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Ich habe das bisher schon mit Sorge beobachtet, nachdem Frau Timoschenko als zeitweilige Ministerpräsidentin entscheidend daran mitgewirkt hatte, den faschistischen Massenmörder Stepan Bandera posthum zum »Helden der Ukraine« zu erklären. Jetzt kandidiert sie für das Amt der Staatspräsidentin. Unmittelbar davor verkündete sie folgende Absichten: »Scheiß drauf ... wir sollten Waffen nehmen und die verdammten Katsaps (Russen) töten, zusammen mit ihren Anführern.« – »Sehen Sie, ich selber bin bereit, ein Maschinengewehr in die Hand zu nehmen und dem Drecksack (Putin) in den Kopf zu schießen.« – Und ich hoffe, sobald ich es tun kann, werde ich alle meine Verbindungen nutzen und die ganze Welt alarmieren, um Rußland in verbrannte Erde zu verwandeln.« Auf Nachfrage bekannte sie sich zu diesen Äußerungen (wie Die Welt und andere Medien berichteten). Der Leiter des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Steffen Seibert, sagte dazu, es gebe Grenzen in Sprache und Denken, die nicht überschritten werden dürften. Bitte, sehr geehrte Abgeordnete, sorgen Sie dafür, daß Timoschenkos Grenzüberschreitungen nicht ohne Folgen bleiben. Die Bundesrepublik Deutschland (Bundestag, Bundesregierung und staatlich finanzierte Institutionen) muß sofort jegliche Unterstützung für diese gefährliche Friedensstörerin einstellen. Eckart Spoo Der Tag der Gerechtigkeit50 junge Israelis, Abiturienten, erklärten vor wenigen Tagen, daß sie nicht in der Armee dienen werden. Es sei eine Besatzungsarmee, die die Menschenrechte und das Völkerrecht mißachte. Diese kollektive Dienstverweigerung ist eine gute Nachricht. Ich habe Kriegsdienstverweigerer immer geschätzt. In den 1970er Jahren, als ich als Rechtsanwältin in Israel arbeitete, wurde mir verboten, sie vor den zuständigen Militärgerichten zu vertreten – aus Sicherheitsgründen ... Der südafrikanische Friedenskämpfer Desmond Tutu kämpft gegen Apartheid in den von Israel besetzten Gebieten, die ihn an die Apartheid in seiner Heimat erinnert – und nicht nur ihn. Ich denke an Gaza, das größte Freiluftgefängnis der Welt mit 1.700.000 Insassen, an die völkerrechtswidrige israelische Blockade, an die palästinensischen Frauen, die gegen das Elend kämpfen, und an die Frauen in Europa, die sich mit ihnen solidarisieren. Aber es sind nicht genug. Die Blockade hält an. Und die Politiker schweigen – weltweit. In der Westbank breiten sich die Siedler aus, vertreiben die Palästinenser, bauen auf deren enteignetem Boden. Das ist ein schwerer Verstoß gegen die Genfer Konvention, also wiederum gegen das Völkerrecht. Aber Deutschland, Europa und die USA beschützen den kolonisatorischen Besatzer. Deshalb kann eine der längsten Besatzungen unserer Tage nun schon rund 47 Jahre währen. * In der Ukraine verbrachte ich einen Teil meiner Kindheit. Dort wohnte die Familie meines Vaters. Später, in Kasachstan, begegnete ich vielen Flüchtlingsfamilien aus der Ukraine, zumeist jüdischen. Ich erfuhr: Meine gesamte väterliche Familie wurde ermordet so wie Tausende andere. Damals hörte ich auch von ukrainischen Helfern der Nazis, darunter einem namens Stepan Bandera. Ich hätte nicht ahnen können, daß ich im Jahre 2014 am Maidan in Kiew ihre Nachfolger und Bewunderer zu sehen bekommen würde – mit Nazi-Grüßen, neofaschistischen Parolen. US- und