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In Werner Petzolds Bild von 1974 erheben sich über dem Plateau des Uran-Schachtes hochtechnisierte Produktionsanlagen, gespeist vom modellartig vergrößerten Atom, dessen Protonenkern von Elektronen auf rotgelben Bahnen umkreist wird, verbunden mit dem lodernden Rot der Fahne, von einer weiblichen Allegorie erfaßt, und jenem rot bezeichneten Sternenweg, auf den ein Kosmonaut hinweist. Inmitten der drei die »Führergestalt mit nacktem, muskulösem Oberkörper« (Doris Weilandt, Katalog), ein Bergmann, der das Atomium mit sicherer Gebärde beherrscht, denn sicher scheint die friedliche Nutzung der Atomenergie. Inzwischen ist das Werkgebäude, an dem das riesige Wandbild angebracht war, abgerissen. Wieder aufgerichtet wurde das Bild im freien Felde von Löbichau. Die Leere um das Bild soll die Basislosigkeit der Bildidee vor Augen führen. Aber wer weiß, ob das Bild nicht in entfernten Lebensbedingungen, zwar ohne Atomenergie und Naturzerschindung, ohne Kapitalismus, zur Realität einer bisher unabgegoltenen Utopie ermuntern könnte. Nach der mit Unkenntnis gepaarten Absicht, die DDR zu delegitimieren und ihre Kunst als politisch kontaminiert und Anti-Kunst zu behandeln, wird dieses Verdikt allmählich zurückgenommen. Dazu tragen Karl-Siegbert Rehberg und sein Projektverbund »Bildatlas: Kunst der DDR« bei. Sie haben hochwertige Kunst gefunden und sehen, wie mit ihr an die Lebensleistungen der DDR-Bürger erinnert werden kann. Das zeigte 2004 die Sammlung der Maxhütte Unterwellenborn und 2011 die Auswahl »Helden auf Zeit« aus dem Sonderdepot in Beeskow. Auch der von Paul Kaiser und Holger Peter Saupe erarbeiteten Ausstellung »Sonnensucher!« mit etwa 120 Gemälden und Grafiken aus der Kunstsammlung der Wismut ist dieser Respekt für die Arbeit der Kumpel anzumerken. Zu sehen sind die Werke in der Orangerie der Kunstsammlungen Gera. Die Frage der Thüringer Agentur für die Kreativwirtschaft: »Was ist Kunst wert, wenn Sie keiner kennt?«, führt bei der Bestimmung freier Kunst dazu, daß die Freiheit von Kunst nicht allein in ihrer Autonomie besteht, sondern in ihrer individuellen Geprägtheit und gesellschaftlichen Verbundenheit. Als zahlungsfähiger Förderer der Kunst spielte die SDAG (Sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft) Wismut eine komplexe Rolle, weit vor allen anderen Kombinaten (vgl. Lutz Fichtner und Paul Kaiser im Katalog); aber völlig anders, sozial weitgreifender als kunstfördernde Konzerne. Unter den etwa 280 Gemälden und 4000 Grafiken befinden sich beachtenswerte Bilder, über Auftrag und Ankauf erworben oder auf den vier Pleinairs entstanden, die der Sammlung einen internationalen Zug verleihen, aus denen die fantasievollen Haldenlandschaftsbilder des Russen Viktor Makejews hervorstechen. Manche Wismut-Bilder der 1960er Jahre präsentieren in matten Farben den Schichtbeginn und Schichtwechsel, das Volkstümliche »funktionärstümlich« (Bertolt Brecht). Hans Hattop propagiert 1971 im naiv komponierten Komplexbild »Uran« den vollständigen Arbeitsprozeß bis hin zum Kosmonauten. Zu unterstellen, er ließe einen Konstrukteur mit seiner Reißschiene die Bruderfahne subversiv durchstreichen, versucht, vermeintlich kritische Bilder zu »retten«. Dagegen beeindrucken Arbeitsbilder der 80er Jahre: von Lutz R. Ketscher »Schichtbus«, Hans Wolfgang Siegenbruk »Alte Strecke« und »Im Förderkorb«, Jost Giese »In der Kaue« oder Kurt Pesl »Werkstatt unter Tage«. Landschaften setzen im »unmittelbaren Realismus« die Halden als Monumentalzeichen der Wiesenmutung, ein Name für die erzgebirgische Flur und Erzschürfung (Wismut), und decken oft freundlich die Umweltzerstörungen des Thüringer Bergbaues zu. Realitätsnäher betonen den aushöhlenden Abbau, Verwerfungen und Vergiftungen oft Grafiken oder der expressiv gemalte »Schacht Schmirchau«, 1989, von Axel Wunsch. Vor allem die surreale »Landschaft bei Ronneburg«, 1985, von Hans-Peter Müller legt die Wismut als rotstichiges, silberglänzendes und kristallisierendes Metall wie in einer Erdwunde brandig bloß. Bei den Porträts sind Spitzenwerke selten, obwohl sie anständig gemacht sind, mit einer inneren Beziehung zu den Porträtierten. Der hohe Stellenwert des Porträts kann mit der Vorbildfunktion der Porträtierten begründet werden. Es war ein seltener Moment der Geschichte, da das Volk sich seiner Rolle bewußt wird und, wie bei dem Obersteiger Sepp Wenig, als Souverän auftrumpft. Er initiierte die Aktivisten- und Neuererbewegung an der Wismut. Mit seinem Kollektiv überbot er beim Abteufen die Norm um 220 Prozent – mit heftigen Auseinandersetzungen, wie sie im lange verbotenen DEFA-Film »Sonnensucher«, 1958, von Konrad Wolf dargestellt wurden. Da ist es interessant, wie Carl Kuhn Sepp Wenig 1965 unbewegt und charakterarm zeigte, während Alexandra Müller-Jontschewa ihn fünf Jahre nach seinem Tode weitaus lebendiger als gedankenvollen und tieffühlenden Menschen gemalt hat. Da kommen sich die Bildnisse »Kumpel aus Paitzdorf«, 1969, von Werner Petzold oder »Brigadier Günter Franke«, 1987, von Siegfried Otto-Hüttengrund nahe. Mehrfach sind deutlich gemalte Ehrenzeichen an ihrer Brust – Aktivist, Held der Arbeit oder höhere Orden. Wer dies als ironische Betonung dem Publikum vermitteln möchte, erfährt die Gegenwehr: »Aber das sind doch Auszeichnungen!« Aus den Porträts blicken uns Menschen mit Gefühl und Verstand an, keine Managervisagen. Menschenbilder neu zu entdecken, wäre eine weitere Strophe zu der alten, bekannten Weise, wie sie uns Albrecht Dürer hinterließ: »Vor allen andern Dingen ist uns lieblich zu sehen ein schön menschlich Bild.« Gera, Orangerie, bis 21. April, Mi-So/feiertags 12 bis 17 Uhr; Katalog 19,90 €; Vorführung des Filmes »Sonnensucher«, 8. April, 19 Uhr.
Erschienen in Ossietzky 8/2014 |
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