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Nehmen wir Fidel Castro, dem noch immer nicht die Befreiung seines Landes aus den Händen der Mafia und Luden verziehen wird. Oder Arafat, der sterben mußte, bevor er sein Land aus den Fesseln der israelischen Besatzung befreien konnte. Stellen wir uns vor, er wäre als erster Präsident eines freien, souveränen und gleichberechtigten Palästina, Mitglied der UNO und auf dem Wege der Versöhnung mit seinem israelischen Nachbarn gestorben, da wäre auch Bundespräsident Joachim Gauck zu seinem Begräbnis gefahren. Nun wurde Nelson Mandela zu Grabe getragen, und alle reisten an, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Vielleicht auch, um sich für die jahrzehntelange Unterstützung zu entschuldigen, die ihre Regierungen dem Apartheidregime gegen die schwarzen Freiheitskämpfer gewährt haben? Bis 2008 hatte Mandela noch auf der »terrorist watch list« der USA gestanden, ehe ihn George W. Bush von der Liste strich. Doch niemand redet über diese Vergangenheit – nehmen wir an, aus Scham vor der eigenen Mittäterschaft an so vielen Verbrechen. Verzichten wir auf die Auflistung all der deutschen Firmen, die mit der Apartheid ihr Geschäft gemacht haben. Es war fast alles, was Rang und Namen hat im deutschen Kapital. Ob es um die Ausrüstung des südafrikanischen Militärs und der Polizei mit Waffen und Geräten, die Lieferung wichtiger Teile zur Entwicklung der Atombombe, um die Schützenhilfe beim Hochverratsprozeß Pretorias gegen Oppositionelle, unter ihnen Nelson Mandela, im Jahr 1956 oder die Finanzierung des Regimes durch umfangreiche Kredite ging, Bonn und seine Firmen waren in der vordersten Reihe der Lieferanten und Finanziers der Apartheid dabei. Doch daran wollte Bundespräsident Joachim Gauck in seinem Kondolenzbrief nicht erinnern, er war damals schließlich Bürger eines Staates, der sich an diesen Verbrechen niemals beteiligt hatte. Wichtiger ist die Frage, was die hochfahrende Trauergemeinde aus den Staaten der früheren Kollaboration für Konsequenzen im Umgang mit anderen Freiheitskämpfern zieht. Denn diese gibt es noch, und sie sitzen in den Gefängnissen ihrer Feinde. Zum Beispiel Abdullah Öcalan. Im Februar 2014 wird er 15 Jahre auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer – das Robben Island der Türkei – inhaftiert sein. Zehn Jahre in Isolationshaft, seit November 2009 mit fünf weiteren Gefangenen. Am 29. Juni 1999 war Öcalan vor dem Staatssicherheitsgericht Ankara № 2 wegen Hochverrats, Bildung einer terroristischen Vereinigung, Sprengstoffanschlägen, Raub und Mord gemäß Art. 125 des türkischen Strafgesetzbuches zum Tode verurteilt worden. 2002 wurde das Urteil nach Aufhebung der Todesstrafe in Friedenszeiten auf lebenslänglich abgeändert. Ein Urteil von vergleichbarer politischer Qualität, wie das Urteil von 1964 im Rivonia-Prozeß, mit dem Nelson Mandela wegen Sabotage und Verschwörung zum gewaltsamen Umsturz der Regierung zu lebenslanger Haft nach Robben Island verbannt wurde. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 12. Mai 2005 das Verfahren gegen Öcalan als unfair bezeichnet und die Verletzung der Art. 3, 5 und 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gerügt. Er verpflichtete die Türkei, wenigstens die Kosten seiner Anwälte in Höhe von 120.000 Euro zu tragen. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens in der Türkei lehnte er jedoch ab. Öcalan steht immer noch mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), deren Vorsitzender er nach wie vor ist, auf sämtlichen Terrorlisten des Westens. Das liefert den Vorwand, der Türkei als wichtigem NATO-Partner im Nahen Osten den Rücken zu stärken und sich nicht politisch mit der stärksten Kraft der Kurdenbewegung politisch auseinandersetzen zu müssen. Öcalans Friedensangebot und die Verkündung einer Waffenruhe im März 2013, der Rückzug der Guerilla aus der Türkei blieben faktisch ohne Resonanz auf der Regierungsseite. Es gibt auch keinen Druck aus Europa auf den Partner, den man zwar braucht aber doch nicht im eigenen Haus haben will. Die Kurden haben den Rückzug im September gestoppt aber die Waffenruhe beibehalten. Sie warten vergeblich auf die Unterstützung aus Europa und müssen sich stattdessen in Deutschland mit Prozessen nach § 129a und b StGB wegen Unterstützung einer terroristischen oder kriminellen Vereinigung auseinandersetzen, da man ihnen nichts anderes vorwerfen kann. Zwei Lehren lassen sich aus diesem Gedenken ziehen. Nichts ist den NATO-Staaten zu dubios, um nicht auch zweifelhafte Regime und selbst Terrorgruppen wie in Syrien zu unterstützen, wenn es ihren strategischen Zielen entspricht. Und über die Anerkennung eines Freiheitskampfes und seiner Kämpfer entscheidet nicht die Berechtigung ihres Freiheitsdranges, sondern ihr Erfolg.
Erschienen in Ossietzky 2/2014 |
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