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Als nach 1945 seine Genossen ihn mit Formalismus-Vorwürfen behelligten, betonte die hallesche Kunsthistorikerin Ingrid Schulze zu seinem Schutze das Proletarisch-Revolutionäre der Bilder, womit die Aufnahme seiner Kunst eingeengt wurde. Seine künstlerische Arbeit fortzusetzen und sich selbst treu zu bleiben tragen Aufträge für die Malerei in Kirchen bei, so 1956 die Glasmalerei für die Thomaskirche in Erfurt. Der revolutionäre Geist und die Vision von einer gerechten Gesellschaft bricht sich auch in Völkers christlichen Bildern Bahn, so in den elf Deckengemälden, die 1921/22 für die Dorfkirche Schmirma bei Mücheln im Geiseltal, nahe Halle, entstanden. Das Ensemble aus expressiven auf Jutestoff aufgetragenen Deckenbildern in den Balkenfeldern der Flachdecke, die großen messen drei mal drei Meter, sind in ihrer farbigen Raumfassung und Ikonographie eine Kostbarkeit ersten Ranges. Bewundert wird die hohe Leuchtkraft der roten und blauen Farben. Eindrucksvoll sind die Urchristen in sozialer Nähe, mit gleicher Kopfhöhe (Isokephalie), einander zugerückt. Ihre Gewänder sind lang, die Formen der Gesichter idealisiert und konstruktiv. Mit wenigen Strichen sind deren Mienen seelisch differenziert. Die langen Arme sprechen in deutlichen Gebärden. Die orientalischen Landschaften sind klar geschichtet, über den stilisierten Palmen das Blau des Himmels. Es faßt alle Bilder zusammen, beginnend mit der Anbetung der Hirten. Tiefblau die Raum-Zeit zwischen dem gekreuzigten, doch lebenden Jesus und seiner Himmelfahrt. Dort hebt Christus, ähnlich dem Isenheimer Auferstehenden von Grünewald, von der Gloriole umgeben, im Segnungsgestus die Arme. Mit dieser würdigen expressionistischen Bildausstattung im sakralen Zusammenhang präsentiert das Kunstmuseum Moritzburg in Halle die letzte Ausstellung des Direktors Michael Freitag. Seit über 90 Jahren mußten die Bilder in der Dorfkirche Schmirma Schäden durch Wassereintritte und den Ruß der Kohleheizung überstehen. Jetzt, da das Kirchendach repariert wird, wurden die Deckenbilder abgenommen und der Restaurierung zugeführt. Dadurch ergab sich die einzigartige Möglichkeit, die Bilder in einem Saal der Moritzburg ganz nahe vor Augen zu führen und aus der Perspektive des malenden Künstlers erleben zu lassen. Die erbarmungswürdigsten Schäden sind behoben. Aber den restaurierten Zustand gegen den noch versehrten zu zeigen, verrät die noch erforderliche Mühe. Die großzügige Unterstützung durch die Hermann-Reemtsma-Stiftung sichert die Rettung aller Deckengemälde. Erstaunlich, daß Karl Völkers expressionistische Deckenmalerei in Schmirma erhalten blieb. Denn Völker war verfemt; auf der Ausstellung »Entartete Kunst«, 1937, wurde er gezeigt. Man muß feststellen, die faschistische Diktatur benötigte Leute, ihren Totalitarismus durchzusetzen. Nicht SS oder SA schmissen die klassische Moderne aus den Museen. Diesen Beitrag zur Säuberung von »der roten Kunstverseuchung« (Wolfgang Willrich) leisteten »Fachleute«. Doch sie hätten eigentlich Kunst und Künstler schützen müssen, so rettete beispielsweise im Angermuseum Erfurt die Direktorin Magdalena Kunze die expressionistischen Wandbilder von Erich Heckel. Auch die Schmirmaer Völker-Bilder verriet keiner; keiner verlangte ihre Entfernung. Vielleicht schützten die Schmirmaer ihre Bilder mit Bürgersinn bewußt oder verteidigten einfach ihren Besitzstand oder blieben gleichgültig. Vielleicht empfanden sie wie die Betrachter der Glasfensterbilder Völkers in der Thomaskirche Erfurt die Wirkung der Malerei in ihrer Farbigkeit und Gestaltung als angenehm und religiös, obwohl sie den Künstlernamen nicht kannten. Die Bewohner Schmirmas stellten ihre Deckenbilder gern für die Ausstellung in der Moritzburg zur Verfügung, kamen zur Eröffnung mit Bussen und brachten für die Gäste etliche Würste und belegte Brote mit. Kunstmuseum der Stiftung Moritzburg Halle bis 5. Januar 2014. Literatur: Ein Kirchenraum der Moderne in der Provinz. Die Raumgestaltung Karl Völkers in der Dorfkirche Schmirma. Kleine Hefte zur Denkmalpflege 5, hg. vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale), 2013
Erschienen in Ossietzky 2/2014 |
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