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Die derzeitige juristische Definition des Mordes in § 211 des Strafgesetzbuches fand in dieser Form erst während der Nazizeit Eingang in die Regelung aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuches vom 4. September 1941. Von nun an war Mörder, »wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet«. Wer nicht mindestens eine dieser Voraussetzungen (Mordmerkmale) erfüllte und trotzdem einen Menschen getötet hatte, war bisher Totschläger. Nun wird in Juristenkreisen darüber gestritten, ob man diese alte Regelung der Tötungsdelikte reformieren sollte, um zu einer gänzlichen Neufassung zu kommen, die die vorsätzliche Tötung eines Menschen unter Strafe stellt und einen Strafrahmen von fünf Jahren bis lebenslanger Freiheitsstrafe eröffnet. Eine Unterscheidung zwischen Mord und Totschlag gäbe es dann nicht mehr. Besondere Begleitumstände der Tat, wie beispielsweise hochgradige Erregung oder Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit aus Krankheitsgründen würden sich dann nur noch in der Höhe der Strafe widerspiegeln. Hintergrund dieser Diskussion sind nicht nur Abgrenzungsprobleme, die in der Praxis der juristischen Beurteilung immer wieder auftauchen, sondern auch die in der derzeitigen Regelung letztlich noch erhalten gebliebene nationalsozialistische Rechtsauffassung. Der Vorsitzende des 2. Senats beim Bundesgerichtshof, Thomas Fischer, sprach sich deshalb Ende 2013 in der Wochenzeitung Die Zeit für eine Abschaffung der Mordmerkmale und einer zwingend nach derzeitigem Recht zu verhängenden lebenslangen Freiheitsstrafe aus. Nunmehr befassen sich verschiedene Gremien damit, Vorschläge für Neufassungen dem Gesetzgeber zu unterbreiten. Federführend ist hier nicht nur der Deutsche Anwaltverein, auch verschiedene Strafrechtsprofessoren haben sich bereits zu Wort gemeldet. Darunter auch einer, der unabhängig von der Neuregelung der Tatbestände auch die Frage der Verjährung aufgreift, also die Unmöglichkeit, nach bestimmtem Zeitablauf das Tötungsdelikt mit strafrechtlichen Mitteln noch zu ahnden. Bis zum Jahr 1969 galt in der alten Bundesrepublik eine Verjährungszeit von 20 Jahren für Morddelikte, bereits 1965 wurde eine Hilfskonstruktion gefunden, mit der die Jahre 1945 bis 1949 bei der Berechnung von der Verjährung ausgenommen wurden. Ab 1969 galt eine Verjährungszeit von 30 Jahren für Mordtatbestände, Völkermord konnte nicht verjähren. Erst 1979 wurde eine Verjährungszeit für Mord gänzlich abgeschafft, das führte zu dem weithin bekannten Grundsatz: »Mord verjährt nie.« Die damalige Verjährungsdebatte wurde vor allem mit Blick auf während der Nazizeit begangene Tötungsverbrechen geführt und leider immer wieder vor sich hergeschoben. Die DDR hatte bereits in ihrem neuen Strafgesetzbuch von 1968 die Unverjährbarkeit von Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit und von Kriegsverbrechen festgeschrieben. Der nunmehr von Wolfgang Mitsch in der renommierten Strafrechtszeitschrift Strafverteidiger (6/14, S. 366 ff.) unterbreitete Vorschlag läuft (wieder) auf eine 30jährige Verjährungsfrist hinaus, die dann auch auf alle bereits vor Inkrafttreten einer solchen Regelung begangenen Morde anzuwenden wäre. Er hält den Verzicht auf eine Unverjährbarkeitsregelung für »vertretbar« und formuliert in dem Zusammenhang: »Ein ernsthaftes Bedürfnis, auch den letzten noch unentdeckten NS-Mörder kurz vor seinem Tod der gerechten Bestrafung zuführen zu können, existiert im Jahr 2014 sicher nicht mehr.« Woher er diese Überzeugung nimmt, bleibt leider offen. Angesichts der jahrzehntelang betriebenen Verschleppung von Verfahren gegen nazistische Gewaltverbrecher in der Bundesrepublik, bei der man sich verhalten hat »wie der Jagdhund, der zur Jagd getragen werden muß« (F. K. Kaul), erscheint mir das äußerst bedenklich. Die ethisch-moralische Verantwortung zur Aufklärung von Mordverbrechen aus dieser dunkelsten Periode deutscher Geschichte kann uns niemand abnehmen. Es wäre fatal, besonders den Opfern beziehungsweise ihren Angehörigen gegenüber, auf diese Weise einen juristischen Schlußstrich unter die Verfolgbarkeit von Morddelikten aus der NS-Zeit herbeizuführen. Das wäre letztlich der späte Sieg solcher Bestrebungen, wie sie in den 1960er und 1970er Jahren bei einem Teil der deutschen Bevölkerung bestanden und unter dem Druck der Öffentlichkeit sich 1979 nicht mehr durchsetzen konnten. Wenn man bedenkt, daß ohnehin alles, was nicht Mord war, bereits 1960 in der Bundesrepublik gesetzlich gewollt verjährt war, ist dies mit Sicherheit das falsche Signal. Da hilft auch nicht, daß der Autor des hier kritisierten Aufsatzes formuliert: »Davon abgesehen sollte eine politisch reife Gesellschaft die Fähigkeit haben, mit der Frustration eines nach 30 Jahren immer noch nicht aufgeklärten Tötungsverbrechens gelassen umzugehen und ihren Frieden mit dem anonymen, vielleicht unauffällig in ihrer Mitte lebenden Mörder zu schließen.« Solches läßt sich aber kaum Hinterbliebenen von Mordopfern, nicht nur der Nazizeit, erklären, wo die Tat bisher aus verschiedenen Gründen nicht aufgeklärt werden konnte, aber aufgrund neuerer Spurenauswertungsmethoden doch noch Hoffnung besteht, des Täters habhaft zu werden. Man kann nur hoffen, daß solche Überlegungen zur Verjährbarkeit von Tötungsdelikten in eine künftige gesetzliche Regelung nicht Eingang finden. Strafverfolgung sollte auch immer ein »Dienst an dem wesentlichsten Recht des Menschen, an dem Recht auf Leben« sein, um nochmals den unvergessenen Friedrich Karl Kaul zu zitieren.
Erschienen in Ossietzky 14/2014 |
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