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Tatsächlich hatte die »Entwicklungshilfeagentur« USAID zwischen 2009 und 2012 über ausländische Banken und Tarnfirmen rund 1,6 Millionen Dollar investiert, um mit Hilfe einer Twitter-Kopie namens ZunZuneo in Kuba Einfluß zu gewinnen, Unruhen zu erzeugen und einen Systemwechsel herbeizuführen. Unter dem harmlosen Namen war auf der Insel zunächst ein Dienst zum Versand von Kurznachrichten über einfache Handys angeboten worden. Interessenten wurden mit Sportergebnissen, Musik und Wetterberichten geködert. Später erhielten sie Mitteilungen mit politischen Inhalten. Das Ziel bestand darin, die meist jugendlichen Nutzer zu spontanen Demonstrationen und Massenprotesten anzustiften. Das Modell »Arabischer Frühling« sollte – wie später in der Ukraine und Venezuela – auch in Kuba zum Einsatz kommen. Nach zwei Jahren hatten die Agenten bereits 40.000 Nutzer geworben, denen nicht bewußt war, daß sie von einem US-Dienst hereingelegt worden waren. Offiziell hatte die USAID die 1,6 Millionen für das Projekt als »Hilfsleistung für Pakistan« deklariert. Der jüngste Angriff auf Kubas Souveränität ist in diesem Jahr kurz vor dem Jahrestag des US-Fiaskos in der Playa Giron (Schweinebucht) aufgeflogen. Am 17. April 1961 waren dort mehr als 1500 Söldner der »Brigada de Asalto 2506« (Sturmbrigade 2506) unter dem Schutz von US-Flugzeugen und einer Armada von Fracht- und Kriegsschiffen gelandet, um die revolutionäre Regierung zu stürzen. Die Angreifer waren allerdings am 19. April – nach weniger als 72 Stunden – von Bauern, Milizen und den revolutionären Streitkräften unter Leitung Fidel Castros zurückgeschlagen worden. Doch die USA haben ihre Pläne zum Sturz der kubanischen Regierung niemals aufgegeben, wie der aktuelle ZunZuneo-Fall erneut bestätigt. In Kuba ist man sich der permanenten Aggression bewußt. Kurz vor der jüngsten Enthüllung hatte mir der Journalist und Medienexperte Iroel Sánchez im Februar in einem Interview erklärt: »Die USA … werden weiterhin versuchen, den Sozialismus auf Kuba zu zerstören. Das heutige und künftige Schlachtfeld ist der Informationsbereich« (s. Ossietzky 6/14). In diesem Jahr fielen die Feiern zum Jahrestag des Sieges in der Playa Giron auf die Ostertage, die sich – wie üblich – mit den berüchtigten »Vientos de Cuaresma« und zusätzlich mit einer Kaltfront angekündigt hatten. Überall in Havanna wird gehüstelt und gefiebert, und wie fast alles auf Kuba hat auch die diesjährige Erkältung einen Spitznamen. Weil sie treu und anhänglich ist, nennen die Habaneros sie »El Enamorado« (der Verliebte). Als Hals- und Gliederschmerzen nachgelassen haben und der Wind etwas weniger kräftig vom Atlantik über die Uferstraße Malecón bläst, mache ich mich zu einem Spaziergang auf, um von den zahlreichen Renovierungsprojekten in der Stadt einige der spektakulärsten zu besichtigen. An der Ecke zum Boulevard Paseo del Prado erinnert eine stehengebliebene Fassade an das legendäre ehemalige Hotel Packard, das wieder aufgebaut wird und in einigen Jahren 300 Zimmer und den spektakulären Blick auf die Einfahrt zum Hafen bieten soll. Auf der gegenüberliegenden Seite ist ein zweites Hotel geplant. Beim Bummel auf dem Boulevard denke ich an den kubanisch-französischen Schriftstellers Alejo Carpentier, der die Atmosphäre Havannas 1939 so beschrieb: »Ich kenne keine belebteren Straßen als die von Havanna. … Jeden Tag regt sich in den Straßen von Havanna neues Leben. Man erfindet Geschäfte, Berufe, bescheidene Formen, sich durchzuschlagen, und zwar mit einem erstaunlichen Einfallsreichtum. Das ist der Moment für … witzige Ideen mit einem gewissen, ausgesprochen tropischen Pfiff.