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Denn: »Mit Goethe im Garten« ist ein liebevoll gestaltetes Druckerzeugnis, großzügig ausgestattet mit historischen Stichen, Scherenschnitten, Zeichnungen von der Hand des Dichters, Reproduktionen alter Gemälde und mit gleichermaßen sensiblen wie wunderschönen Blumenporträts, Stilleben und Landschaftsaufnahmen von Marion Nickig. Vor allem aber ist es eine Fleißarbeit von Renate Hücking. »Die Flut der Goethe-Literatur ist fast unüberschaubar – auch zum Themenbereich dieses Buches«, vermerkt die Autorin. Und als promovierte Literaturwissenschaftlerin und langjährige Fernsehjournalistin weiß sie natürlich, wo sie suchen muß, nachschlagen sollte, zugreifen darf und wie sie ihre Fundstücke ordnen und wie neuwertig präsentieren kann. Alles ist übersichtlich und folgerichtig gegliedert. Renate Hücking führt den Leser durch Weimarer Parks, verweilt im »lieben Gärtchen vor dem Tore«, erwähnt des Dichters Kindheitserinnerungen an Nachbars Garten in Frankfurt und an den Großvater Textor, der »seine Gartenarbeiten so regelmäßig und genau betrieb wie seine Amtsgeschäfte«, und skizziert spätere Eindrücke vom Wörlitzer Park, wo Goethe und sein Herzog »von der grassierenden Gartenlust infiziert« wurden. Ein Kapitel widmet sie des Herrn Geheimrats Flucht vor Liebesfrust und höfischer Enge ins »Land, wo die Zitronen blühn« (nicht: blühen!), wo er »Arcadien und sich selbst wiedergefunden« hat. Der Spaziergang endet im Hausgarten am Frauenplan, der ihm Dichtergarten und botanische Lehranstalt gewesen ist und zudem kuschelige Ecken für »Hasenstunden« mit Christiane und dem gemeinsamen Sohn August hatte. Die Frau, die zeitlebens von der »Gesellschaft« ignoriert wurde, mit der sich Goethe jedoch »verheiratet fühlte, wenn auch ohne Zeremonie«, sorgte jahrein, jahraus, daß »das Nützliche neben dem Schönen nicht fehlt« und ihr »Vortrefflicher« stets auf dem Teller hatte, wonach ihn gelüstete, und die immer zahlreichen Gäste des Hauses satt wurden. Zeugnisse ihrer Bemühungen finden sich im Briefwechsel vor allem mit dem Hausherrn, der oft und oft längere Zeit auf Reisen gewesen ist, aber auch mit den Gärtnern, mit der »Schwiegermutter« in Frankfurt, in Billets des Sohnes an den Vater, auf Quittungen der Lieferanten und Notizzetteln von Christiane. Dieser schwesterlich verbunden gewesen ist Gertraud Aepfler (1914–2010), die sich – schon im Rentenalter, aber zu DDR-Zeiten war das möglich – als bestallte »Goethe-Gärtnerin« förmlich hineingekniet hatte in die Aufgabe, den Garten am Frauenplan, wo jahrzehntelang nur die Natur gewaltet, nach alten Vorlagen neu, will sagen: wie zur Goethezeit zu gestalten. Sie hat nicht nur hinterm Haus, sondern auch in den Archiven gearbeitet. Die Wissenschaftler vertrauten ihr. Sie konnte Lagepläne und alte Rechnungen studieren, in Haushaltsbüchern und anderen wenig beachteten Papieren – siehe oben – Auskunft über den Alltag der Familie Goethe suchen. Was sie gefunden hat, liegt seit 1994, erschienen in der Edition Leipzig, in einem Bändchen vor, das – mit einer ebenfalls lesenswerten Abhandlung von Dorothée Ahrendt über den Garten am Stern komplettiert – von der Klassik-Stiftung Weimar herausgegeben und in viele Sprachen, sogar ins Japanische, übersetzt worden ist. In Renate Hückings Literaturverzeichnis, das sie als »Auswahl zum Weiterlesen« empfiehlt, steht »Goethes Gärten in Weimar« von Ahrendt/Aepfler an erster Stelle. Eine Verbeugung vor einer ungewöhnlichen Leistung, die auch auf vorliegendes Buch ausstrahlt, wäre unter den Danksagungen möglich gewesen. Schade. Das Buch dürfte jedem Leser etwas bieten: Für die große Schar der Koch-experten hat die Autorin auch Rezepte aufgenommen: unter anderem »Laubfrösche« (Hackfleisch im Mangoldblatt) und »Thüringer Kartoffeltorte«, sie macht neugierig auf Gerichte von der echten und der wilden Artischocke (Cardy) und von der Rapontika (besser bekannt als zweijährige Nachtkerze), einem vergessenen Wurzelgemüse. Marion Nickigs Fotos machen zusätzlichen Appetit. Ein Fest fürs Auge und die Sinne auch die Bilder von Rosen, Tulpen, Nelken und selteneren Kindern Floras: Aurikeln, Dahlien, Malven. Den meisten sind eigene Abhandlungen gewidmet. Sie standen schon zur Goethezeit bei den »Blumisten« hoch im Kurs. Dazu zählten Herder, Wieland, der Märchendichter Musäus, der Verleger Bertuch, die einander mit ihren Erwerbungen und gar Züchtungen botanischer Raritäten zu übertreffen suchten. Schließlich gibt es Goethe-Gedichte für den Literaturinteressierten und praktische Hinweise und Tips für den Gartenfreund, aktuelle Pflanzenanbieter und Vereinigungen inklusive. Die letzten Seiten listen Lebensdaten und wichtige Veröffentlichungen des Dichterfürsten sowie seiner Zeitgenossen auf, nennen die Adressen weiterer historischer Gärten in und um Weimar. Wer es aus diesem oder jenem Grunde nicht bis nach Thüringen schafft, sollte in die nächstgelegene Buchhandlung eilen. Renate Hücking: »Mit Goethe im Garten«, Callwey Verlag, 160 Seiten, 39,95 €
Erschienen in Ossietzky 9/2014 |
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