EU-Politiker hatten sie als »Revolutionäre« in Dienst gestellt. Diese Leute wurden dann auch an der usurpatorischen »Regierung« beteiligt. Ein Vize-Ministerpräsident und mehrere Minister sind organisierte Faschisten. Unglaublich. Aber wahr. 1945 in Theresienstadt, am Rande des Todes, wurde mein Mann von der Sowjetarmee gerettet. Auch mein Leben schulde ich ihr. So wie Millionen andere. Welche Schande, daß jetzt Politiker und Publizisten, die sich als Repräsentanten der »westlichen Wertegemeinschaft« verstehen, Neonazis als ihre Kumpel akzeptieren und den Putsch rechtfertigen. Ihnen liegt der Gedanke fern, daß Rußland, das ein Opfer des Faschismus war, diese gefährliche Entwicklung vor seinen Toren nicht tolerieren kann, sondern sich wehren muß. Die antirussische Hetze in den Medien erschreckt mich. Sie ist voller Haß, der an den Haß gegen die Sowjetunion während des Kalten Krieges erinnert. Und der Haß verblendet. Zu Verteidigern schwingen sich diejenigen auf, die auch den Krieg gegen den Irak wegen dessen angeblich versteckten Massenvernichtungswaffen propagiert haben und die schon rund 47 Jahre die völkerrechtswidrige Politik Israels wohlwollend tolerieren. Für Angela Merkel ist das sogar »Staatsräson«. * Gesegnet sind diejenigen in Israel und in der Welt, die gegen völkerrechtswidrige Politik ankämpfen. Die 50 Kriegsdienstverweigerer gehören dazu. Der Tag der Gerechtigkeit wird kommen. Felicia Langer Felicia Langer ist Juristin und Schriftstellerin in Tübingen, ihr Engagement für Frieden in Nahost wurde mit dem Alternativen Nobelpreis gewürdigt. Ursprung der SozialitätCarl von Ossietzky hat den Zusammenhang zwischen Geldgier und Krieg in der Weltbühne vom 8. Dezember 1931 treffend zum Ausdruck gebracht. Seit der Sklavenhaltergesellschaft begründen die Herrschenden und ihre beredsamen Nachbeter den Krieg gern mit der Natur des Menschen. Dagegen sträubt sich zwar die Vernunft, und über die Natur der derzeit herrschenden Ordnung gibt es wissenschaftlich fundierte Analysen seit mehr als 100 Jahren. Was aber weiß die fortgeschrittene naturwissenschaftliche Grundlagenforschung über die Natur des Menschen? Der schwedische Biologe, Paläogenetiker und DNA-Forscher Svante Pääbo berichtete in einem Spiegel-Interview zu seinem Buch »Die Neandertaler und wir. Meine Suche nach den Urzeit-Genen« über seine Forschungsergebnisse zu den Ursprüngen der Eigenschaften des heutigen Menschen. Auf diese Grundlagen aufbauend hatte sein Forscherkollege Michael Tomasello festgestellt, daß Menschenkinder etwa im Alter von einem Jahr ein bei Menschenaffen nicht beobachtbares Verhalten offenbaren. Sie zeigen auf eine Lampe und sagen »Lampe« – aber nicht, weil sie das Objekt haben wollen, sondern weil sie es faszinierend finden, unsere Aufmerksamkeit darauf zu richten. Das Zeigen, so Pääbo, sei die erste typisch menschliche Regung – eine Art Dreiecks-Kommunikation: Wir zusammen interessieren uns jetzt für etwas Drittes. Ein erstes Anzeichen für die menschliche Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, die Wirkung auf andere zu beobachten. Pääbo faßt dieses Verhalten in dem schönen Gedanken zusammen: Das ist das Grundprinzip unserer Sozialität. Die von der Gewerkschaftsbewegung im 19. Jahrhundert erkämpfte mitmenschliche Sozialität und Solidarität unter den Ausgebeuteten, Verarmten und Entrechteten