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Vor allem die Provinzpresse ist landauf und landab voll von Triumphmeldungen: »Spitzenplätze für Umwelt-Campus Birkenfeld« (Rheinzeitung), »Spitzenplatz für die Universität Bayreuth« (Nordbayerischer Kurier), »Chemnitzer TU punktet beim CHE-Ranking 2014« (Sachsen Fernsehen), »Fulda schneidet mit BWL im Hochschulranking sehr gut ab« (Fuldaer Zeitung), »Uni Trier belegt Spitzenplätze im nationalen Vergleich« (Wochenspiegel), »Gute Noten für Bamberger Wirtschaftsinformatik, BWL und VWL« (Der Neue Wiesentbote), »Spitzenplätze für Jade-Hochschule in Rangliste« (Wilhelmshavener Zeitung), »Zeppelin Universität ist in Wirtschaftswissenschaften spitze« (Schwäbische Zeitung), »Mit vier Fächern vorn« (Göttinger Tageblatt). Die Rankingergebnisse werden bedenkenlos von den Spindoktoren in den Pressestellen durch das Verfahren der Auswahl und Reduktion in ein Mittel der Standortpropaganda verwandelt und von den Redaktionen dankbar übernommen. Von einem derart zur PR verkommenen Journalismus wird man wohl keine Aufklärung der Leserschaft mehr erwarten dürfen. Informationen, die dem Leser und der Leserin erlauben würden, den Wahrheitsgehalt und den praktischen Wert dieses CHE-Rankings zu beurteilen, sucht man deshalb in diesem Kontext vergeblich. Dabei sind diese Informationen seit Jahren leicht zugänglich und können ohne viel Aufwand zu fünf kritischen Schlußfolgerungen verknüpft werden: Erstens: Das CHE ist eine private, als gemeinnützig anerkannte GmbH, die nach eigenen Angaben etwa zur Hälfte von der Bertelsmann-Stiftung finanziert wird. Letztere wiederum verfolgt trotz ihrer philanthropischen Fassade als privater »content provider« knallharte Geschäftsinteressen und wird in wesentlichen Teilen von den Mitgliedern der Familie Mohn kontrolliert. Zweitens: Das CHE ist seit seiner Gründung 1994 der wichtigste Strippenzieher der neoliberalen Hochschulreform, im hauseigenen Jargon: die »Reformwerkstatt« des Hochschulwesens. Das gesamte Zerstörungswerk der letzten Jahrzehnte, das der Humboldtschen Universität mit ihrer demokratischen Verfassung den Untergang bescherte und die funktionelle Privatisierung der Universitäten bedeutete, ist im CHE ausgebrütet worden: von den neueingeführten Top-down Strukturen in der Universitätsleitung über die Hochschulräte und die Akkreditierungsbürokratie bis zu den (inzwischen wieder weitgehend abgeschafften) Studiengebühren. Mit dem Ranking versucht die private GmbH in Kooperation mit dem bildungspolitischen Tendenzblatt Die Zeit die Kontrolle über die Hochschulentwicklung zu behalten und durch die Bereitstellung von Kennzahlen zu steuern. Die Universitäten sollen »unternehmerisch« tätig sein und sich für das dafür nötige Controlling auf diese Kennzahlen stützen können. Drittens: Seit Jahren wird in der Wissenschaft die Gültigkeit der Rankingergebnisse in Frage gestellt. Allgemeiner Tenor: Diese Rankings sind nichts wert, unseriös, unterkomplex, verzerrend, irreführend. Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) spricht von »gravierenden methodischen Schwächen und empirischen Lücken« und hat deshalb zum Boykott des CHE-Rankings aufgerufen; ebenso wie die Fachverbände der Anglisten, der Erziehungswissenschaften (DGFE), der Politikwissenschaften, der Historiker und Historikerinnen (VHD) und der Publizisten und Kommunikationswissenschaftler (DGPuK). Tatsächlich ist die Zahl der Rankingverweigerer in den letzten Jahren ständig gestiegen. Inzwischen machen zahllose Fachbereiche und ganze Universitäten bei dem Rankingzirkus nicht mehr mit. So haben unter anderem die Universitäten in Köln, Lüneburg, Vechta, Hamburg und Jena ihre zeitaufwendige Mitarbeit eingestellt. Die freiwerdenden Ressourcen sollen wieder Forschung und Lehre zugute kommen. Viertens: Die Folgen des durch den Rankinghype simulierten Wettbewerbs brauchen nicht mehr befürchtet zu werden, sie lassen sich längst überall beobachten. Die Jagd nach oberen Rankingplätzen, die ja mit Belohnungsversprechen wie Reputationsgewinn und Mittelzufluß verbunden sind, führt zur Aufspaltung der Hochschullandschaft in Sieger und Verlierer. Sie zerstört die Kollegialität und produziert Mißtrauen und Geheimnistuerei. Am Ende leidet darunter selbstverständlich auch die Innovationskraft der Wissenschaft. Die Orientierung an den Rankingkriterien erzeugt einen Anpassungs- und Konformitätsdruck, der vielleicht in Vielschreiberei und Mehrfachverwertung mündet, aber nicht notwendig in neuen Erkenntnissen. Fünftens: Für das Orientierungsverlangen der Studierenden ist das CHE-Ranking ziemlich überflüssig, wenn nicht schädlich. Wer sich zuverlässig informieren will, kann heute mit ein paar Mausklicks auf die entsprechenden Webseiten und Veranstaltungsverzeichnisse leicht herausfinden, was sich an den Universitäten und Fachbereichen tut, oder bei einem Tag der offenen Tür die Studienstätte in Augenschein nehmen. Der Autor war bis 2008 Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin; Homepage: www.60320ffm.de/orbis/.
Erschienen in Ossietzky 13/2014 |
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