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In den Zweier- und Zwischenbeziehungen!? Also ein Disput- oder Diskursstück. Gute, sprechbare Dialoge hat es. Auffällig sind die Literaturbezüge der Autorin, manches erscheint jedoch zu theologisch, mithin ausweglos. Aber das Prinzip Hoffnung wirkt ebenfalls – Shakespeare, Goethe, Bloch halfen der gebildeten Autorin, ihren Gestalten den Weg zu erleichtern. Ganz geht das – in diesen Paarbeziehungen – nicht auf, doch nachdenklich stimmend ist so ein Abend schon. Zum Repertoire des DT gehört die Antike-Collage »Ödipus Stadt«. Ich habe mich vor Jahren in Büchern und etlichen Essays gegen die pure Aufführung der originalen antiken Dramen und für Adaptionen der großen alten Stoffe eingesetzt, aber nicht für Collagen. Dieses Mixtum aus vier alten Tragödien von Aischylos (»Sieben gegen Theben«), Sophokles (»Ödipus Tyrann«, »Antigone«) und Euripides (»Die Phönikerinnen«) indes halte ich für unbrauchbar und irreführend. Hatten der Bearbeiter John von Düffel und Regisseur Stephan Kimmig so gar kein Stilempfinden? Diese Stücke – selbst in einer mehr oder weniger flachen Übersetzung von Gregor Schreiner (es gibt bessere) doch sehr anders – gehören von der Stoffgeschichte zusammen, nicht von den Dichtern, die ziemlich am revolutionären Anfang und dann am krisenhaften Ende der Polis standen. Sicher: Antigone (Katrin Wichmann) als rebellische, fast revolutionäre Figur zu sehen, ist nicht falsch. Aber den Chor wegzulassen, ist bei der antiken Tragödie (auch bei der Komödie) quasi eine Todsünde. »Der Chor reinigt das tragische Gedicht.« (Schiller) Er ist das Organ der Demokratie, der sich oft gegen autokratisch-diktatorische Systeme oder Personen richtet – hier Kreon (Susanne Wolff, viel zu schwach). So ein Konzept macht selbst einen herausragenden Schauspieler wie Ulrich Matthes wehrlos, selbst wenn er eine Krone trägt und ein etwas antikisierendes Kostüm. Mir schob sich immer der grandiose Fred Düren einer Inszenierung der Fassung Heiner Müllers in einer Inszenierung Benno Bessons der späten 1960er Jahre im gleichen Haus vor. Die war aktueller – wäre es vor allem heute gewesen – im kritisch-visionären Aufzeigen unterdrückender geistig-ökonomisch-politischer Gewalt. Hier blieb es auf Stadttheaterniveau. Irgend so etwas wie Demokratie-Spiel und Erziehung zu ... mag wohl auch anfangs in der Wahl der Erzählung »Verbrecher aus verlorener Ehre« gelegen haben. Aber was für ein entsetzliches Gemache ist da herausgekommen! Ganz sicher war Friedrich Schiller kein ganz großer Erzähler, doch immerhin so gut, daß ein Thomas Mann ihm Ehre erwies und ihm »Geist, Stil, Technik auf der Linie« bescheinigte, »die zu Kleists Erzählungskunst« hinführte. Aber davon ist in der Inszenierung am DT nun gar nichts übrig. Eine Bühne ist weder Turnsaal noch Rumpelladen – hier war sie beides und Ort des Mißvergnügens. Schauspieler Mooshammer: »Wir haben Schiller versucht.« Dieser war nicht erkennbar. Kein geglückter Versuch von Simon Solberg, der als Regisseur verzeichnet ist. »Coriolanus« von Shakespeare ist ein politisches Stück, also erwartet man politisches Theater, keine Slapstick-Comedy, auch kein Agitationsstück. Der Stoff aus der römischen Frühgeschichte, also der Staatwerdung zur Republik, bietet viel, doch nicht alles. Das hatte auch Brecht gewußt, es bearbeitet, leider nicht mehr selbst inszenieren können. Das taten 1964 Wekwerth und Tenschert. Den Coriolan spielte Ekkehart Schall, den Aufidius Hilmar Thate, die Mutter Volumnia Helene Weigel. Die Schlachtszenen hatte Ruth Berghaus einstudiert, dies und die Szenen Coriolan – Volumnia sowie besonders der Zweikampf Coriolan – Aufidius gehören wie die ganze Aufführung zu Sternstunden des Theaters, ja des Welttheaters. Die gegenwärtige unter Rafael Santez sah aus wie eine Klassenaufführung eins mittleren Gymnasiums oder eine aus der Sparbüchse. Fünf Schauspielerinnen schultern das Ganze – es war eindeutig zu schwer für sie, selbst die sonst hochklassige Jutta Wachowiak konnte das nicht aushalten. Demokratie wie Kunst blieben gleichermaßen auf der Strecke. Und noch ein Unglück am DT mit Büchners »Lenz«. Zwei Schauspieler mühen sich ordentlich, Lilja Rupprecht hatte inszeniert, doch vergeblich. Eine einfache Lesung im Vertrauen auf diesen Text wäre ehrlicher und sauberer gewesen. Diesem Versuch sah man die Mühseligkeit und damit das Vergebliche an. Von großer Geschichte handelt beziehungsweise erzählt Eugen Ruge »In Zeiten des abnehmenden Lichts«, eine Bühnenfassung nach dem gleichnamigen Roman, die Stephan Kimmig und Katja Haß (Bühne) in Szene gesetzt haben. Eine Tragödie der Ungewichtigkeit! Erzählt werden Vorgänge aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, der Auseinandersetzung zwischen bourgeois-nationalistischem Faschismus und einem entarteten Sozialismus, den man heute historisch recht unpräzis Stalinismus nennt und den Folgen. Eine in ihrer Gesamtheit antifaschistisch-kommunistisch ausgerichtete Familie, wiederum vom eigenen Lager beschädigt, analysiert sich und rechnet ab, und nur eine Person, die sibirische Mutter Baba Nadja, zieht den finalen Schluß: »Schön war‘s, das Leben.« So weit, so gut. Und groß gespielt mit den noch verbliebenen hochrangigen Akteuren des alten DT-Ensembles wie etwa Christian Grashof, Margit Bendokat, Gabriele Heinz, denen sich Alexander Khuon, der Hausherr, Bernd Stempel und andere beigesellen. Neben dem Geist bewegender Weltgeschichte auch noch der eines reifen Ensembles, grandios! Und doch bleibt dem Betrachter ein bitterer Nachgeschmack, eben der der Ungewichtigkeit, der fehlenden Balance der Geschichte. Damit meine ich die Rolle des NS-Faschismus, der eigentlich zerstörenden Kraft des 20. Jahrhunderts, im Verhältnis zu Stalins Rolle und System. Ich spreche hier nicht nur als Historiker und Philosoph, sondern als Betroffener, der sämtlichen Besitz und fast die gesamte Familie verloren hat, inzwischen die gesamte, denn die wenigen Überlebenden starben an den Folgen. Und diese Seite kam absolut zu kurz in jener Vorführung. Das ist schade, gelangten doch ein rechtschaffenes Buch und eine sonst eben hochrangige Aufführung auf eine falsche Ebene. Die Zerstörungen durch diesen Faschismus waren und sind nicht zu übersehen, vor allem die über Generationen reichenden sozialpsychischen neben den politischen, die sich tief ins Volksleben eingefressen haben, und den Weg zur wirklichen Demokratie so erschweren. Das nimmt man aus diesem verstörenden Abend mit.
Erschienen in Ossietzky 10/2014 |
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