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Gerühmt wird er als »Schutzherr der Abendländischen Kirche«, so der Kirchenhistoriker Karl Heussi in seinem »Kompendium der Kirchengeschichte«, als »Europas ehrwürdiger Leuchtturm« und »Vater Europas«, dessen Wirken die »Idee des christlichen Abendlandes als Leitgedanke für die künftige politische und wirtschaftliche Einigung Europas« widerspiegle, wie es auf der Website des Karlspreisdirektoriums heißt, das seit 1950 alljährlich in Aachen den »Internationalen Karlspreis zu Aachen« verleiht. Ausgezeichnet damit wurden seitdem: der Rheinländer Konrad Adenauer, erster Bundeskanzler und Remilitarisierer (1954); François Mitterand und Helmut Kohl (1988); Angela Merkel (2008); der mutmaßliche Unterstützer des »Chileputsches« gegen Salvador Allende und Träger des Friedensnobelpreises, Henry A. Kissinger (1987); der SA-Mann, NSDAP-Anhänger und spätere Bundespräsident Karl Carstens (1984); der Kriegstreiber Tony Blair (1999) und viele andere, die als europäische »Qualitätspolitiker« in Erscheinung getreten sind. Beachtung verdient immer noch der erste Preisträger von 1950, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergo, der mit seiner Schrift »Paneuropa« (1923) Begründer der »Paneuropa-Bewegung« wurde und 1950, »zur Verwirklichung des ›Charlemagne-Bundes‹«, den gerade unterzeichneten »Atlantikpakt« (das heißt die NATO) gegen die Sowjetunion begrüßte und dazu ausführte: »Die Erneuerung des Karolinger-Reiches im Geiste des zwanzigsten Jahrhunderts wäre ein entscheidender Schritt vorwärts zur Einigung Europas. Ein neues Weltreich würde entstehen, dessen Bevölkerung größer wäre als die Vereinigten Staaten von Amerika und dessen Territorium, von der Ostsee bis Katanga (das ist eine südliche Provinz im Kongo, H.H.), nur der Sowjetunion an Größe nachstehen würde ... Militärisch wäre es unangreifbar und könnte seinen Völkern eine lange Friedensperiode sichern. Für Osteuropa wäre es ein Magnet, der erst Ostdeutschland in seinen Bann ziehen würde und dann die europäischen Oststaaten ...« (www.karlspreis.de). Wie es allerdings zum Karolinger-Reich Karls kam, das erneuert und dabei noch erheblich vergrößert werden sollte, erfährt man vom Redner damals ebenso wenig wie vom Karlpreisdirektorium heute. Das soll hier in gebotener Kürze geschehen: Mit dem Tode Pippins 768 fiel das Frankenreich, das von den Pyrenäen bis nach Thüringen reichte, an seine Söhne Karl und dessen jüngeren Bruder und Rivalen Karlmann. Nach dessen mysteriösen Tod 771 wurde Karl Alleinherrscher und war dann bis zu seinem Tode 814 damit beschäftigt, sein Reich mittels Raubkriegen zu vergrößern. Dazu hat er auf seinen Heerzügen eine Strecke zurückgelegt, »die mehr als einer kompletten Umrundung des Globus entspricht« (zit. nach dem Film »Karl der Große«, Phoenix, 1. Mai 2014). Er kämpfte gegen die Langobarden in Italien (774), gegen die Mauren in Nordspanien (778), gegen die bayrischen Stammesherzöge (788), gegen die Dänen, Slawen, Sorben und andere Stämme, besonders aber gegen die Sachsen (in ihrem Stammland Niedersachsen) von 772 bis 802, Karls »dreißigjähriger Krieg«. »Kriegführen mußte der König damals immer, das war sein Geschäft«, so entschuldigen heute Karlversteher wie der Mittelalterforscher Johannes Fried »sein Geschäft«. Allerdings: Karl hob seine Kriege auf eine »höhere«, geradezu göttliche, Ebene: Es seien Missionierungskriege für den Christengott, heilige Kriege