-Formel: terroristisch, menschen- und menschenrechtsfeindlich und letztlich kriegstreibend. Die Einzigartigkeit des deutschen Faschismus sei mit dem Attribut »deutsch« benannt. Die offizielle Festlegung auf das Wort »Nationalsozialismus« beabsichtigt offenbar, mit Rückblick auf den gescheiterten Realsozialismus, diesen in eine solche Nähe zu führen und eine Abwertung des Begriffes Sozialismus vorzunehmen und damit letztlich die Sache, die Gesellschaftsordnung, antisozialistisch in Mißkredit zu bringen. Zugleich möchte man damit den konsequenten Antifaschismus der DDR in Frage stellen. In deutschen Institutionen gibt es fragliche Mentalitäten. Wie soll man sich erklären, warum der Deutsche Fußball-Bund zwar Aktionen gegen Fremdenhaß, Diskriminierung und Rassismus betreibt, aber kürzlich zu einem Nationalspiel im Hamburger Stadion verbietet, dort in ranggroßer Form den Slogan »Kein Fußball den Faschisten« zu zeigen. Da scheint immer noch im Untergrund, wie auch bei der Aufklärung zur NSU zu bemerken, ein faschistischer Geist zu schwelen.
Erschienen in Ossietzky 17/2014 |
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