entspricht der Natur des Menschen – nicht Raffgier, Geldgier, Konkurrenz, Rüstung und Krieg. Als friedensbewegten Ingenieurwissenschaftler haben mich Pääbos Forschungsergebnisse und die seiner Gruppe fasziniert und an den Ingenieur und Erfinder Rudolf Diesel erinnert, der ein Rüstungsgegner war. Diesel wollte – so wurde in der Neuen Rheinischen Zeitung vor kurzem berichtet – seinen neuen Motor nicht für die kaiserliche Kriegsflotte, sondern gegen die Armut eingesetzt wissen. In seinem Buch von 1903 »Solidarismus, eine natürliche wirtschaftliche Erlösung der Menschen« begründete er seine Vorstellungen von einer genossenschaftlichen Gesellschaftsordnung. Die Kombination von Selbstlosigkeit, Genialität und Gemeinwohlsinn kann bei Diesel, Einstein, Ossietzky und vielen anderen mehr beobachtet werden. Allen gemein ist verantwortungsbewußtes Handeln gegen den Krieg und tiefste Menschlichkeit. Im Jahre 100 nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs bleibt mit Blick auf die neudeutsche Kriegspolitik festzuhalten: Es gibt offenbar in der Natur des Menschen liegende Gründe für den Optimismus, den Krieg als Mittel der Politik mitsamt dem kapitalistischen Profitprinzip weltweit und dauerhaft zu überwinden. Dietrich Schulze Dr.-Ing. Dietrich Schulze gründete mit anderen 2008 in Karlsruhe die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten (www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf). Er ist einer ihrer Sprecher sowie Beiratsmitglied der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit und in der Initiative »Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel« tätig. Ein Berliner MonsterMit einem amtlichen Festakt wurde die bauliche Ankunft des Bundesnachrichtendienstes in Berlin begangen, auch wenn das architektonische Monster noch nicht fertiggestellt ist und die meisten Bediensteten noch in Bayern weilen. Neubau und Umzug sollen am Ende 1,3 Milliarden Euro kosten, selbstverständlich kann alles noch teurer werden, das kennt man ja nicht nur aus der Metropole an der Spree. Bei der Klimaanlage wird gespart, bei der Geheimdienstarbeit geht es eben heiß her. Aber eine Selbstversorgung mit Energie ist für einige Notfallwochen eingeplant. Kanzleramtschef Peter Altmaier feierte den Einzug des BND in die deutsche Hauptstadt als Fortschritt im politischen System. »Nähe« sei nun hergestellt zu Regierung und Parlament, was gerade in Zeiten internationaler Krisen notwendig sei; »zeitnah« könnten geheime Informationen den Entscheidungsträgern übermittelt werden. Fußläufig und auf diese Weise ganz geheim, nehmen wir an; zumal die »technische Kommunikation« in Pullach bleiben soll, nur 4000 BNDler kommen nach Berlin, 1500 werden weiterhin weißblauen Himmel genießen können, der CSU sei Dank. Mit der NSA wird alles abgesprochen sein, ist zu vermuten; damit nicht durch Pannen bei der Überwachung der Überwacher die westliche Wertewelt in Funktionsstörungen gerät. M. W. Schwarz: Gar nicht so rosigVom Parteitag der CDU war Sensationelles nicht zu berichten, die Kanzlerin blieb ohne Anfechtungen. Einige Nachwuchstalente profilierten sich, indem sie mehr Eigenprofil der Union gegenüber der mitregierenden SPD verlangten. Und die Sommerzeit soll abgeschafft werden. Aber so gut, wie es die Christdemokraten von sich selbst behaupten, geht es ihnen nicht. Der Publizist und