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Mit der ihm eigenen stolzen Bescheidenheit kann Rasmussen auf eine politische Bilderbuchkarriere zurückblicken, auf die nicht der geringste Schatten fiel. Geboren 1953 und als Wirtschaftswissenschaftler ausgebildet, wurde er bereits als Zwanzigjähriger Mitglied des Landesvorstandes der dänischen rechts-liberalen Venstre-Partei und 1978 erstmals in das Parlament, das Folketing, gewählt. Zehn Jahre danach avancierte er zum Minister für Steuern, und wiederum eine Dekade später stieg er zum Vorsitzenden der Venstre-Partei auf. Kurze Zeit danach hatte er es geschafft: Seine Partei ging mit der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei ein Bündnis ein, und Rasmussen, dem eigentlich jedes Karrieredenken fernlag, wurde Ministerpräsident des Königreiches Dänemark, ein Amt, das er bis zu seinem Wechsel in das NATO-Hauptquartier ausübte. Selbstverständlich rief eine solch blendende Entwicklung auch politische Gegner, darunter nicht wenige Neider und Intriganten, auf den Plan. Sie warfen Rasmussen alles Mögliche vor: eine verschärfte restriktive Ausländer- und Asylpolitik, die Kürzung der Entwicklungshilfe und der Ausgaben für den Umweltschutz, die heimliche Aufnahme von Gesprächen mit ausländischen Regierungschefs für ein Fernsehporträt und was es sonst noch für belanglose Petitessen gab. Rasmussen aber ging unbeeindruckt seinen Weg. Seine Stunde schlug, als die USA ohne UN-Mandat zum Krieg gegen den Irak und zur Bildung einer »Koalition der Willigen« aufriefen. Rasmussen zeigte sich willig und stellte trotz scharfer Kritik und Massenprotesten in seinem Land Marineeinheiten zur Verfügung. Er zögerte auch nicht, als es galt, den USA beim Antiterrorismusfeldzug gegen Afghanistan zur Seite zu stehen. Auf seinen Befehl beteiligten sich circa 750 Soldaten, um am Hindukusch die dänische Sicherheit zu verteidigen. Mehr als 30 von ihnen verloren im Kampf für dieses Ziel ihr Leben. Die USA hatten mit Rasmussen einen zuverlässigen Kriegsverbündeten gewonnen. Und sie dankten es ihm. Als 2009 ein neuer Generalsekretär für die NATO gesucht wurde, setzte sich George W. Bush persönlich bei seinem Nachfolger, Friedensnobelpreisträger Barack Obama, dafür ein, dem dänischen Premier dieses Amt zu übertragen. So geschah es. Im neuen Amt verdiente sich Rasmussen zahllose Meriten, von denen nur wenige genannt sein sollen. Der Weitsicht, Ausdauer und auch der Formulierungskunst des neuen Generalsekretärs ist es zu verdanken, daß die NATO 2010 auf ihrer Tagung in Lissabon unter dem Titel »Aktives Engagement. Moderne Verteidigung« ein neues Strategisches Konzept verabschiedete und sich damit gegen neue Bedrohungen, wie die Verbreitung von Nuklear- und anderen Massenvernichtungswaffen, Terrorismus, »Instabilitäten an den NATO-Grenzen« sowie Cyber-Attacken wappnete. Die Strategie ist so bedeutend, daß Bundeskanzlerin Angela Merkel meinte, daß der »Gipfel in die Geschichte eingehen« wird, und Obama voller Zuversicht erklärte: »Wir werden die Allianz für das 21. Jahrhundert fit machen.« Das Strategiepapier war von einer Expertengruppe unter dem Vorsitz der spätestens seit den humanitären Bombenschlägen auf Jugoslawien bekannten Friedensaktivistin und Ex-US-Außenministerin Madeleine Albright vorbereitet worden. Rasmussen legte jedoch großen Wert darauf, wie er unter anderem in einem Interview in der FAZ hervorhob, daß er den Text auf der Grundlage vieler Vorschläge selbst geschrieben habe, »in den Ferien … auf der Terrasse eines Hauses in Südfrankreich«. Weitsicht zeigte er auch, als er mit Blick auf die mit Rußland in Lissabon in Aussicht genommene gemeinsame Raketenabwehr von einer »strategischen Partnerschaft« sprach und betonte: »Das ist eine Entscheidung, die eine gemeinsame euro-atlantische Sicherheitsarchitektur schaffen könnte.