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Daß Sie nach Ihrem Abschied vom Kanzleramt für ein Großunternehmen aktiv wurden, haben dieselben Medien Ihnen nicht übelgenommen, enge Verbindungen zwischen politischer Prominenz und privatwirtschaftlicher Führung sind erwünscht. Freilich war mit Ihrer Lobbytätigkeit, wie sich nun herausstellt, ein Problem verbunden: An der Nordstream AG ist Gazprom beteiligt, und dem Russen ist bekanntlich nicht zu trauen. Und jetzt das böse Ende der Geschichte: Bei Ihrer Geburtstagsnachfeier in St. Petersburg haben Sie den »Neozaren« (wie er in der deutschen Presse gern genannt wird) umarmt. Zu derselben Zeit, wo – so beschreibt es die F.A.Z. – von ukrainischen Russenfreunden »deutsche Offiziere als Geiseln gehalten werden«. Offiziere, man stelle sich das vor! »Stoßtruppen des Kreml«, so Die Welt, haben unsere Soldaten in ihrer Gewalt, und Sie lassen sich ein auf »Liebkosungen« Putins – »eine Schamlosigkeit«. In einem »Putinversteher«, meinen die meisten deutschen Kommentatoren, sei der »Putinumarmer« schon inkorporiert, Gerhard Schröder als scheußliches Exempel. Der habe nun »die westliche Wertegemeinschaft verlassen«. Unser Ratschlag: Machen Sie Ihren Sündenfall wieder gut. Wechseln Sie als Berater zu einem US-Konzern, und umarmen Sie öffentlich den Oberkommandierenden der NATO. Ute Schildt, Vorsitzende des NDR-Rundfunkrates. – Der Publizist Volker Bräutigam hat sich bei Ihnen über eine desinformierende Ukraine-Berichterstattung beschwert. Davon distanzieren wir uns. Die Berichterstattung des NDR, der ARD insgesamt wie auch des ZDF über die Entwicklung in diesem osteuropäischen Land sind Musterbeispiele für eine sachliche, objektive, ausgewogene, unvoreingenommene und faire Information der Bundesbürger. Zugleich schlagen wir vor, den russophoben Herrn Thomas Roth mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband auszuzeichnen, er verdient diese Ehrung genauso wie Barack Obama den Friedensnobelpreis. Andreas Schwarzkopf, Politik-Chef der Frankfurter Rundschau. – Sie schreiben: »Kiew mußte nun gegen die Separatisten vorgehen, um nicht unglaubwürdig zu werden.« Jetzt wüßten wir gern erstens, wer mit Kiew gemeint ist. Vielleicht die Putschregierung des »Ministerpräsidenten« Jazenjuk, dem die FR in einem anderen Artikel bescheinigte, er sei »immerhin vom Maidan akzeptiert«? Zweitens ob sie mit dem Wort »vorgehen« etwa die militärische Aggression mit Panzern und Hubschraubern meinen. Drittens was Sie uns mit »mußte« sagen wollen. Welche höhere Gewalt zwang Kiew, den Bürgerkrieg zu beginnen? Vermutlich dasselbe Schicksal, das oft in Berichten über Demonstrationen erscheint (»Die Polizei mußte vom Gummiknüppel, vom Wasserwerfer, vom Reizgas Gebrauch machen«). Mit dem unscheinbaren Hilfszeitwörtchen »müssen« läßt sich alles rechtfertigen – ebenso wie mit der Behauptung, es gebe keine Alternative. Viertens ob Sie grundsätzlich Gewalt als probates Mittel ansehen, glaubwürdig zu bleiben, also zum Beispiel auch die elterliche Prügelstrafe. Fünftens ob Sie irgendwo einen Hinweis gefunden haben, der dafür spricht, daß es Separatisten sind, gegen die sich die Aggression richtet, oder ob Sie sich mit der Verwendung solcher Stempel einfach stramm in die publizistische Front einreihen wollen, der Sie früher gelegentlich widersprochen haben. Hans-Olaf Henkel, gelernter Kaufmann. – Erst wollten Sie als Kreditgeber unerkannt bleiben, dann haben Sie sich doch geoutet: Der »Alternative für Deutschland«, deren Vizesprecher und zweiter Spitzenkandidat für die Europawahl Sie sind, haben Sie ein persönliches Darlehen von mindestens 640.000,- Euro gegeben, zu zwei Prozent Zinsen. Daß Ihre Geldspritze sich als Verlust herausstellt, ist nicht zu erwarten; der AfD steht aller Wahrscheinlichkeit nach eine üppige Erstattung von Wahlkampfkosten bevor. Eine innovative Geschäftsidee: Großvermögende investieren in den Wahlerfolg einer Partei, bei der sie Führungsfunktionen übernehmen; funktioniert das im Politmarkt, ergibt sich privater Gewinn auf Kosten der SteuerbürgerInnen. Zwar ist die Verzinsung bescheiden, aber in diesen auch finanziell riskanten Zeiten hat eine konservative Kapitalanlage ihre Vorteile. Hans-Georg Maaßen, oberster Verfassungsschützer. – Dem NSA-Untersuchungsausschuß des Bundestages wollen Sie Vertrauliches aus Ihrem Dienst nicht zugänglich machen. »Es gibt Grenzen der Offenheit«, ist Ihre Begründung. Das ist offensichtlich, aber wer legt sie fest? Jedenfalls nicht die Volksvertretung, daraus machen Sie kein Geheimnis. Und so wissen die Parlamentarier nun woran sie sind.
Erschienen in Ossietzky 11/2014 |
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