« (Alejo Carpentier: »Mein Havanna – Geschichten über die Liebe zur Stadt«, ins Deutsche übersetzt von Wolfgang Eitel, Amman Verlag, 2000) Ein ähnliches Bild bietet sich dem Besucher noch immer. Geschäftiges Treiben, Erfindungsreichtum, Improvisationstalent und kleine Schlitzohrigkeiten gehören, damals wie heute, zu dieser Stadt. Der Prado führt direkt auf den »Parque Central«, dessen Ostseite seit einigen Monaten von einer riesigen Baustelle beherrscht wird. Die »Manzana de Gómez«, das im Jahr 1917 eröffnete erste größere Einkaufszentrum Havannas im europäischen Stil, wird von Grund auf renoviert. In dem fünfgeschossigen Komplex entstehen ein Luxushotel und eine moderne Einkaufspassage, die an die hundertjährige Tradition des bekanntesten kommerziellen Zentrums der Stadt anknüpfen will. Schräg gegenüber des künftigen Konsumtempels verdecken Gerüste die Seiten des »Gran Teatro de La Habana«, ein kulturelles Zentrum, das zahlreiche Säle beherbergt. Das (inzwischen restaurierte) Theater des Komplexes galt jahrelang als luxuriösestes und größtes der Stadt. Hier traten Künstler wie Enrico Caruso, Arthur Rubinstein, Sergei Rachmaninow, Antonio Gades, Anna Pawlowa und Alicia Alonso auf. Heute ist das 1914 fertiggestellte Gebäude auch Sitz des Kubanischen Nationalballetts und des spanischen Balletts in Kuba. Nur 100 Meter entfernt zieht die nächste Großbaustelle den Blick auf sich. Das »Capitolio Nacional de Cuba«, eines der bedeutendsten Wahrzeichen Havannas, ist komplett eingerüstet und wird ebenfalls renoviert. Es ist eines der umfangreichsten Projekte des Teams von Stadthistoriker Eusebio Leal, der die Altstadtsanierung konzipiert und leitet. Die Renovierung des 1929 eröffneten Gebäudes schließt Bronze-, Gips-, Vergoldungs-, Holzarbeiten und die Arbeit an der knapp 92 Meter hohen Kuppel ein. Bei der Wiedereröffnung des »Teatro Martí«, eines 1884 gegründeten und vorwiegend für volkstümliche Stücke und Operetten genutzten Traditionshauses – in dem 1891 zum ersten Mal in Kuba der 1. Mai als Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse begangen wurde –, hatte Eusebio Leal im Februar betont, daß seine Konzeption neben der Restaurierung historischer Komplexe großen Wert auf den sozialen Nutzen für die Anwohner legt. Im Bereich der Uferstraße Malecón und im historischen Zentrum der Stadt haben in den letzten Jahren bereits Tausende Menschen von dem Programm profitiert. So seien unter anderem ein neues Studentenwohnheim gebaut und zahlreiche Wohnungen saniert worden. Zu dem verbesserten Angebot gehören auch neue Schulen, Waisenhäuser, Frauenhäuser und Zentren für ältere und behinderte Menschen. In Kuba wird unter »Aufwertung« etwas völlig anderes verstanden, als in Europa, wo die alteingesessene Bevölkerung von Spekulanten über Mietsteigerungen aus den Zentren vertrieben wird, um dort Platz für eine gesichts- und geschichtslose neureiche Klientel zu schaffen. Auch wenn die sozialen Bezüge der Stadtsanierung dem Besucher nicht sofort auffallen, sind sie für die Kubaner ebenso selbstverständlich, wie die kostenfreie Nutzung aller Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen.
Erschienen in Ossietzky 10/2014 |
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