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Ihre Entwicklung ist beeindruckend, vor allem, wenn man die Verstrickungen in kriminelle Wirtschaftspraktiken und Regierungsverbrechen ausblendet. Über die Verbrechen, die ihr für die Zeit von 1933 bis 1945 angelastet werden, liegen erschütternde Untersuchungsergebnisse der OMGUS (Militärregierungsbehörde der Vereinigten Staaten in Deutschland) vor. Dort ist die Beteiligung der Bank und ihrer leitenden Mitarbeiter an den Nazi-Verbrechen nachgewiesen. OMGUS empfahl damals den Anklägern des Internationalen Militärtribunals in Nürnberg, »daß erstens die Deutsche Bank liquidiert wird, zweitens die verantwortlichen Mitarbeiter der Deutschen Bank angeklagt und als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden, drittens die leitenden Mitarbeiter der Deutschen Bank von der Übernahme wichtiger oder verantwortlicher Positionen im wirtschaftlichen und politischen Leben Deutschlands ausgeschlossen werden«. Danach hätte die Geschichte der Deutsche Bank spätestens 1948 enden müssen, und der verhaftete Nazi-Banker Hermann Joseph Abs wäre nicht so bald freigelassen, sondern wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt worden. Die Deutsche Bank war Teil des Auschwitz-Kapitalismus. Doch zur Schließung des Geldinstituts kam es nicht. Auch nicht zur Verstaatlichung. Der Kalte Krieg änderte die Bewertung der Ermittlungsergebnisse. Die Abs-Biographie wurde umgeschrieben, bis der »Bankster« als Gegner der Nazis dargestellt werden konnte. Der DDR-Historiker Eberhard Czichon, der schon 1970 mit seinem Buch »Der Bankier und die Macht« einen ersten (allerdings zunächst nicht überzeugenden) Versuch gemacht hatte, die Geschichte der Deutschen Bank aufzuarbeiten, schaffte dies 1995 mit einer Erweiterung seines Werks. Der Titel wurde entpersonalisiert und lautet seitdem: »Die Bank und die Macht« (Verlag PapyRossa). Wer tiefer in das Thema einsteigen will, ist mit diesem Buch gut beraten. Wer DDR-Historikern nicht glauben mag, sei auf Hermannus Pfeiffers Bücher »Das Imperium der Deutschen Bank«, »Die Macht am Main« und »Die Macht der Banken« verwiesen. Vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise ist es in den USA endlich zu einigen Gerichtsverfahren gegen die Deutsche Bank gekommen. Auch die Europäische Union verhängte kürzlich enorme »Geldbußen« für Bankenverbrechen, so daß es endlich auch einige tonangebende deutsche Medien wagen, die illegalen Ausbeutungspraktiken dieser Bank und anderer Geldhäuser etwas kritischer als bisher zu beleuchten. Nun kann sich, wer will, Auflistungen des Strafregisters der Deutschen Bank im Internet zusammengoogeln. Selbst das wirtschaftsfreundliche Handelsblatt verfolgt seit längerem besorgt, wie Großbanken, darunter auch die Deutsche Bank, billionenschwere US-Pensionsfonds plündern, Zins- und Währungsmanipulationen vornehmen und einen als Emissionshandel deklarierten Raubzug zur Erbeutung von Steuergeldern führten. Damit nicht genug. Die Kapitalstrategen beschränken sich nicht mehr darauf, Privatpersonen, Gemeinden, Länder, Staaten in ihre Schuldenfalle zu locken und rigoros zu belügen und zu betrügen, auch nicht, Politiker und Beamte zu bestechen, ganze Regierungen zu kaufen, umweltzerstörende Großprojekte zu finanzieren, um Reiche noch reicher zu machen, auch wenn dabei Arme immer ärmer werden. Sie greifen auch nach der politischen Macht. Unvorstellbar, daß ein derart infam und perfekt abgestimmtes kriminelles Verhalten angeblich konkurrierender Banken durch Realisierung der LIBOR-Leitzins-Raubzüge und Währungsmanipulationen großen Stils nicht von der NSA-Überwachung und den deutschen Nachrichtendiensten bemerkt worden wären. Oder haben sie sie aufgedeckt? Darüber herrscht Schweigen. Der Verdacht ist nicht