Kommunikationsstratege Michael Inacker, ein prominenter und erfolgreicher Akteur in der Presse wie in der Unternehmenswelt, hat jüngst in der F.A.Z. die Lage im »bürgerlichen Lager« skeptisch beschrieben. Er beklagt die »Zersplitterung und Uneinigkeit« im parteipolitischen Auftritt – die Zergliederung in Union, Liberale, AfD und christliche Kleinparteien, den Mangel an Zusammenhalt dieser politischen Gruppierungen. Die drei weltanschaulichen »Grundkonstanten« des deutschen Bürgertums gerieten in Auflösung. In der Außenpolitik: Die Frontstellung gegen die kommunistische, nunmehr russische Gefahr sei nicht mehr Konsens, zu beobachten aktuell an dem Gegensatz von »Rußlandverstehern und Rußlandskeptikern« in den Unionsparteien. In der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik: Das Vertrauen auf Markt und Unternehmertum, auf das »erfolgreiche Miteinander von Finanz- und Realwirtschaft« verflüchtige sich; in »Hintergrundgesprächen mit Unionspolitikern« seien, oh Schreck, »sozialdemokratische oder gar sozialistische« Äußerungen zu hören. In der Wertepolitik: Das »C« diene nicht mehr als weltanschauliche »Dachstrebe«, und Christen gerieten auch im Bürgertum in den Status einer Minderheit. Für die »Noch-Volksparteien CDU/CSU« befürchtet Inacker »düstere Aussichten«, die ideellen »Leuchttürme« seien verschwunden. Warum diese Untergangsstimmung eines bekennenden Bürgerlichen in Zeiten, wo die Unionsparteien unangefochten den ersten Rang in der Parteienkonkurrenz halten und die christdemokratische Kanzlerin internationalen Respekt genießt? Es stimmt schon: Die Fixierung von CDU und CSU auf das Nordatlantische Bündnis wird in der Tat zum »bürgerlichen« Problem, je mehr die US-Geopolitik deutschen Wirtschaftsinteressen in die Quere kommt. In der EU gibt noch die Bundesrepublik den Ton an, aber die Widersprüche im europäischen politischen Terrain verstärken sich, die finanziellen Lasten auch. Innergesellschaftlich können die Unionsparteien (mit Hilfe der SPD) den Druck sozialer Verwerfungen noch auffangen; wie lange das funktioniert, hängt von wirtschaftlichen Konjunkturen ab, die nicht per Regierungspolitik steuerbar sind. Der Glaube an die »Soziale Marktwirtschaft« hat ein unsicheres Fundament. Treten heftige soziale Konflikte auf, hilft die parteipolitische Inanspruchnahme »christlicher Traditionen« nicht weiter. Not lehrt nicht unbedingt Beten, die Unionsparteien können sich darauf nicht verlassen. Insofern sind »bürgerliche« Befürchtungen wie die Inackers nicht wirklichkeitsfremd; irreal ist nur die Annahme, der »Zerfallsprozeß«, von dem da die Rede ist, sei Aufweichung in den Köpfen zuzuschreiben. A. K. Kommunalwahl in FrankreichDieses Ergebnis hat niemanden mehr überrascht: Am 30. März haben die Franzosen die Parti socialiste (PS) von François Hollande abgestraft und in einem mittlerweile in Europa gängigen Verzweiflungsakt gegen die Pest, aber für Cholera und Typhus gestimmt. Die völlig zerstrittene Union pour un mouvement populaire (UMP – Union für eine Volksbewegung) des Expräsidenten Nicolas Sarkozy konnte den Sozialdemokraten eine Reihe von Gemeinden abnehmen. Nur in Lourdes geschah das Wunder: Hier konnte die PS den konservativen Bürgermeister ablösen. Und in der Hauptstadt Paris hat es die sozialistische Kandidatin Anne Hidalgo knapp auf den Bürgermeisterstuhl geschafft. 