Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Landschaft mit viel BraunEckart Spoo Am 25. Mai 2014 wird die nächste Wahl zum »Europa-Parlament« stattfinden, dem gemeinsamen Parlament der in der Europäischen Union zusammengeschlossenen Staaten. Man hört und liest Mutmaßungen, daß völkische Parteien erheblich mehr Sitze als bisher erlangen werden – vor allem aus Erbitterung gegen die Sparpolitik der EU. Anders als bei Bundestagswahlen gilt nicht die Fünf-, sondern eine Drei-Prozent-Klausel; sie werden es also leichter haben, ins Parlament einzuziehen. In einigen EU-Ländern erhielten sie bei den letzten nationalen Wahlen schon weit höhere Stimmenanteile: in den Niederlanden und Norwegen zum Beispiel mehr als 15 Prozent, in Tschechien kam Ende Oktober die »Bewegung unzufriedener Bürger« des Multimillionärs Andrej Babiš (»Ich werde diesen Staat regieren, wie ich meine Unternehmen leite«) auf 18,7 Prozent. Zwischen ihnen bestehen zum Teil enge Beziehungen. Sie hoffen, daß es ihnen diesmal gelingt, eine große Fraktion zu bilden. In diesem Zusammenhang fand vor einigen Wochen ein Treffen der Parteivorsitzenden Marine Le Pen (Frankreich) und Geert Wilders (Niederlande) starke Beachtung. Geradezu programmatisch hatte schon ein Besuch Le Pens mit Vertretern anderer völkischer Parteien aus Europa an dem japanischen Schrein zu Ehren der toten »Helden« verbrecherischer Angriffskriege gewirkt. In den Zielen sind sich diese Parteien ähnlich, aber nicht alle gleich. Manche Widersprüche dürften eine Zusammenarbeit erschweren. Vor allem kollidieren ihre nationalen Gebietsansprüche. So versetzen Forderungen ungarischer Nationalisten, den Friedensvertrag von Trianon (1920) aufzuheben und ein Groß-Ungarn zu schaffen, mehrere Nachbarn in Unruhe, desgleichen der lautstarke Traum der griechischen Partei »Goldene Morgenröte« von einem groß-griechischen Reich mit Teilen Makedoniens und Albaniens. Die bulgarische »Ataka« ist nicht bescheidener. Sie fordert ein Groß-Bulgarien mit Teilen Makedoniens, Griechenlands und der Türkei. Die Weigerung deutscher Nationalisten, die Oder-Neiße-Grenze als endgültig anzuerkennen, hat ähnlich Wirkung. Aber auch Abspaltungs-tendenzen wie beispielsweise die flämischen in Belgien und die der »Lega Nord« in Italien können zu schwer lösbaren Konflikten führen. Antisemitische Tendenzen sind den meisten dieser Parteien anzumerken, aber in unterschiedlichem Maße, dem niederländischen Parteiführer Wilders gar nicht. Sein Rassismus richtet sich, ähnlich wie bei israelischen Ultrarechten vom Schlage des Außenministers Lieberman, gegen Muslime. Im EU-Parlament, dessen Wahlperiode bald abläuft, hielten sich die Abgeordneten mit abwertenden Äußerungen über Juden und über Israel zurück – vielleicht auch deswegen, weil sie großenteils Juristen sind. Ziel nationalistisch-rassistischer Attacken sind häufiger die Roma; an ihnen tobt man sich aus. Wer fremd ist im jeweiligen Lande, das heißt wer von den Völkischen nicht als Mitbürger akzeptiert ist, soll das Land verlassen. Die einheimische Bevölkerung soll glauben, dadurch werde sich ihre soziale Lage verbessern, und dann würden Sicherheit, Ruhe und Ordnung herrschen. Wenn diese falsche, von den realen Ursachen sozialer Mißstände ablenkende Vorstellung sich ausbreitet, entsteht Druck auf die regierenden Politiker, dem diese gewöhnlich gern nachgeben: Die Aufenthaltsrechte der Flüchtlinge werden folglich wieder mal verschärft. Die Wahlerfolge der Völkischen gelten als Argument. Wenn völkische Parteien Flüchtlinge und andere Arme und Schwache zu Sündenböcken machen, an denen ein dumpfbackiger, stiernackiger Nachwuchs seine Wut auslassen darf, kann das im Interesse der Reichen liegen. Nicht selten geben Multimillionäre in diesen Parteien den Ton an – wie Silvio Berlusconi viele Jahre lang in seiner »Forza Italia«: der Milliardär aus dem Baugewerbe, der zeitweilig an der Spitze des Industriellenverbandes stand, und den größten Medienkonzern des Landes schuf. Ähnlich früher Jörg Haider und jüngst Frank Stronach in Österreich oder jetzt der schon erwähnte tschechische Düngemittel- und Medien-Unternehmer Andrej Babiš. Hauptsache, sozialer Protest richtet sich nicht gegen die Reichen. In die Reihe dieser Volksbeglücker gehört auch der georgische Milliardär Bidsina Iwanischwili, der sich allerdings nach kurzer Zeit als Regierungschef inzwischen mit der Rolle der Grauen Eminenz begnügt. Neuer Premierminister wurde Irakli Gharibaschwili, bisher Iwanischwilis Rechte Hand im Konzern. George Becali (Mitglied des EU-Parlaments, Partei »Neue Generation«), antwortete auf die Journalistenfrage, warum er an seinen politischen Erfolg glaube: »Weil ich der stärkste und mächtigste Mann Rumäniens bin, ökonomisch, politisch, geistig.« Hier noch weitere Zitate, gesammelt von dem deutschen Europa-Politiker Jan Philipp Albrecht (MdEP, Fraktion »Die Grünen«) in seiner Broschüre »Europa rechtsaußen«: Mario Borghezio (Jurist, MdEP, »Lega Nord«) verkündete nach dem Blutbad in dem sozialdemokratischen Jugendlager im Oslo-Fjord: »Viele Ideen von Anders Behring Breivik sind gut, einige sehr gut.« Morten Messerschmidt (Jurist aus Dänemark, MdEP, Fraktion »Europa der Freiheit und der Demokratie«): »Europa wird – wenn nicht in 20, dann 30 bis 40 Jahren – eine muslimische Bevölkerungsmehrheit haben, falls nichts geschieht. Das bedeutet das Ende unserer Kultur und unserer Zivilisation.« Politiker aus Deutschlands Nachbarländern scheuten sich jahrzehntelang, sich in die Tradition der Kollaborateure im Zweiten Weltkrieg zu stellen. Inzwischen haben sich die Umstände geändert: Der Antifaschismus, soweit noch vorhanden, soll eliminiert werden. Daran beteiligten sich auch die zeitweiligen Sieger der »Orange-Revolution« in der Ukraine, Viktor Juschtschenko und Julia Timoschenko. Sie fanden sich sogar bereit, den einstigen Führer der ukrainischen Faschisten, Stepan Bandera, posthum zum »Held der Ukraine« zu ernennen; eine neue Staatsführung machte diese Ehrung drei Jahre später rückgängig, nachdem die UN-Vollversammlung in einer Resolution ihre Sorge vor der Gefahr einer Wiedergeburt des Faschismus in der Ukraine geäußert hatte. Treibende Kraft dieser Bewegung ist die Partei »Swoboda« (»Freiheit«), die gegenwärtig gemeinsam mit den Parteien Timoschenkos und des Berufsboxers Vitali Klitschko die Regierung stürzen will, unterstützt von regierenden deutschen Politikern und den Konzernmedien. In Kroatien brüllen Fußballfans zu Tausenden Parolen der Ustascha, der Bewegung des Hitler-Verbündeten Ante Pavelić, der Hunderttausende Serben und Juden ermorden ließ. In Riga marschieren jedes Jahr am 16. März, dem »Tag des Legionärs« ungehindert lettische SS-Veteranen durch die Hauptstadt. Im Zentrum von Budapest wurde am 3. November 2013 eine Büste des »Reichsverwesers« Miklós Horthy aufgestellt, der Ungarn zum Verbündeten Hitler-Deutschlands gemacht hatte und Hitlers/Himmlers Aufträge brav erfüllte bis hin zum Abtransport hunderttausender ungarischer Juden ins Vernichtungslager. Zwei Wochen nach der Aufstellung dieses Denkmals wurde das für den jüdischen Schriftsteller Miklós Radnóti in Györ zerstört – an dem Ort, wo ungarische Miliz ihn und andere jüdische Gefangene erschossen hatte. Das Gedenken an den Widerstand gegen die Nazis, besonders an den großen Anteil, den Kommunisten daran hatten, wird abgewickelt. In Georgien soll nach einem Parlamentsbeschluß eine Kommission dafür sorgen, daß keine Denkmäler oder Straßennamen an Kommunisten erinnern. Zuletzt ein kurzer Blick auf die Bundesrepublik Deutschland im Zentrum der Europäischen Union nicht Europas). Hier wird vor einem Münchener