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Sie beschuldigten die ebenfalls in Miami ansässigen Aktivisten Santiago Álvarez Fernández Magriñá, Osvaldo Mitat und Manuel Alzugaray, die Anschläge geplant und ihre Reisen organisiert zu haben. Die drei Hintermänner sind seit Jahrzehnten in militanten antikommunistischen Gruppen aktiv und pflegen engen Kontakt zu dem in den USA frei herumlaufenden Luis Posada Carriles. Der frühere CIA-Agent ist unter anderem für eine Serie von Bombenanschlägen auf touristische Einrichtungen und die Sprengung eines kubanischen Verkehrsflugzeugs im Jahr 1976 verantwortlich, bei dem 73 Passagiere getötet wurden. Zwei der Auftraggeber, Santiago Álvarez Fernández Magriñá und Osvaldo Mitat, schmuggelten den flüchtigen Posada Carriles 2005 mit ihrem Boot »Santrina« in die USA. Sie sind dort wegen illegalen Waffen- und Sprengstoffbesitzes vorbestraft. Mehrere US-Zeitungen berichteten außerdem, daß Santiago Álvarez Fernández Magriñá jahrelang die international als Menschenrechtsorganisation hofierte in Kuba agierende Contraorganisation »Damen in Weiß« mit monatlich 1.500 US-Dollar finanzierte. Bundesdeutschen Mainstreammedien hatten ihre Leser und Zuschauer – auch zwei Wochen nach Verhaftung der geständigen US-Terroristen – nicht über den von internationalen Agenturen bestätigten Vorgang informiert. Latein- und US-amerikanische Medien berichteten dagegen über den Fall. Trotzdem stellten die Behörden in Washington sich unwissend. Eineinhalb Wochen nach der Verhaftung konnte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, weder eine Auskunft über die Staatsbürgerschaft der in Kuba Verhafteten noch zu irgendwelchen anderen Details geben. Mit der stereotypen Antwort »Wir wissen es nicht« blockte sie auf einer Pressekonferenz in Washington jede Frage ab. Auch als Beamte des kubanischen Außenministeriums Vertretern der US-Interessenvertretung (SINA) in Havanna am 8. Mai Informationen übergaben, schien das Interesse nicht sonderlich groß. »Wir werden die Schriftsätze überprüfen«, hieß es dort. Neben der Besorgnis über die neuen – in Miami ausgeheckten – Terrorpläne und der Empörung über die Twitter-Kopie »ZunZuneo«, mit der die US-Entwicklungsagentur USAID kubanische Jugendliche zu Massenprotesten aufstacheln wollte, wurde die Stimmung in Havanna zuletzt durch zwei Todesfälle getrübt. Der Verlust von Gabriel García Márquez und Juan Formell hat die meisten der literatur- und musikbegeisterten Kubaner tief getroffen. Der am 17. April in Mexiko-Stadt verstorbene Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez galt – obwohl in Kolumbien geboren – den Menschen der sozialistischen Karibikinsel als einer der ihren. Es war mehr als die Erwiderung des Respekts und der tiefen Zuneigung, die er für das kubanische Volk und dessen revolutionäres Bewußtsein empfand, mehr als die Würdigung seiner lebenslangen Freundschaft mit Revolutionsführer Fidel Castro. Während in Europa vor allem Márquez‘ literarische Werke gewürdigt wurden, sehen die Kubaner in ihm auch einen der wichtigsten linken Intellektuellen, Anti-Imperialisten und engagierten politischen Journalisten Lateinamerikas. Nach dem Sieg der Kubanischen Revolution war »Gabo«, wie er sich von seinen Freunden nennen ließ, 1959 auf Einladung Fidel Castros nach Havanna gereist und unterstützte dort die von den Revolutionären ins Leben gerufene »Operation Wahrheit«, mit der konterrevolutionären Medienkampagnen entgegengewirkt werden sollte. Gemeinsam mit dem Argentinier Jorge Masetti gründete er später die alternative linke Nachrichtenagentur Prensa Latina mit Sitz in Havanna. Als Reaktion auf sein Bekenntnis zu Kuba verweigerte ihm Washington mehrfach die Einreiseerlaubnis, bis Bill Clinton, den Bann mit der Bemerkung brach, daß »Hundert Jahre Einsamkeit« sein Lieblingsroman sei. In Kuba gründete Gabriel García Márquez 1985 die weltweit angesehene Internationale Hochschule für Film und Fernsehen in San Antonio de los Baños, rund 30 Kilometer südöstlich von Havanna, deren Träger die ebenfalls von ihm gegründete Stiftung des Neuen Lateinamerikanischen Films (Fundación del Nuevo Cine Latinoamericano, FNCL) ist. In Anerkennung dieses Engagements beschlossen die Organisatoren das 36. Internationale Festival des Neuen Lateinamerikanischen Films, das im Dezember 2014 in Havanna stattfindet, seinem Wegbereiter zu widmen. Zwei Wochen nach »Gabo« verstarb in Havanna der Komponist, Musiker und Gründer des legendären Salsa-Orchesters »Los Van Van« Juan Formell am 1. Mai im Alter von 71 Jahren. An der Zeremonie zu seiner Beisetzung nahm fast die gesamte künstlerische und politische Prominenz des Landes teil. Fidel Castro und sein Bruder Raúl ließen Kränze niederlegen. Die Bevölkerung Havannas verabschiedete sich von der Salsa-Legende am Sonnabend nach seinem Tod mit einem bewegenden Konzert auf der »Antiimperialistischen Tribüne« am Malecón, bei dem zahlreiche seiner Musiker- und Künstlerkollegen ihm die Ehre erwiesen. Formell hatte seine Band im Dezember 1969 gegründet, als in Kuba – zehn Jahre nach dem Sieg der Revolution – für das Ziel einer Zehn-Millionen-Tonnen-Zuckerrohrernte im Jahr 1970 mobilisiert wurde. Ein häufig verwendeter Satz während der Kampagne lautete: »De que van van«, eine typisch kubanische Phrase, die kaum zu übersetzen ist und sinngemäß so viel bedeutet wie: »Das schaffen wir ganz sicher!« oder (auf Plattdeutsch) »Wat mutt, dat mutt«. Davon inspiriert nannte der Bassist Formell seine neue Formation: »Los (que) van van«. Knapp 45 Jahre lang prägte die Gruppe Kubas Musikszene wie keine andere, tourte mehrfach um den Globus, wurde mit unzähligen Musikpreisen, darunter dem Grammy Award, ausgezeichnet und blieb dabei immer ihrem Land und seiner Revolution verbunden. Seinen letzten großen Auftritt hatte Juan Formell am 1. März auf der Begrüßungsfeier für Fernando González vor der Universität von Havanna (s. Ossietzky 8/14). Voll von Erlebnissen und Eindrücken aus einer Welt, in der Solidarität mit den Schwächeren im Alltag selbstverständlich ist, über 90 Prozent der Menschen Eigentümer ihrer vier Wände sind, der Zugang zu Bildung und die gesundheitliche Versorgung kein Privileg derjenigen ist, die es sich leisten können und vor allem, in der Terror, Invasion und Krieg nicht als legitimes Mittel zur Durchsetzung wirtschaftlicher und politischer Ziele gelten, mache ich mich auf die Rückreise in meine andere Welt, in der all das – trotz aller materiellen Reichtümer – für zunehmend mehr Menschen unerreichbar wird. Bei allen Mängeln, Mißständen und Unzulänglichkeiten hat mir der Aufenthalt in Havanna erneut bestätigt, daß eine andere Welt möglich ist.
Erschienen in Ossietzky 12/2014 |
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