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Oktober des Jahres zuvor das Sudetengebiet »heim ins Reich« geholt und die Sudetendeutschen Hitler in Eger (Cheb) als neuen Herrscher fanatisch bejubelt hatten – da machte die Gestapo das Petschek-Palais zu ihrem Hauptquartier im »Protektorat Böhmen und Mähren«. In dieses Gebäude hat die Gestapo viele jener Tschechinnen und Tschechen geschleppt, die gegen die deutschen Okkupanten Widerstand geleistet haben. Hier wurden sie verhört, gefoltert, mitunter halbtot geschlagen. Auch der kommunistische Journalist Julius Fučík hat dieses Schicksal erlitten. Er war Mitglied des dreiköpfigen, in der Illegalität wirkenden Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Verantwortlich für die Herausgabe von Publikationen sowie den Zusammenschluß der Intellektuellen im Kampf gegen die Nazis. Seine Waffe war die Feder. Vom Petschek-Palais ist Fučík in die Zelle 267 des Gestapo-Gefängnisses Pankrac verlegt worden. Mehr blutendes Fleischbündel als menschlicher Körper. Der Zellengenosse gab ihm kaum eine Überlebenschance. Doch, auch dank seiner Hilfe, Fučík erholte sich. Er machte die Gefängniszelle zur Redaktionsstube und verfaßte die »Reportage unter dem Strang«. Sie wurde später weltberühmt. Als einzigartiges literarisches Zeitzeugnis eines mutigen, selbstlosen Kampfes gegen den Faschismus. Die Reportage ist in rund neunzig Sprachen übersetzt worden, das meistübersetzte Werk aus tschechischer Feder, weltweit in mehr als dreihundert Auflagen erschienen. Der Name »Straße der Politischen Häftlinge« hat die Zeiten überdauert. Er ist gewissermaßen namenlos. Fučíks Namen aber wollte man mit der »samtenen Revolution« aus dem Bild der Öffentlichkeit streichen. Als deren Anführer Vaclav Havel auf dem Hradschin den Präsidentenstuhl eingenommen hatte, da gab er das Signal zur Hatz auf ihn: »Die Kommunisten mußten sich als einen Helden des antifaschistischen Widerstandes den Fučík aushecken.« Fučík sollte – moralisch – noch einmal ermordet werden. Havels Parteigänger behaupteten schamlos, die Reportage sei eine Fälschung. Ja, sie unterstellten ihm gar, daß er mit der Gestapo kollaboriert habe. Fučíks Denkmäler wurden landesweit geschleift: Unter anderem eine etwa lebensgroße Statue in einem nach Fučík benannten Volkspark in Prag. Sie hat im Vorjahr – zum 110. Geburtstag Fučík – wieder »unter freiem Himmel« einen Platz gefunden. In der »Straße der Politischen Häftlinge« – mit dem Petschek-Palais in Sichtweite – ist im Februar ein internationaler Runder Tisch abgehalten worden. Thema: »Fučík heute«. Initiator und Organisator: die Julius-Fučík-Gesellschaft in Prag. Sie hat sich zur Aufgabe gestellt, Fučíks Vermächtnis zu bewahren, seine Ehre und Würde zu verteidigen. Nachdem in langen Kämpfen die Wiedererrichtung des Denkmals gelungen war, hat sie nun den 111. Geburtstag zum Anlaß für diese Veranstaltung genommen. Vorsitzender Jan Jelinek präsentierte als Redner des Eröffnungsvortrages den britischen Historiker John Callow, Fellow of the Royal Society of Arts sowie auch Mitarbeiter der Marx Memorial Library in London. Ihm, wie auch den anderen Teilnehmern des Runden Tisches, in der Mehrzahl Tschechen, auch jüngerer Jahrgänge – darunter die Vorsitzende des Ausschusses für nationale Kultur Vera Beranová – ging es darum, die Erinnerung an Julius Fučík lebendig zu erhalten. Seinem Werk wie seinem Namen in der heutigen Öffentlichkeit Geltung zu verschaffen. An einen Menschen zu erinnern, der – auch im Angesicht des Todes – sich als wahrer Mensch verhalten hat. Der bei allem, was er im Kampf gegen die Faschisten getan hat, zuallererst immer an seine Gefährten, seine Mitstreiter und deren Überleben gedacht hat. Darum ist Julius Fučík – so erinnerte ein Teilnehmer an die Feststellung von Bundeskanzler Willy Brandt auf der Prager Burg im Dezember 1973 – »zum Symbol des Widerstandes gegen Terror und Gewalt« geworden. Mit Sympathie haben die Mitglieder der Fučík-Gesellschaft meine Information aufgenommen, daß am Fučík-Denkmal im Bürgerpark Berlin-Pankow alljährlich am 8. September – dem Tag, an dem Julius Fučík im Jahre 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet worden ist – mit einer Gedenkveranstaltung an sein noch immer aktuelles Vermächtnis erinnert wird. Es sind die letzten Worte der »Reportage«, niedergeschrieben in der Nacht vor seinem Transport nach Berlin: »Menschen ich hatte Euch lieb. Seid wach!«
Erschienen in Ossietzky 7/2014 |
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