also, die auch die größten Greueltaten seiner Gefolgsleute, seiner »Gotteskrieger«, rechtfertigten. Zu ihrem heiligen Tun gehörten: Plünderungen, Landraub, Abschlachten von Kriegsgefangenen, bei dem 782 mutmaßlich 4500 Sachsen bei Verden/Aller ermordet wurden; Ausrottung Unschuldiger, Willkür, Ermordung aller, die sich der Zwangstaufe entziehen wollten. »Sterben soll, wer Heide bleiben will und unter den Sachsen sich verbirgt, um nicht getauft zu werden, oder es verschmäht, zur Taufe zu gehen«, so hatte der König verfügt. Spätere christliche Herrscher und Päpste machten sich Karls Art, wie Kriege gegen »Ungläubige« zu führen seien, gern zu eigen, so bei den Kreuzzügen im 11. bis 13. Jahrhundert. Am Ende seines Lebens hatte Karl sich ein Gebiet zusammengeraubt, das vom Ebro bis zur Oder und von Süditalien bis an die dänische Grenze reichte. Zur Absicherung seiner Herrschaft ließ er darin Pfalzen und Klöster bauen. Durch sie wurden die Besiegten überwacht und zu gefügigen Untertanen gemacht. Für ihre Bewacher, die Mönche und Prediger, hatten sie den neueingeführten »Pfarrzehnten« zu erbringen. Für die Kirche war Karls Christianisierung von großem Nutzen, denn dadurch »hat sie«, wie der bedeutende Kirchenhistoriker Albert Hauck rühmte, »auf dem mit Blut gedüngten Boden die tiefsten Wurzeln geschlagen«. Gerühmt wird Karl auch als »Förderer von Kunst, Bildung und Wissenschaft« (Monumente – Magazin für Denkmalkultur in Deutschland der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, 2/14, Schirmherr: Bundespräsident Joachim Gauck), obwohl keiner seiner Untertanen je lesen und schreiben lernte, von den wenigen, die später Geistliche oder Verwaltungsbeamte werden sollten, einmal abgesehen. Tatsächlich ging es in den Bildungserlassen von 785 und 789 darum, den Neu-christen die christliche Dogmatik und Bibelkenntnis einzubläuen. Bei Androhung von leiblichen Strafen und Nahrungsentzug bis zur »Läuterung« verfügte der große Karl, »daß jeder einzelne ... kirchliche Grundformeln auswendig kennt« und drohte Frauen bei Nichtwissen des Vaterunsers die Peitsche an, so der Historiker Rolf Bergmeier. Seine Auseinandersetzung mit Karls Kulturpolitik in dem Buch »Schatten über Europa. Der Untergang der antiken Kultur«, 2012, ergibt für sie eine vernichtende Bilanz. 1165 ließ Kaiser Friedrich Barbarossa den Karolinger Karl kanonisieren. Seitdem verweilt er für die katholische Kirche im Status eines »Seligen«. 1969 nahm ihn auch die evangelische Kirche, vom Rat der EKD gebilligt, in ihren »Evangelischen Namenskalender« auf, so daß er seitdem einen festen Platz im »Ökumenischen Heiligenkalender« einnimmt, neben einem anderen Deutschen Kaiser und Blutkrieger, Heinrich II., der 1146 heiliggesprochen wurde. Ein notwendiger Nachtrag: Auf Beschluß des Karlspreisdirektoriums geht der Karlspreis 2014 an den Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, weil er »in Person verkörpert, daß Europa täglich neu erarbeitet werden und eine Vision haben muß«. Als Sprecher zur Verleihung am 29. Mai 2014 im Rathaus zu Aachen wurden ausgewählt: die Premierminister der Republik Moldau, von Georgien und der Ukraine. Letzterer, der Putschpremier und proamerikanische Separatist (doch das sagt das Kuratorium so nicht) Arsenij Jazenjuk, hat inzwischen eine Vision besonderer Art gehabt, mit der er die Welt erschreckte – den Dritten Weltkrieg.
Erschienen in Ossietzky 12/2014 |
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