14 Gemeinden haben nun einen Bürgermeister des Front National (FN), darunter das 7. Arrondissement von Marseille mit 150.000 Einwohnern und das malerische Béziers im Roussillon (71.000 Einwohner). Nicht viel, könnte man meinen, aber dabei wird vergessen, daß der FN wegen Personalmangels bei weitem nicht in allen 36.681 Gemeinden Kandidaten aufstellen konnte. Der Tag der Offenbarung für den Front National ist ohnehin der 25. Mai, wenn die Europawahl stattfindet. Hier können die Rechtspopulisten voll auf »ras le bol« (Schnauze voll) setzen, jenes Gemisch aus Wut und Ohnmacht, welches sich in Frankreich sowohl gegen die Hollande-Partei als auch gegen die EU richtet. Und wie überall in Euro-pa ist die größte Partei auch in Frankreich unerbittlich auf dem Vormarsch: die der Nichtwähler. Jene, die sich für keine der Seuchen entscheiden wollen und das Pingpongspiel zwischen rechts und links leid sind, lagen diesmal schon bei 36,3 Prozent der Wahlberechtigten. Da relativiert sich dann auch das offizielle Kommunalwahlergebnis, wonach das konservative Lager 45,9 Prozent, die Linke 40,6 Prozent und der FN 6,8 Prozent der abgegebenen Stimmen bekommen hat. Christophe Zerpka Esprit MontmartreDer »Bohème in Paris um 1900« widmet sich eine Ausstellung in der Frankfurter Schirn. Zusammengetragen hat die Kuratorin Ingrid Pfeiffer überwiegend bekannte Werke, unter anderem von Vincent van Gogh, Edgar Degas, Kees van Dongen, Amedeo Modigliani, Pablo Picasso, Théophile-Alexandre Steinlen, Henri de Toulouse-Lautrec und Suzanne Valladon. Interessant werden sie durch den sozialhistorischen Kontext, in den die Arbeiten gestellt werden, zum Beispiel durch historische Fotos. In Montmartre, ein schäbiges Vergnügungsviertel am damaligen Pariser Stadtrand, lebten Künstler Seite an Seite mit Prostituierten und Zirkusleuten. Während die Reichen kamen, um sich kostengünstig zu vergnügen, tranken sich die »Entertainer« oft zu Tode. Vielfach schwanken die Zeichnungen und Bilder etwa von Degas, Steinlen und Picasso zwischen Faszination und Ekel, sozialer Anklage und gefühlskalter Beschreibung des Elends, wobei sich viele der Künstler, damals noch selbst Außenseiter, mit den Ausgestoßenen identifizierten. Nur sehr am Rande klingt an, daß Montmartre 1871 der Ausgangspunkt und das Rückgrat der Pariser Kommune war. 30.000 Kommunarden wurden bei den Massen-erschießungen nach der Niederschlagung umgebracht, 40.000 kamen ins Gefängnis oder wurden deportiert (genauer Grams: »Die Pariser Kommune«, PapyRossa 2014). Steinlen etwa sympathisierte mit der Kommune, van Dongen gestaltete den Umschlag für Kropotkins »Der Anarchismus«. Doch die linke Vergangenheit der Künstler wird weitgehend ausgeblendet, übrig bleibt nur noch eine vage Antibürgerlichkeit. Das ambivalente Verhältnis der Künstler zum Besitzbürgertum (Abhängigkeit von Aufträgen und Ankäufen bei gleichzeitiger Verachtung des Bourgeois) wird nicht thematisiert. Vermutlich kein Zufall bei Sponsoren wie Amundi Asset Management und Medienpartnern wie der Frankfurter Allgemeinen, der Kreativagentur Scholz & Volkmer (»Trink ‘ne Coke mit …«) und dem Journal Frankfurt (hervorgegangen aus der früheren »Zeitung der Linksradikalen in Frankfurt« Pflasterstrand). Der heutige Bobo (bourgeois bohémien) liebt zwar den Tabubruch, aber nur solange er (oder sie) nicht selbst in Frage gestellt wird. Peter