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Ein niedrigerer CO2-Ausstoß-Grenzwert bei Neuwagen, der von durchschnittlich 130 Gramm pro Kilometer auf 95 Gramm gesenkt werden sollte, kann nun frühestens wieder in zwei Jahren verhandelt werden. Die deutsche Regierung mit Kanzlerin Merkel wollte die Autoindustrie vor dem Aufwand einer Umrüstung bewahren. Und so sieht das Energiesparen in Europa doch sehr schildbürgerlich aus, und bei den Reduktionszielen wird viel auf die Gerätewirtschaft in Erna Normalverbrauchers Wohnung gesetzt: Geschont werden weiterhin die Mobilitäts- und Verkehrsindustrie sowie die ressourcenausbeutenden multinationalen Konzerne mit ihrem Energiehunger. Gerade dem Autosektor haftet hierzulande der alte, abgelebte Nimbus von standortnationalem Stolz und Konjunkturstärke an. Ein beliebtes Argument, um den Status quo der westlichen Wirtschaft zu erhalten, lautet dann noch, daß Arbeitsplätze geschützt werden müssen. Das Wachstumsdenken mit Billigproduktion, mit Ressourcenausbeutung und globalen Transportrouten für Produkte, nur um Arbeitskosten zu sparen, bleibt ungebrochen. Für jedes Umdenken beim produktkapitalistischen Prinzip malt die Mehrheitspolitik Katastrophe und Quasi-Zusammenbruch des Landes an die Wand. Zugleich wüten reale Taifune und Rekordfluten über die Erde. Daß deren Ursache bei der Klimaerwärmung liegt, kann kaum noch von einem Meteorologen geleugnet werden. Weil es weiterhin um Gewinnsteigerung geht, bleibt die sogenannte internationale Gemeinschaft so etwas wie eine Feiertagsgemeinde. Wie jetzt auf der Weltklimakonferenz in Warschau tritt sie zusammen und tauscht gute Worte aus, läßt aber den Großteil der Alltagsgeschäfte beiseite. Kurz darauf – wenn der feierliche Anlaß vorbei ist – verwandelt sich die internationale Gemeinschaft wieder in das Konkurrenzpersonal auf dem globalen Markt, fiebert nach Export- und Absatzstärke und Kostensenkung: Alles wie gehabt im alten Geldsystem. Und wer »den Anschluß« an die Globalisierung nicht verlieren will, muß eben mehr von eigenen Naturreservaten – samt der Unabhängigkeit und umweltschonenden Lebensweise der EinwohnerInnen – preisgeben. In diesem Jahr versagte die internationale Gemeinschaft bei dem versprochenen Treuhandfonds für den Yasuní-Nationalpark in Ecuador. 2008 hatten Staaten zugesagt, an das Land 3,6 Milliarden US-Dollar zu zahlen. Das Geld sollte Ecuadors Regierung Armutsprogramme ermöglichen, wenn die Regierung im Gegenzug dafür auf Ölförderungen im UNESCO-Biosphärenreservat verzichtet. Das Regenwaldgebiet von Yasuní mit einzigartiger Vielfalt würde durch Ölgewinnung erheblich beeinträchtigt. Weil aber bis heute nicht mal ein Prozent der versprochenen Summe zusammenkam, hat das Parlament auf Antrag von Präsident Rafael Correa den Erdölbohrungen im Nationalpark zugestimmt. Auch Deutschland kann in dieser Staatengemeinschaft nicht durch gutes Vorbild punkten, der Minister für Entwicklungszusammenarbeit Dirk Niebel hatte einen Rückzieher bei den schon in Aussicht gestellten 50 Millionen Euro jährlich gemacht, berichtete Le Monde Diplomatique im Oktober. Regenwälder wie der Amazonasdschungel im Nordosten Ecuadors bieten Schutz gegen Stürme und Erosion, haben wichtige Funktionen für das Klima auf der Erde. Und sie sind Lebensraum von Menschen, die sich nicht zum schlechten Leben in einem Großstadtghetto zwingen lassen wollen. Dieses Jahr wurde durch die Erwärmung des Weltmeeres der Taifun »Hayan« verursacht, der eine Katastrophe über die Philippinen brachte. Rekordunwetter verwüsten global immer mehr bewohnte Strukturen – und treffen die Armen zuerst. Aber wirkliche Konsequenzen bei der Ausbeutung der Natur wollen die reichen Staaten des Nordens in ihrem Wachstumsdenken nicht ziehen. Als Sozialträumer wird verdammt, wer einen Konsumrückbau und die Stärkung souveräner Bedarfswirtschaft – zum Beispiel von ländlichen ProduzentInnen unabhängig vom Weltmarkt – verlangt. Die Wirtschaftsverhandlungen der reichsten »G8-Staaten« bleiben weiterhin eine elitäre Veranstaltung. Die Politik will Vereinigungen von BäuerInnen wie »La Via Campesina« nicht ernstnehmen und auf ihre Souveränitätsforderungen nicht eingehen. Während der Westen viel Hokuspokus um »Nachhaltigkeits«-Kampagnen macht, wird gleichzeitig das »nachhaltige«, weil konsumunabhängige Leben vieler Kleinbäuerinnen oder Waldbewohner, die sich gegen Landgrabbing wehren, bedrängt. Die Tagesgeschäfte des wirtschaftshegemonialen Westens gehen derweil weiter, es geht um Wachstum (nicht der Natur, sondern der Gewinne und Zinsen). Etwa, wenn Konzerne Regenwälder abholzen und Ölpalmen oder Sojabohnen in Monokultur anbauen – gestützt von europäischen Krediten und wachsendem europäischen Absatz. »Gigantische Mengen Kohlenstoff entweichen aus der gerodeten Vegetation und den Böden in die Erdatmosphäre«, schreibt Rettet den Regenwald. Das Palmöl wandert seit einigen Jahren in Lebensmittel und Seifen im Supermarktangebot; es ersetzt preisgünstig frühere Pflanzenfette. Alles für die Produktionssteigerung und billige Massenwirtschaft. Auch wird seit der EU-Verordnung von 2009 Palmöl als »Agrosprit« Benzin und Diesel beigemischt. Womit wir wieder beim Thema Auto, individuelle Mobilität und deren Folgen für den Klimaschutz wären.
Erschienen in Ossietzky 25/2013 |
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