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Sein Vergehen bestand darin, – gemeinsam mit seinen vier Genossen – von Miami aus operierende terroristische Gruppen ausgespäht zu haben, um Anschläge zu verhindern. »Willkommen Fernando und René. Jetzt fehlen uns noch drei«, begrüßt Juan Formell, Leiter des Salsa-Orchesters »Los Van Van«, die beiden Heimkehrer, die in Kuba als Nationalhelden verehrt werden. Die Alma Mater, das Symbol der Universität, die über den 88 Stufen der großen Treppe am Haupteingang normalerweise die Studenten mit geöffneten Armen willkommen heißt, scheint die Rückkehr der drei in den USA noch inhaftierten Landsleute zu erwarten. Doch die dortigen Autoritäten wollen Antonio Guerrero noch bis zum Jahr 2020 und Ramón Labañino bis 2028 festhalten. Gerardo Hernández, der zu zweimal lebenslang plus 15 Jahren verurteilt worden ist, soll im US-Gefängnis sterben. Nach Meinung zahlreicher Anwälte, Rechtswissenschaftler, Politiker und Intellektueller waren die drakonischen Strafen politisch motiviert und sind juristisch nicht zu rechtfertigen. Deshalb unterstützten 180 Prominente, Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und knapp 6.000 Einzelpersonen aus aller Welt eine Internationale Anhörung zu dem Fall. Das Hearing sollte am 7. und 8. März in der renommierten Londoner »Law Society« die Gründe für die Entsendung der Aufklärer und deren Aktivitäten in den USA, die Umstände ihrer Verhaftung und die Haftbedingungen, den Verlauf ihrer Prozesse sowie die Angemessenheit der gegen sie verhängten Strafen untersuchen. Mit dem ehemaligen Vorsitzenden des Obersten Indischen Gerichts, Yogesh Kumar Sabharwal, dem französischen Ex-Verfassungsrichter Philippe Texier und Zakeria Mohammed Yacoob, von 1998 bis 2013 Mitglied des südafrikanischen Verfassungsgerichts, konnten drei weltweit angesehene und erfahrene Juristen für die Untersuchungskommission gewonnen werden. Gespannt unterbrach ich deshalb Anfang März meinen Havanna-Aufenthalt, um zur Anhörung nach London zu reisen. Dort zeigt mir einige Tage später der britische Gewerkschaftskollege Marc den Weg zur »Law Society«. Wir sprechen über Gewerkschaften, Solidarität und selbstverständlich über Kuba. »Solidarität ist für mich nichts Karitatives«, sagt er und erklärt mir: »Mit einem kubanischen Arbeiter oder Bauern habe ich mehr gemein als mit einem britischen Boß. Es ist immer eine Klassenfrage.« Mit dieser Meinung steht er nicht allein da. Die größten Gewerkschaften des Landes »Unite« und »Unison« sowie der Dachverband TUC unterstützten das Hearing, an dem rund 300 Zuhörer aus 27 Ländern teilnahmen. Zu Beginn der zweitägigen Anhörung gab Roberto Hernández Caballero, ein Spezialist des kubanischen Innenministeriums für Terrorbekämpfung, eine Übersicht über die von Miami aus organisierten Angriffe gegen Menschen und Einrichtungen in seiner Heimat. Er nannte 713 Terrorakte, bei denen rund 3500 Menschen getötet und mehr als 2100 verletzt worden waren. Bei einem dieser Bombenanschläge wurde 1997 der italienische Tourist Fabio Di Celmo getötet. Sein 93jähriger Vater Giustino berichtete der Kommission per Video darüber. Auch außerhalb Kubas mordeten die Terroristen. So wurde die Mutter der Zeugin Betina Palenzuela Corcho 1976 in Lissabon durch eine von Antikommunisten in der kubanischen Botschaft plazierte Bombe getötet. Die Zeugin Mariá Margarita Morales Fernández verlor ihren Vater Luis Alfredo, als der CIA-Agent Luis Posada Carriles am 6. Oktober 1976 ein Flugzeug der »Cubana de Aviacion« mit 73 Passagieren an Bord sprengte. Daß dieser Mörder heute in Miami frei herumläuft ist kein Einzelfall, sagte der dort lebende stellvertretende Direktor des alternativen Senders Radio Miami, Lorenzo Gonzalo. Nach seiner Kenntnis seien US-Behörden bisher noch nie gegen die von ihrem Boden aus operierenden Terroristen vorgegangen. In einer derartigen Situation, erläuterte der Völkerrechtler Norman Paech, stehe jedem Land das Recht auf Selbstverteidigung zu. Und genau deshalb, erklärte Hernández Caballero, habe Kuba die Aufklärer nach Miami geschickt. Einer von ihnen, der im Mai 2013 in seine Heimat zurückgekehrte René González, war als Hauptzeuge geladen, konnte seine Aussage vor der Kommission jedoch nicht persönlich machen, weil die britischen Behörden ihm die Einreise verweigert hatten. Per Live-Schaltung berichtete er aus Havanna über Drohungen des FBI, wiederholte Isolationshaft und Schikanen gegen seine Familie. Am zweiten Verhandlungstag berichteten Anwälte und Angehörige, daß die Prozesse in Miami durch Vorverurteilung in den Medien, Druck auf Zeugen und Jurymitglieder und fortwährende weitere Rechtsverletzungen geprägt waren. Richter Yacoob verglich das Verhalten der US-Justiz mit dem des südafrikanischen Apartheidregimes. Deshalb, sagte er, gebühre den Aufklärern Respekt: »Sie sind Männer von Ehre, Mut und hoher Moral.« Nach Bewertung aller Zeugenaussagen erklärten die drei Richter in einer ersten Einschätzung, es gebe »ernsthafte Zweifel« daran, daß auch nur einer der Verurteilten »in den Genuß eines fairen Verfahrens« gekommen sei. Vielmehr seien ihnen sowohl ihre bürgerlichen als auch ihre politischen Rechte vorenthalten worden. Die Jury forderte die US-Behörden auf, das an den »Cuban 5« und ihren Familien begangene Unrecht zu korrigieren und die drei noch inhaftierten Aufklärer unverzüglich frei- und in ihre Heimat zurückkehren zu lassen. Eine umfassende Begründung will die Kommission bis Anfang Juni veröffentlichen. Sie soll Grundlage für eine weitere Kampagne im Rahmen der Aktionswoche für die Freiheit der »Cuban 5« vom 4. bis 11. Juni in Washington sein. Bleibt nachzutragen, daß TUC-Generalsekretärin Frances O’Grady die rund 6,5 Millionen Mitglieder ihres Verbandes aufrief, die von den bürgerlichen Medien um den Fall der »Cuban 5« errichtete »Mauer des Schweigens« zu durchbrechen. So etwas haben wir vom scheidenden DGB-Vorsitzenden Michael Sommer und dessen designiertem Nachfolger Reiner Hoffman nicht zu erwarten, obwohl auch die »pluralistischen« bundesdeutschen Konzernmedien ihren Lesern, Hörern und Zuschauern jede Informationen über die Anhörung und den Fall selbst vorenthielten. Es ist eben, wie mein britischer Gewerkschaftskollege Marc mir geduldig zu erklären versuchte, »immer eine Klassenfrage«.
Erschienen in Ossietzky 8/2014 |
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