Bräunlein Die Ausstellung ist noch bis zum 1.6. in der Frankfurter Schirn zu sehen, Katalog 34 € (Schirn), 49,80 € (Buchhandel). Otto Prokopwar wohl der bekannteste deutschsprachige Rechtsmediziner. Aus seiner Feder stammen zahlreiche Veröffentlichungen, viele Bücher und Aufsätze. Dabei versuchte er nicht nur das akademische Publikum zu erreichen, sondern auch durch populärwissenschaftliche Darstellungen allgemeines Interesse an der gerichtlichen Medizin und ihren Möglichkeiten zu wecken. Wünschelrute, Erdstrahlen und Homöopathie spielten dabei ebenso eine Rolle wie sein »Bildatlas der gerichtlichen Medizin« – eine gelungene Kombination gerichtsmedizinischer wissenschaftlicher Erkenntnisse mit dem Fotografieren, einem Hobby Prokops. Der gebürtige Österreicher kam 1957 in die DDR und übernahm den Lehrstuhl in seinem Fach an der Humboldt-Universität. In den folgenden drei Jahrzehnten seines Wirkens in dieser Funktion verschaffte er sich hohes Ansehen, weit über die Grenzen des Landes hinaus. Besonders der Fall Hetzel, der als »Kälberstrickfall« in die deutsche rechtsmedizinische Geschichte einging, brachte dank des Wirkens von Prokop einem in der Bundesrepublik unschuldig Einsitzenden nach vielen Jahren den Freispruch. Marc Benecke, der vor allem als Kriminalbiologe auf sich aufmerksam machte, hat sich nunmehr mit der Biografie von Otto Prokop befaßt und eine sehr ausgewogene Darstellung vorgelegt. Es entsteht das Bild eines ebenso ehrgeizigen wie auch persönlich bescheidenen Professors, dem ehemalige Studenten noch heute bescheinigen, stets fair gewesen zu sein. Sein Markenzeichen – die Fliege – durfte bei alledem nicht fehlen. Benecke beschreibt mit Spannung den Lebensweg eines Mannes, der zu Recht als Koryphäe auf seinem Gebiet gilt, und macht neugierig auf ihn. Dabei verläßt er sich nicht nur auf eigene Kontakte zu Prokop, sondern hat Zeitzeugen befragt und zahlreiche Dokumente ausgewertet. Ich kannte Prokop seit 1986. Er hat mir menschlich stets gut getan und war mir als Strafverteidiger mehrfach eine große Hilfe. Ralph Dobrawa Marc Benecke: »Seziert – Das Leben von Otto Prokop«, Das Neue Berlin, 303 Seiten, 19,99 € Christa WolfAm 14. Februar wurde in Berlin die Internationale Christa-Wolf-Gesellschaft gegründet. Intention der Gesellschaft ist es, das Studium und die Verbreitung des Werkes von Christa Wolf, die Pflege ihres Nachlasses und die Erinnerung an ihr Leben und Wirken zu fördern. Die Gesellschaft widmet sich der Forschung und öffentlichen Diskussion über Leben und Werk der Autorin im internationalen Kontext. Sie wird eng mit dem Christa-Wolf-Archiv der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg sowie der Humboldt-Universität zu Berlin zusammenarbeiten. Alle an Leben und Werk der Autorin Interessierten sind eingeladen, Mitglied der Gesellschaft zu werden. Zum Gründungsvorstand gehören: die LiteraturwissenschaftlerInnen Therese Hörnigk, Roland Berbig, Dietger Pforte, Peter Böthig und Charlotte Misselwitz, die Übersetzerin Nicole Bary, die LektorInnen Julia Ketterer und Bernd Schmidt sowie die AutorInnen Daniela Dahn, Volker Braun, Günter Grass und Gerhard Wolf. »Neuen Perspektiven auf das Lebenswerk« widmet sich die erste Veranstaltung der Christa-Wolf-Gesellschaft. Aus Anlaß des 85. Geburtstages von Christa Wolf (18. März) sprechen am 25. April in der Humboldt-Universität Autoren und GermanistInnen aus Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Spanien, der Schweiz und den USA. Am Abend liest Schauspielerin Dagmar Manzel Christa Wolfs Text aus dem Nachlaß »Nachruf auf Lebende. Die Flucht«. Red. www.christa-wolf-gesellschaft.de Neutschs letztes Buch40 Jahre Arbeit an einem Projekt! 