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Da formuliert er einen Gedanken, der Köhler noch das Amt kostete, unverschämt harmlos; er spricht von »einer Weltordnung, die Deutschland erlaubt, Interessen mit grundlegenden Werten zu verbinden«. Vage redet er davon, Deutschland müsse »mehr tun« für die Sicherheit (und nicht nur mit militärischen Mitteln), oder er warnt »vor den Folgen des Unterlassens«. Pastoral harmlos klingt auch seine Forderung, Deutschland müsse »der Welt stärker zugewandt« sein. Von »Drückebergerei« spricht er zunächst vorsichtig, indem er »manche im Inland wie im Ausland« kritisiert, die »Deutschland schlicht als Drückeberger der Weltgemeinschaft« sähen. Dieser Kritik möchte er »Fakten und ein wenig historische Perspektive« entgegenhalten. Letztlich aber teilt er sie: »Wer … die kleinsten Schritte für die besten hält, wird kaum mithalten können mit dem rasanten Wandel der Bedrohungen und den Umwälzungen im strategischen Umfeld.« Dabei möchte er nicht so interpretiert werden, er sei dafür, »mehr schießen« zu lassen. Auch wenn er sich zu der Aussage herbeiläßt, »manchmal [könne] auch der Einsatz von Soldaten erforderlich sein«, und Afghanistan als Beispiel nennt, schränkt er ein: »Deutschland wird nie rein militärische Lösungen unterstützen.« Eine Banalität – könnte man meinen. Auch möchte er den Schluß, »mehr Verantwortung« bedeute »mehr Kraftmeierei«, nicht gelten lassen. Dem stellt er die Forderung entgegen: »Deutschland darf weder aus Prinzip ›nein‹ noch reflexhaft ›ja‹ sagen.« Auch wendet er sich gegen »jene …, die Deutschlands historische Schuld benutzen, um dahinter Weltabgewandtheit oder Bequemlichkeit zu verstecken«. Gauck arbeitet mit abstrakten Gegenüberstellungen, die ein bedenkendes Abwägen suggerieren und die ihm anschließend die Möglichkeit eröffnen, sich auf ein »gesundes Mittelmaß« einpendeln zu können. Unbeirrt verfolgt er dabei das Ziel, militärische Intervention als außenpolitisches und ökonomisches Mittel unbedenklich erscheinen zu lassen. Im Juni 2012 bekannte Gauck – sich unter seinesgleichen fühlend – in seiner Rede in Hamburg-Blankenese vor der Führungsakademie der Bundeswehr (FüAk) unverblümt: »Für diese unsere Bundeswehr bin ich sehr dankbar! Das sagt der Bürger Joachim Gauck genauso wie der Bundespräsident.« Hier hielt er es nicht für nötig (wie in München), zu betonen, daß »Deutschland … nie rein militärische Lösungen unterstützen, [sondern] politisch besonnen vorgehen und alle diplomatischen Möglichkeiten ausschöpfen« werde. Er stellte vielmehr die Soldaten der Bundeswehr als »›Mut-Bürger‹ in Uniform«, mit Zivilisten auf eine Stufe, wie sie auch »in vielen sozialen Berufen« zu finden seien. So demilitarisierte er die Armee verbal. (Den Gegensatz zu den »Wut-Bürgern« – zum Beispiel in Stuttgart – durfte man getrost ergänzen.) In München hob Gauck salbungsvoll die humanitären Aufgaben des Militärs hervor. Immer wieder berief er sich auf das »Konzept der Schutzverantwortung«, von dem er zunächst behauptete, es sei von der Generalversammlung der UNO »im Grundsatz anerkannt«, nur, um hinzuzusetzen: »Trotzdem bleibt es umstritten, und die internationale Diskussion geht weiter.« Selbst aus dieser weitgehenden Einschränkung vermochte er Honig zu saugen: »Das ist gut so, denn es gilt, den potentiellen Mißbrauch des Schutzkonzepts zu expansionistischen oder gar imperialen Zwecken auszuschließen.« So waren die bösen Begriffe »Expansionismus« und »Imperialismus« angesprochen und zugleich zurückgenommen. Wie wenig kritisch er die angeblich friedenstiftende Wirkung der Armee sieht, wurde bereits in Blankenese deutlich. Allein schon die Vielzahl der Auslandseinsätze schien Gauck in seiner Blankeneser Rede ein Fortschritt: »Die Bundeswehr auf dem Balkan, am Hindukusch und vor dem Horn von Afrika, im Einsatz gegen Terror und Piraten – wer hätte so etwas vor zwanzig Jahren für möglich gehalten?« Von militärischer Zurückhaltung konnte hier keine Rede sein, harsch ging er auch mit »Drückebergertum« ins Gericht: »›Ohne uns‹ als purer Reflex kann keine Haltung sein, wenn wir unsere Geschichte annehmen.« Mit diesen Worten griff er eine der beiden wichtigsten Lehren aus dem Faschismus an und würdigte sie als »puren Reflex« herab: »Nie wieder Krieg!« In Blankenese beleidigte er alle Antimilitaristen mit der Äußerung, das sei »keine Haltung«. Vor diesem Hintergrund muß die Münchner Rede gelesen werden; dann wird klar, daß Stürmer nicht recht hat, wenn er schreibt: »Endlich spricht er Tacheles.« Das hat er vielmehr schon in Blankenese getan; in München versuchte Gauck mit rhetorischen Kniffen einer »Einerseits-andererseits«-Verklausulierung von seiner Absicht der »Enttabuisierung des Militärischen« (Schröder) abzulenken. Auch wenn das Staatsoberhaupt bei der Münchener »Sicherheits«-Konferenz nicht tachelig sprach – die politische, mediale und rüstungswirtschaftliche Elite hatte ihre Freude an ihm. Ein präsidiales »Signal« habe er gegeben, für mehr geopolitisches Engagement der Bundesrepublik, Militäreinsätze inklusive.
Erschienen in Ossietzky 5/2014 |
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