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Wenn aber jemand den ganzen Apparat in Frage stellt, wechselt ihr Gesichtsausdruck ins Leidende, und bescheiden bitten sie, daran erinnern zu dürfen, daß durch Hinweise der Geheimdienste – der deutschen und vor allem der US-amerikanischen – schon mancher Terroranschlag verhindert worden sei. Daraufhin tritt in der Runde für einen Moment ehrerbietiges Schweigen ein. Niemand widerspricht. Dieser Moment genügt den Herren der sogenannten Sicherheit. Wenn ihre Behauptung, sie schützten uns vor dem Terror, unbestritten bleibt, also unbestreitbar wirkt, dann akzeptiert das brave Publikum, daß sie weitermachen. Voller Erfolg für sie. Zu fragen wäre: Welcher Terroranschlag ist verhindert worden, weil ein Geheimdienst rechtzeitig vor ihm gewarnt hat? Bitte ein konkretes Beispiel (und nicht so ein krudes wie die Geschichte von der »Sauerlandgruppe«)! Mir fallen viele Terroranschläge ein, vor denen kein Geheimdienst gewarnt hat, viele Anschläge, die unter den Augen der »Dienste« vorbereitet worden waren. Oder in deren Auftrag. Ein bekanntes Beispiel: die »Aktion Feuerzauber« des niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Mit Zustimmung des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) ließ diese Behörde ein Loch in die Mauer der Justizvollzugsanstalt Celle sprengen. Der Öffentlichkeit wurde vorgetäuscht, linke Terroristen hätten versucht, einen Gesinnungsgenossen zu befreien. Sogleich wurden die Haftbedingungen für diesen Gefangenen verschärft. Er trat daraufhin in einen Hungerstreik, an dessen Folgen er starb. Zwei vom niedersächsischen Verfassungsschutzamt angeheuerte Schwerkriminelle wurden in eine linke Gruppe in Hamburg eingeschleust. Einem Angehörigen dieser Gruppe, der sie gutgläubig in seiner Wohnung aufgenommen hatte, schoben sie eine Bombe unter. Die Polizei, vom Geheimdienst verständigt, brauchte dann nur noch die Wohnung zu stürmen und die Bombe zu finden. Der Wohnungsbesitzer kam vor Gericht und mußte eine dreieinvierteljährige Haftstrafe verbüßen. Auf andere Fälle habe ich schon in Ossietzky 15-16/12 hingewiesen. Erinnert sei nur an die niedersächsische Neonazi-Gruppe, die in der Wohnung eines V-Manns des Landesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Dieter L., gegründet wurde. L. importierte übelste Nazi-Schriften, die in den USA gedruckt worden waren, stellte Kontakt zu einem Bombenbastler her, besorgte Sprengstoff, verteilte Bomben an junge Mitglieder der Gruppe, die sie vor Justizgebäuden explodieren ließen. Und wieder galten Linke als Täter. Zum Beweis diente dem Verfassungsschutzamt ein angeblicher Bekennerbrief, der mit der Parole geendet habe: »Solidarität mit der RAF, die antimilitaristische Front aufbauen«. Daß mit alledem die Öffentlichkeit systematisch irregeführt worden war, kam in einem Prozeß gegen die Gruppe heraus, aber nicht durch das Landesamt oder das vorgesetzte Innenministerium oder die Staatsanwaltschaft, sondern durch den Verteidiger eines Angeklagten. L. wurde zu drei Jahren Haft verurteilt. Ein vom Lande Niedersachsen bezahlter prominenter Anwalt erwirkte eine Reduzierung auf zweieinhalb Jahre. L. brauchte die Strafe aber nicht zu verbüßen: Auf Ersuchen des niedersächsischen Innenministers wurde er vom Bundespräsidenten begnadigt. Ein Verbotsverfahren gegen die NPD scheiterte, weil sich nicht klären ließ, ob für die ihr vorgeworfenen Taten nicht die Partei, sondern der Geheimdienst verantwortlich war, denn V-Leute hatten hohe Positionen in der Partei besetzt, zum Beispiel die des nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden. Auch Hans-Dieter L. war zeitweilig in der NPD aktiv gewesen. Im Zusammenhang mit dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) sind bisher schon mindestens 20 Namen von V-Leuten aufgetaucht. Anzeichen dafür, daß sie und die Beamten, von denen sie geführt und bezahlt wurden, etwa vorgehabt hätten, neonazistische Straftaten zu verhindern, wurden bisher nicht bekannt. Das große amtliche Aktenschreddern deutet auf ganz andere Interessen hin, nicht auf Aufklärung, nicht auf den Schutz der Bevölkerung vor dem Terror. In vielen Ländern sind Geheimdienste zu Akteuren des Terrors geworden – auch in den USA. Sie bespitzeln Menschen weltweit – ohne Rücksicht auf Recht und Gesetz. Sie inhaftieren Menschen für viele Jahre – ohne Prozeß. Sie foltern Menschen oder lassen foltern. Sie töten ganze Familien über tausende Kilometer hinweg. Tausendfach. All diesen Terror geben sie als Anti-Terror aus, als Reaktion auf den 11. September 2001. Allen Krieg, den sie seitdem führen, nennen sie Krieg gegen den Terror. Was an jenem Nine Eleven tatsächlich geschah, ist bis heute nicht richterlich aufgeklärt. Kein Interesse. Fünf Kubanern gelang es, in den USA ein antikubanisches Terrornetzwerk aufzudecken. Die US-Justiz hätte die Terroristen, beispielsweise den Verantwortlichen für den Abschuß eines kubanischen Passagierflugzeugs, nur noch zu belangen brauchen. Kein Interesse. Stattdessen wurden die Cuban Five wegen ihrer erfolgreichen Aufklärungsarbeit zu hohen Haftstrafen verurteilt, vier von ihnen befinden sich immer noch in Haft. Terror gegen Kuba ist – von Miami und Washington aus gesehen – guter Terror. Besonders guter Terror ist die jahrzehntelange Handelsblockade. Was stört es die Supermacht, daß die UN-Vollversammlung am 29. Oktober mit 188 gegen zwei Stimmen die US-Blockade verurteilte? Man nimmt es einfach nicht zur Kenntnis, die Medien der Milliardäre beiderseits des Atlantik schweigen darüber. Die täglichen Enthüllungen von Edward Snowden und anderen Whistleblowern bewirken jetzt doch leichte Unsicherheit im Sicherheitsapparat und können zum Beispiel den US-Botschafter oder diesen und jenen Innenminister zu ungewohnter Konzilianz veranlassen. Aber auch und gerade jetzt sollten wir uns von ihnen nicht beschwatzen und beschwindeln lassen. Halten wir uns an die Erfahrungsregel: Geheimdienste schützen nicht vor dem Terror, sie ermöglichen oder verüben ihn.
Erschienen in Ossietzky 24/2013 |
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