Gericht über zehn Morde verhandelt, die mutmaßlich eine kleine Gruppe namens »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) begangen hat. Mit diesen Verbrechen hatte sich zuvor schon ein Untersuchungsausschuß des Bundestags befaßt. Neben vielen anderen Einzelheiten erwies sich, daß sogenannte Sicherheitsbehörden über V-Leute den NSU mit Waffen, Geld und konspirativen Wohnungen versorgt hatten. Der Polizei-, Geheimdienst- und Justiz-Kritiker Rolf Gössner, Ossietzky-Mitherausgeber, in einer Zwischenbilanz: »Die Sicherheitsbehörden waren mit fast schwerkrimineller Energie damit beschäftigt, die Spuren ihrer Verflechtung ins NSU-Umfeld zu verdunkeln.« Schon mit ihrer Wortwahl trugen »Sicherheits«-Beamte, -Politiker und Medien zur Desinformation der Öffentlichkeit bei. Wörter wie »Pannen«, »Rowdies«, »Einzelgänger« dienen ihnen schon seit Jahrzehnten dazu, Verbrechen zu verharmlosen und mutmaßliche Verantwortliche im Hintergrund zu schützen. Anfang Dezember hörte das Bundeskriminalamt endlich auf, die Öffentlichkeit mit falschen Zahlenangaben über das Ausmaß neofaschistischer Gewalt zu täuschen. Jahrelang hatten die Innenminister des Bundes und der Länder behauptet, die Zahl der Todesopfer sogenannter »rechtsextremistischer« Gewalt (mit dem Begriff »Extremismus« versuchen sie, Täter und Opfer gleichzusetzen) betrage 34, auch nachdem Journalisten längst rund hundert ermittelt hatten. Inzwischen sind es viel mehr geworden. Aber Kommunen und Bundesländer verharmlosen den Terror, weil sie um ihr »Image« fürchten. Die notwendige Auseinandersetzung mit Nationalisten und Rassisten, die gerade in den Kommunen und Ländern stattfinden müßte, unterbleibt zumeist – schon deswegen, weil sich demokratische, antifaschistische Jugendliche, die den Mut zur Auseinandersetzung aufbringen, sogleich als »Linksextremisten« verleumdet sehen. Gegenstand der Auseinandersetzung müßten neben den Lehren der deutschen und europäischen Vergangenheit vor allem Gegenwart und Zukunft sein: die Massenerwerbslosigkeit (in Griechenland sind schon zwei Drittel aller Jugendlichen arbeitslos), die Wohnraumknappheit, die Perspektivlosigkeit, der Sozialabbau, der Kulturabbau, der Demokratieabbau, die Immigration als Folge europäischer und namentlich deutscher Rückentwicklungspolitik, die Umweltzerstörung. Ich fürchte, Oskar Lafontaine, früher Vorsitzender der SPD, später der Partei Die Linke, hat recht, wenn er am 29. November in der Berliner Tageszeitung junge Welt schreibt: »Die großen Koalition wird mit der Fortsetzung der Merkelschen Politik dafür sorgen, daß das Elend in Europa vergrößert wird und rechtsradikale Parteien immer stärker werden.« Unter dem Einfluß rassistischer und nationalistischer, teilweise offen faschistischer Parteien würde sich der Rechtstrend der regierenden Parteien voraussichtlich noch verstärken, warnt Jan Philipp Albrecht MdEP (Die Grünen) in seinem oben zitierten Buch »Europa rechtsaußen«). Schon vor der jüngsten Bundestagswahl hatte eine Gruppe von Theologen um Heino Falcke, Hans-Jochen Tschiche, Volkmar Deile, Ruth Misselwitz und Heiko Lietz gemahnt: »Eine Politik, die in Europa soziale Ungleichheiten verschärft, bereitet den Nährboden für einen neuen Nationalismus. (...) Wir halten es für verlogen, wenn deutsche Politik den eigenen Bürgern suggeriert, daß ihre Steuern für die Schulden anderer Länder aufzukommen haben, wo in Wahrheit doch Deutschland der größte Profiteur der Schulden der anderen ist.« Völlig richtig. Nur (damit nicht auch noch von dieser Seite Nationalismus aufkommt): Nicht Deutschland war der größte Profiteur, sondern hauptsächlich deutsche und britische und US-amerikanische Banken, zu deren Aktionären auch mancher arabische Ölprinz gehören mag.
Erschienen in Ossietzky 1/2014 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |