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Auch die diesbezügliche Praxis der Bundesrepublik könnte man einer differenzierten Betrachtung unterziehen, unterteilt in einzelne Epochen der zurückliegenden 65 Jahre. Dabei fällt auf, daß es Personen der Zeitgeschichte gibt, die alle Veränderungen des Betrachtungs-winkels zu ihnen überdauert haben und von Umbenennungen nicht betroffen waren. Einer von ihnen ist der am 2. Oktober 1847 geborene Paul von Hindenburg, der auf militärischer Ebene als Generalfeldmarschall im Ersten Weltkrieg von sich reden machte und später als Politiker bis zum Reichspräsidenten avancierte. Es war der Mythos der gewonnenen Schlacht von Tannenberg, der ihn zeitlebens begleitete und ihm maßgeblich dazu verhalf, auf die politischen Geschehnisse des Deutschen Reiches Einfluß zu nehmen. Selbst der für Deutschland verlorene Weltkrieg änderte daran wenig. Für sich selbst zog er Bilanz, die sich in dem von ihm stammenden wohl bekanntesten Zitat äußerte: »Der Krieg bekommt mir wie eine Badekur.« Die Tatsache, daß Millionen Menschen in diesem Krieg ihr Leben lassen mußten, interessierte ihn offenbar wenig. Nach einem (vorläufigen) Ruhestand erklärte er sich nach anfänglichem Zögern im Frühjahr 1925 bereit, für die Reichspräsidentenwahl zu kandidieren. Rechte Parteien hatten sich seiner erinnert, als im ersten Wahldurchgang keiner der bis dahin aufgestellten Kandidaten die absolute Mehrheit erzielte. Hindenburg gelang das, und er führte die Weimarer Republik als Reichspräsident durch ihre zweite Hälfte. Im Jahr 1932 wurde er erneut in das Amt gewählt und ernannte in dieser Eigenschaft am 30. Januar 1933 Hitler zum Reichskanzler. Die berüchtigte »Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat« fällt in seine Amtszeit. Sie war die Grundlage dafür, daß wesentliche Grundrechte beseitigt wurden und damit auch der Willkür und dem Terror der Nazis der Weg bereitet wurde. Das ebenfalls unter Hindenburg geschaffene »Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich« eröffnete der amtierenden Regierung das Recht, Gesetze zu verabschieden, ohne das Parlament einschalten zu müssen. Die bisherige Notverordnungspraxis des Reichspräsidenten wurde damit weitgehend entbehrlich. Bei alledem war Hindenburg trotz seines fortgeschrittenen Alters – er war inzwischen 86 – nach neueren Untersuchungen keineswegs senil. Seine Rolle in der deutschen Geschichte mag noch nicht abschließend beurteilt sein, wohl aber hat er den Nazis zur Macht verholfen und Hitler letztlich erst möglich gemacht. Zahlreiche Straßen und Plätze sind noch heute nach ihm benannt. Viele Städte hatten ihm auch die Ehrenbürgerschaft verliehen, oftmals schon Jahre vor Antritt des Präsidentenamtes. Auch 83 Thüringer Städte gehörten dazu. Meine seit nahezu 30 Jahren bestehende Wahlheimat Gotha verlieh ihm diese Auszeichnung im Jahr 1917. Erst als ich vor einigen Jahren durch eine Veröffentlichung der bisherigen Ehrenbürger der Stadt zufällig darauf aufmerksam wurde, daß auch Hindenburg dort erwähnt war, konnte ich mich an den damaligen Stadtvorsteher wenden, weil ich es für unerträglich hielt, diesen Mann weiterhin als Ehrenbürger aufzulisten. Das führte zunächst keineswegs zu Zustimmung, wobei ich das Argument, daß im selben Kriegsjahr 1917 zahlreiche Thüringer Städte ihm aus Anlaß seines 70. Geburtstages die Ehrenbürgerschaft verliehen hatten, beim besten Willen nicht gelten lassen konnte. Es bedurfte einiger Aktivitäten bis mir letztlich mitgeteilt wurde, daß die Ehrenbürgerschaft mit dem Tod erlischt. Das erfordert freilich in seinem Fall, ihn dann auch nicht mehr als Ehrenbürger zu benennen. Der während der Debatte inzwischen neu gewählte Oberbürgermeister bestätigte mir alsbald, daß man Hindenburg künftighin nicht mehr als Ehrenbürger aufführen werde. Auf der Website von Gotha ist er leider inzwischen doch erwähnt, wobei neben seinen Titeln der Anlaß der Verleihung dargestellt ist, nämlich die »geniale[n] Führung im Weltkrieg, die [...] den festen Grund für eine glückverheißende Weltgeltung Deutschlands gelegt hat«. Ansonsten wird lapidar ausgeführt, er habe »am ›Tag von Potsdam‹ (21.3.1933) bei dem von Hitler inszenierten Schauspiel einer Versöhnung von nationalsozialistischer Bewegung und preußischer Tradition« mitgewirkt. Ihn darauf zu reduzieren erscheint allerdings mehr als fraglich. Inzwischen regt sich auch in Berlin »Zoff um Ehrenbürger Nr. 58«, wie Sueddeutsche.de am 22. Juni titelte. Auch hier wurde Paul von Hindenburg einst Ehrenbürger. Das Aufbegehren hiergegen erscheint mehr als nötig und überfällig.
Erschienen in Ossietzky 17/2014 |
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