« Zum großen Leidwesen der NATO brach diese Architektur noch vor ihrer baulichen Umsetzung zusammen, als Moskau es partout nicht wollte, daß das Abwehrschild gegen Raketen aus dem Iran an den russischen Grenzen errichtet und die Ukraine über den Umweg eines EU-Assoziierungsabkommens schrittweise in die NATO eingegliedert werden sollte. Tief enttäuscht von den Russen, verabschiedete sich Rasmussen von der »strategischen Partnerschaft« und stellte sich im Auftrag seiner Arbeitgeber, vor allem der in Washington, ohne Wenn und Aber an die Seite derer, die auf dem Kiewer Maidan für Freiheit stritten. Seit Beginn der Ukraine-Krise verurteilt der NATO-Generalsekretär die Politik Moskaus als einen »Bruch des internationalen Rechts«. Er forderte Rußland auf, »die Spannungen zu verringern« und tat selbst alles in seinen Kräften Stehende, um zur Entspannung beizutragen. So erinnerte er daran, daß der Beitritt osteuropäischer Staaten zur NATO »eine der großen Erfolgsgeschichten« ist, die allerdings noch nicht abgeschlossen sei. Rasmussen tritt konsequent dafür ein, die Erweiterung des Militärbündnisses fortzusetzen: Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Georgien und Montenegro sind aussichtsreiche Kandidaten. So entschlossen Rasmussen für eine Erweiterung der NATO eintritt, so entschieden warnt er vor einer Intervention Rußlands in der Ostukraine. Zwar legt er sich nicht fest, ob der Pakt in diesem Fall militärisch eingreifen würde, aber als mögliche Folge einer weiteren Eskalation nannte er vorsorglich eine Aufkündigung von Vereinbarungen aus den Jahren 1997 und 2002, nach denen die NATO auf die ständige Stationierung »substantieller Streitkräfte« in den einstigen Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes oder der ehemaligen Sowjetunion verzichtete. Auf einer Veranstaltung in Paris forderte er mit Blick auf die Lage in der Ost-ukraine, »die Einsatzbereitschaft der NATO zu verbessern«. Unter anderem müsse »auch die bisher noch nie eingesetzte Schnelle Eingreiftruppe (NATO Response Force) in einen Zustand hoher Einsatzbereitschaft versetzt werden«. Zugleich verlangte er von den Regierungen, mehr Geld für die Verteidigung auszugeben: »Die Europäer haben zu viel und zu lange abgerüstet. Dies ist der Moment, um die Kürzungen zu stoppen und den bisherigen Trend wieder umzudrehen.« In Moskau werden diese Friedensbotschaften leider mißverstanden und behauptet, der NATO-Generalsekretär äußere sich »in einem von Konfrontation geprägten Geist« und reproduziere »dabei fleißig die Rhetorik aus den Zeiten des Kalten Krieges«. Verwunderlich und zugleich traurig ist es allerdings, daß auch in Deutschland vielerorts ähnlich geurteilt wird. Selbst in einer kürzlichen Maybrit-Illner-Talkshow zum Ukraine-Konflikt, an der unter anderem Harald Kujat, ehemaliger Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, Horst Teltschick, ehemaliger Kanzlerberater, und Matthias Platzeck, Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums, teilnahmen, stimmten alle Diskutanten darin überein, daß sie sich durch die Rhetorik von Rasmussen nicht mehr vertreten sehen. Ein solches Urteil hat der wackere NATO-Generalsekretär wahrlich nicht verdient. Standhaft auf Friedenswacht sorgt er dafür, daß die NATO ihre Präsenz in den osteuropäischen Mitgliedsländern ausbaut: »Wir werden mehr Flugzeuge in der Luft haben, mehr Schiffe im Wasser und mehr Bereitschaft an Land.« Hier war Rasmussen ein wenig leichtsinnig, denn diese Botschaft ist so neu nicht. Schon im Zweiten Weltkrieg hat die deutsche Wehrmacht »zu Lande, zu Wasser und in der Luft« heldenhaft gegen die Russen gekämpft. Kein Geringerer als Bundeskanzler Konrad Adenauer hat das gewürdigt. Am 3. Dezember 1952 erklärte er vor dem Deutschen Bundestag: »Wir möchten heute vor diesem Hohen Haus im Namen der Regierungen erklären, daß wir alle Waffenträger unseres Volkes, die im Rahmen der hohen soldatischen Überlieferungen ehrenhaft zu Lande, zu Wasser und in der Luft gekämpft haben, anerkennen. Wir sind überzeugt, daß der gute Ruf und die große Leistung des deutschen Soldaten trotz aller Schmähungen während der vergangenen Jahre in unserem Volk noch lebendig geblieben sind und auch bleiben werden.« Rasmussen kann stolz darauf sein, in dieser Tradition verwurzelt zu sein und dafür zu streiten, daß der russischen Gefahr »zu Lande, zu Wasser und in der Luft« begegnet wird.
Erschienen in Ossietzky 11/2014 |
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