1974 war das erste Buch erschienen, 1987 das vierte. Nun legt der Verlag das fünfte und letzte Buch des 2013 Verstorbenen vor: »Plebejers Unzeit oder Spiel zu dritt«. Was für eine Geduld des als ungeduldig bekannten Autors! Die Geschichte seiner Generation ließ den 1931 Geborenen nicht los: Als Jugendliche noch mit dem Krieg konfrontiert, erlebten die jungen Frauen und Männer die Zeit eines großen Aufbruchs und Neudenkens, wurden in der DDR Werkleiter, Wissenschaftler, Künstler, Politiker und setzten sich ein, um den »Frieden im Osten« stabil zu machen. Im letzten Buch, geschrieben nach dem Zusammenbruch der DDR und damit dem Ende des Friedens, überprüft Neutsch bisherige Positionen und beschreibt vor allem Erfahrungen, die ihm mit seinem Buch »Spur der Steine« und dessen Verfilmung passierten. Trotzig und genauso kraftvoll wie in früheren Büchern verteidigt er sein Credo vom Menschen, der sich nicht unterkriegen läßt – weder von Funktionären, denen die Wirklichkeit abhanden gekommen war, noch von angeblichen Kunstfreunden, die die Kraft des Menschen und die Veränderbarkeit der Welt bestreiten. Er und seine Helden wollen – nicht nur mit ihrer Kunst – Partei ergreifen, sich streiten, etwas bewegen. Neutsch ist sich treu geblieben. Christel Berger Erik Neutsch: »Der Friede im Osten. Letztes Buch«, Das Neue Berlin. 478 Seiten, 24,99 € Zuschrift an die LokalpresseIch finde es richtig, daß sich der neue Papst nicht alles gefallen läßt und dem Protzbischof von Limburg den Heiligen Stuhl unter dem vergoldeten Hintern weggezogen hat! Aber Tebartz-van Elst wäre kein echter Limburger, würde er nicht immer noch gegen diese Entscheidung anstinken. »Vieles ist verfälscht worden«, hat er erklärt, und »andere sind auch schuld!« Mag ja sein. Auch der Papst kann nicht alles wissen, und der Übervater hat zur Zeit so den Kopf voll, daß man ihn mit solchen Peanuts besser nicht belästigen sollte. Gut ist aber, daß die Kirche dem verirrten Schäfchen verzeiht und dem Gottesmann verkündigt, daß er »zu gegebener Zeit« eine neue Aufgabe erhalten soll. Nun überlege ich, was sich da anbieten könnte. Vielleicht kann man ihn zur Unterstützung Mehdorns auf dem BER-Gelände einsetzen. Mit Kostensteigerungen kann der emeritierte Bischof sowieso locker umgehen, und er wäre bis zu seinem Pensionsalter sicher versorgt. Außerdem könnte er einige Limburger Neuerungen vielleicht gleich in Schönefeld einsetzen; so die Badewanne, die in die Berieselungsanlage eingebaut werden könnte. Auf der Wendeltreppe könnte Tebartz-van Elst Ausschau halten, ob ein Flieger naht, und mit den Koi-Fischen den Fluggästen bei Streiks die Wartezeiten verkürzen. Sicher gibt es noch andere Einsatzmöglichkeiten, aber ich wollte »zu gegebener Zeit« schon mal einen Vorschlag machen. – Siegfried Sorge (53), Personalmanager, 38875 Elend Wolfgang Helfritsch Public RelationsWer die Mainstream-Kutsche Wer den Karren in die Edelfedern, Renate Schoof
Erschienen in Ossietzky 9/2014 |
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