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Die Bundesrepublik, weltwirtschaftlich doch so erfolgreich, müsse sich von noch bestehenden Hemmungen lösen und in der globalen militärischen Szene mitmischen, selbstverständlich im Rahmen der »westlichen Wertegemeinschaft«, im transatlantischen oder im EU-europäischen Bündnis. Beim Krieg um den Kosovo und in Afghanistan sei das ja auch geschehen, aber beim Irakkrieg und später beim Militärschlag gegen Gaddafi habe sich Deutschland peinlicherweise zurückgehalten. Allerdings bedient sich heutzutage staatliche Politik beim Zugriff auf auswärtiges Terrain, beim Regime Change dort und bei der Neuverteilung von geopolitischer Macht immer mehr auch postmoderner Strategien. Kanonenboote und Panzerarmeen sind ziemlich altertümliche Instrumente, auch Kampfflugzeuge müssen nicht in allen Fällen eingesetzt werden, und Drohnen haben ihre spezifische Verwendung. Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich umstürzlerische Aktivitäten in revolutionärem Gewande, systemsprengend aus dem Inneren eines Landes heraus, das externen Machtinteressen unterworfen werden soll. Der Zyniker Oscar Wilde schrieb: »Revolution ist die erfolgreiche Anstrengung, ein schlechtes Regime durch ein noch schlechteres zu ersetzen.« Der Satz ist aktuell, wenn man hinzufügt: Unter Anregung, mit Unterstützung und zum Vorteil von Akteuren außerhalb des Revolutionslandes, denen ganz gleichgültig ist, wieviel Verwüstung dabei in der betroffenen Gesellschaft angerichtet wird. Der Masterplan für eine Revolution dieser Art sieht so aus: In dem angezielten Terrain bestehen soziale und ökonomische Verwerfungen, ethnische oder religiöse Konflikte und bedrängende politische Verhältnisse. Insofern existiert in Teilen der Bevölkerung aller Grund zur Unruhe, auch der Erwartungsdruck, eine politische Umwälzung werde problemlösend wirken. Da ist geopolitische Nutzung angesagt, Steuerung des Laufs der Dinge von außen. Zu diesem Zweck wird »Hilfe« für die Protestbewegung geleistet, das Regime ist nicht so autoritär, daß es diese verhindern würde; ausländische propagandistische und finanzielle Zuwendungen erfolgen, Geheimdienste agieren, zugereiste Berater werden tätig, oppositionelle politische Führer erhalten Schulung, prominente Unterstützer aus den »Hilfsländern« treten auf. Und eine internationale Medienkampagne für »Freiheit und Demokratie« wird organisiert. So kann die innergesellschaftliche Auseinandersetzung zugespitzt werden, das Verlangen nach mehr Bürgerrechten verwandelt sich in eine weltpolitische Parteinahme – für die externen Interessenten des Umsturzes. Denen sind militante Kräfte in der Protestbewegung willkommen, die mit demokratischen Idealen gar nichts im Sinn haben und ein Klima der Gewalt erzeugen. Um dies zu fördern, werden auch professionelle Bürgerkrieger eingeschleust – die Revolution nimmt ihren Gang. Regime Change in der Ukraine ist im wesentlichen nach diesem Muster abgelaufen. Deutlich wurden dabei freilich einige Differenzen zwischen den auswärtigen Revolutionsbetreibern: Vor allem die deutsche Regierung gedachte, den Umsturz einigermaßen moderat zu gestalten, sie mochte die wirtschaftlichen Beziehungen mit dem östlichen Nachbarn der Ukraine nicht aufs Spiel setzen. Die Politik der USA muß darauf keine Rücksicht nehmen, ihr geht es vorrangig darum, Rußland militärstrategisch weiter in Bedrängnis zu bringen, an dem Import- und Exportgeschäft in Osteuropa hat sie kein Interesse. Beim Arrangement von Revolutionen aber sind im transatlantischen Bündnis die Vereinigten Staaten die leitende Macht. Im lateinamerikanischen Raum setzen die USA eine Variante des Revolutionsgeschäfts ein: Hier bieten sich als inländische Träger des Umsturzes protestierende Gruppen aus den Mittelschichten an, die sich von sozialstaatlichen Versuchen einer Regierung in ihrem Status gefährdet fühlen. Auch in diesem Fall wird Einmischung von außen als freiheitliches Engagement dargestellt. Die beschriebene Art der Revolutionsförderung bringt in riesigem Umfange soziale Verwüstung, Gewalt, Hunger, Flucht und Tod hervor. Das kümmert Geopolitiker nicht, sie machen gern Reklame für sich mit der Forderung nach Menschenrechten, aber die Menschen selbst kommen in ihrem Kalkül nicht vor. So geht Machtpolitik heute, im Jahre 2014, einhundert Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges, aus dem, wie die Politprominenz verkündet, »Lehren« gezogen seien. Human sind diese keineswegs.
Erschienen in Ossietzky 8/2014 |
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