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Zu klein war am 31. Oktober das Eiszeit-Kino in der Berliner Zeughofstraße – die Deutschlandpremiere dieser bemerkenswerten Dokumentation hätte sehr wohl auch im Babylon am Luxemburg-Platz stattfinden können. Sie ist eine Hommage an die in Stuttgart geborene Tänzerin und Choreografin Tanja Liedtke, die nur 29jährig zur Leiterin der renommierten Sydney Dance Company berufen wurde und, noch ehe sie die Stelle hat antreten können, bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben kam. Das Wissen um das Geschehen sensibilisiert, gibt den vorgeführten Tanzszenen eine sehr eigene Bedeutung, man fühlt anders für die Tänzerin, hört ihr anders zu bei der Videoeinspielung, in der sie lächelnd davon erzählt, daß sie als Dreijährige eine Blume hatte sein wollen – denn: Die Blume sollte unter den Rädern eines Müllwagens umkommen. Es berührt zutiefst, wie alle, die Tanja Liedtke nahestanden, ihres Todes gedenken – die Eltern, ihre beiden Brüder und selbstverständlich jene, die von ihr lernten, ihren Choreografien folgten, mit ihr tanzten: die junge Australierin asiatischer Herkunft, die blonde Schwedin auch und Paul White, für den die Arbeit mit Tanja Liedtke bedeutsamer war als alles andere im Leben. Und Solon Ulbrich, Tanjas Tanzpartner und Lebensgefährte. Schwer nur weiß Solon Ulbrich seine Emotionen zurückzudrängen, und daß er dann seine Erinnerungen an Tanja mit einem Fluch beendet, zeigt, wie tief ihr Tod ihn traf. »Tanja – Life in Movement« ist mehr als ein Film über eine Hochbegabte, mehr als die Dokumentation eines Lebens für die Kunst, es ist ein Film über den Verlust und die Trauer derer, die zurückbleiben. Bei aller Fassungslosigkeit, die das Werk prägt, ist es zugleich auch ein Hohelied an die Vitalität und Lebensfreude der jäh aus dem Leben gerissenen Tänzerin. Walter Kaufmann Seit 2007 wird das Neubrandenburger Programm, ergänzt durch Eigenes auch parallel im polnischen Szczecin gezeigt, wofür der Marschall der Wojewodschaften Westpommern einen eigenen Preis gestiftet hat. Eigentlich stützt sich die dokArt auch in Neubrandenburg auf polnische Wurzeln. Festivalort ist eine vormalige Kirche für Saisonarbeiter aus dem Nachbarlande. Mit Mitteln von Bund und Land wurde das marode Haus renoviert und dient nun auch außerhalb des Festivals dem Verein »Latücht« als kommunales Kino und Kulturzentrum. Klein aber fein. Vor der Leinwand stehen den Festivalbesuchern kaum 800 Stühle zur Verfügung, im Vorraum mit Theke gibt es auch etwas zu essen und zu trinken. Eine familiäre kommunikationsfreundliche Atmosphäre, die auch von den internationalen Teilnehmern geschätzt wird, die ihre Filme nach den Vorstellungen jeweils zur Diskussion stellen. Den Hauptpreis des Wettbewerbs verdiente sich in diesem Jahr Claudiu Mitcu aus Rumänien mit seinem Film »Maria«. Die Kamera bleibt ganz bei einem dörflichen Zimmer mit Kachelofen und brennenden Kerzen an Marias Seite, die umgeben von Familie und Freunden und deren ganz alltäglichen Stimmen schlafend aus dem Leben scheidet. »Ein subtiler, respektvoller und ehrlicher Film« befand die Jury. Kontraste: aus China ganz ohne Worte das fast surreale Bild einer größenwahnsinnigen Geisterstadt ohne Menschen, wo noch Ziegen weiden, und apokalyptische Eindrücke aus Gaza nach einem israelischen Luftangriff, Teil einer Dokumentarserie zweier ungarischer Filmemacher. Kontraste auch zweier Festivals. Nach der jungen dokArt das älteste Dokumentarfilmfestival überhaupt: im 56. Jahrgang das Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm, in der Messestadt kurz Dok-Woche genannt. Schlangen vor den Kinokassen bezeugen die Popularität. 40.000 Besucher wurden diesmal registriert. Im Programm 346 Filme aus 57 Ländern. Auch hier, wenn auch ganz anders als »Maria«, ein Film über den Abschied vom Leben, die letzten Tage einer krebskranken 36jährigen: »Joanna« von Aneta Kopacz aus Polen erhielt den Preis der Jugendjury der Filmschule Leipzig. Und wie in Neubrandenburg ging der Hauptpreis, eine Goldene Taube, an ein eher »privates« Thema: Roberto Minervini aus den USA beobachtet in »Stop the Pounding Heart« das Leben einer bibeltreuen Familie auf einer kleinen Farm in Texas, ein genauer Blick in eine archaische Welt. Die Preise beider Festivals beschreiben einen Trend, der auch sonst zu beobachten war. Der politische Dokumentarfilm ist auf dem Rückzug. Gerade in Leipzig engagierte man sich in den 1970/80er Jahren für Vietnam und das Chile Allendes. Heute geht es mehr um Geschäfte. Vertreterinnen von ChileDoc, einer staatlich finanzierten Vereinigung von Produzenten und Regisseuren, gehörten zu den 1550 Fachbesuchern – etwa ein Drittel aus dem Ausland – des Festivals, denen hier unter der Marke DokIndustry eine Branchenplattform geboten wird von speziellen Marktvorführungen bis zum Koproduktionstreffen, bei dem 34 Projekte aus 17 Ländern Partner suchten. Mit einem ganz aktuellen Beitrag schlug die Festivaleröffnung eine Brücke zu einem breiteren Publikum über Leipzig hinaus. Marc Bauders »Masters of the Universe«, worin ein Aussteiger die hermetisch abgeschirmte Welt der Investmentbanker erklärt, kam nach Ende des Festivals bereits in die Kinos.
Erschienen in Ossietzky 24/2013 |
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