abwegig, daß zumindest die »systemrelevanten« Banken mit den Nachrichtendiensten kooperieren. In diesem Zusammenhang wäre es sicher – um einen Mainstream-Ausdruck zu bemühen – »zielfördernd«, noch einmal öffentlich und gründlich über jenen Mann, seine Ideen und sein Ende nachzudenken, der der Nachwelt das Zitat hinterließ, das Eberhard Czichon als Motto seinem Buch »Die Bank und die Macht« voranstellte: »Wir brauchen Berichterstattung und Kommentierung der Wirklichkeit, nicht der Unwirklichkeit. Wir müssen sagen, was ist. Bemühen wir uns also um Offenheit. Wir brauchen Glasnost für den Kapitalismus – auch und gerade für den Kapitalismus.« Der Mann, der diesen Satz sagte, war Alfred Herrhausen. Moskaus Öffnung hin zur kapitalistischen Diktatur (Glasnost und Perestroika) wurde von der neuen Führung der Deutschen Bank als Chance gesehen, endlich den Sprung auf die Ebene der Top-Ten, der Global Player, zu schaffen. Czichon schreibt: »Für sein Global-Player-Ziel entwickelte Alfred Herrhausen eine neue Corporate-Culture-Strategie, mit der er einen Aufbruch in neue Gelddimensionen suchte. Herrhausen kaufte nun nicht mehr in Aktien, er kaufte ganze Unternehmen, er stieß dabei in die Höhen neuer Superlative vor.« (Czichon, S. 416) Czichon erwähnt den kometenhaften Aufstieg der Deutschen Bank unter Herrhausen, der mit dem Ankauf der Londoner Investmentbank Morgan Grenfell weder in der Londoner Lombardstreet noch an der Wallstreet in New York »als Hilfe für ein notleidendes Geldhaus verstanden wurde«, und fügt unmittelbar hinzu, daß Herrhausens weitere Absichten, in der Community der Weltbanken »mitzugestalten«, an »der Explosion einer Hohlladungsmine« in Bad Homburg scheiterte. Er sagt nicht, man habe diesen Außenseiter unter den Bankern, diesen Moralisten unter den Chefs der Deutschen Bank, einfach umgebracht. Er nennt nur Gründe, die diesen Gedanken, auch den, es könnten ganz andere als linke Terroristen gewesen sein, nahelegen. Herrhausens Nachfolger Hilmar Kopper wird zitiert, der sagte, daß die Idee einer globalen Mega-Bank tot sei. Mit Herrhausen gestorben? Josef Ackermann und seine Nachfolger haben das strategische Ziel Herrhausens konsequent weiterverfolgt, und daß ihnen alle Mittel recht waren, das Ziel zu erreichen, wissen wir. Aber nicht etwa, weil unter Helmut Kohl, Gerhard Schröder oder Angela Merkel Glasnost für den Kapitalismus eingeführt worden wäre. Im Gegenteil. Wir wissen es, weil die Deutsche Bank unter Ackermann, Jain und Fitschen nicht einmal mehr davor zurückschreckt, sich mit der Macht, die die Bank unter Herrhausen errang, sogar auf Kosten von US-Bürgern mit kriminellen Methoden zu bereichern. Die Wirtschaftsspione der NSA könnten das übelgenommen haben. Glasnost für den Kapitalismus, diese Forderung des bisher bedeutendsten Chefs der Deutschen Bank mit ihrer großen Kriminalgeschichte, einer Bank, die nach Auffassung der OMGUS-Finanzabteilung nach 1945 hätte liquidiert werden müssen, hat sich als illusionär erwiesen. Ebenso die wenigstens teilweise Entschuldung der unterentwickelten Länder, die Herrhausen gefordert hat. Herrhausens Ideen sind aber in der Welt und haben zumindest für diejenigen, die – wie Herrhausen – auch in den USA »mehr Markt wagen« wollen, einen großen Wert. Es ist – vereinfacht ausgedrückt – eine antimonopolistische Position. Aber gesetzt den Fall, der Bankenmonopolismus könne durch ein breites Bündnis gegen Bankenmacht, gebrochen werden, und Banker, die selbst von der zuständigen EU-Kommissarin öffentlich als »Bankster« beschimpft werden, könnten dereinst angemessen bestraft werden, so könnten diese Erfolge nie die radikalere Forderung nach wirtschaftsdemokratischen Kontrollen ersetzen.
Erschienen in Ossietzky 3/2014 |
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