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Diese Präliminarien mögen aber auch dazu dienen, den verständlichen Zweifeln an der Authentizität der verlogenen, menschenverachtenden, Recht und Gesetz verleugnenden und widerwärtigen Bemerkungen zu begegnen, mit denen Merkel am 24. Oktober auf einer Pressekonferenz im Anschluß an ein Treffen des Europäischen Rates in Brüssel sichtlich beleidigt darauf reagierte, daß der US-Geheimdienst NSA ihr Mobiltelefon abgehört hatte. Die Hofberichterstatter von ARD-Tagesschau und ZDF-heute brachten nur unvollständige oder redigierte Versionen des Merkelschen Auftritts. Man muß die Kanzlerinnen-Suada zum »Handy-Skandal« (Hamburger Abendblatt) im Zusammenhang mit der Politik und den politischen Optionen der Bundesregierung und mit dem medialen Niederschlag würdigen: Merkel: »Wir sind in Afghanistan zusammen, unsere Soldaten erleben lebensbedrohliche Momente, um nicht zu sagen, sie sterben auch manchmal in den gleichen Gefechten – ähm – und – wenn man diese Dinge gemeinsam teilt, genauso wie man gemeinsame Werte teilt, dann möchte man einfach auch wissen, daß man sich nicht Sorgen machen muß, daß man Gegenstand von bestimmten Überwachungen ist, – ä – wie andere, die nichts Gutes mit diesem Wertesystem im Sinne haben. Und das ist einfach meine Befindlichkeit, und da müssen wir für die Zukunft etwas verändern. Ich habe den Eindruck, daß der amerikanische Präsident hier auch durchaus sieht, daß das notwendig ist.« Mit anderen Worten: Wenn sie schon dabei mitmacht, Verbrecherkriege zu führen, und Bundeswehrsöldner fernab der Heimat morden und krepieren läßt, möchte sie im Gegenzug frei von der Sorge sein, abgehört zu werden, belauscht gar von der NSA-Geheimdienstzentrale nebenan, in der Berliner US-Botschaft. Die von den USA und ihren Vasallen, voran die BRD, bedenkenlos geopferten Menschenleben katalogisiert Kanzlerin Merkel appellativ unter »gemeinsame Werte« und leitet daraus für sich den Schutzanspruch vor Abhöraktivitäten ab ... Merkel: »Das Allerwichtigste ist, daß wir ‘ne Basis für die Zukunft bekommen. Und so wie ich‘s heute gesagt habe, es muß wieder Vertrauen aufgebaut werden. Das impliziert ja, daß es auch Erschütterungen des Vertrauens gegeben hat. Das wird heute hier allgemein von den Mitgliedern des Europäischen Rates auch mit tiefer Besorgnis – ä – artikuliert. Aber jeder weiß, daß wir so viele gemeinsame Aufgaben in der Welt haben, daß wir auch miteinander für unsere Sicherheit verantwortlich sind ...« Gemeinsame Aufgaben in der Welt! Sicherheit vor dem Abgehört-Werden. Vertrauen wiederherstellen. Und deshalb ... »... Deshalb haben Deutschland und Frankreich den Mitgliedsstaaten einen Vorschlag unterbreitet, den wir erst einmal selber verwirklichen werden, nämlich alles daran zu setzen, daß wir bis zum Ende des Jahres ein gemeinsames Verständnis für die Kooperation der Dienste zwischen Deutschland und Amerika und Frankreich und Amerika bekommen, das heißt einen Kooperationsrahmen zwischen den jeweiligen Diensten der Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland, respektive Frankreich ...« Gemeinsames »Verständnis« für die »Kooperation« der Dienste! Darum geht es der Bundeskanzlerin. Und nicht darum, das kriminelle, zügellose Treiben der Geheimdienste in unserem Land zu unterbinden, Respekt vor dem Grundgesetz durchzusetzen und das Recht der Bundesbürger auf informationelle Selbstbestimmung zu garantieren. »Kooperation« heißt bei Angela Merkel: Sie möchte Deutschland als aktives Mitglied im Kreis der globalen Überwacher-Staaten sehen, der »Five Eyes«, wie die anglophonen Nationen USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland sinnigerweise genannt werden. Frankreich hat für sich offenbar bereits einen Zugang erwirkt. Unter dem Codenamen »Lustre« habe Paris ein sogenanntes Drittparteiabkommen mit den Fünfen geschlossen, enthüllte kürzlich der Whistleblower Edward Snowden. Paris kann demnach immerhin mitreden. Berlin hat lediglich zu liefern und muß sich zum Dank dafür von fremden Geheimdiensten begrapschen lassen. Der Freiburger Historiker Josef Foschepoth wies bereits 2012 in seinem vielbeachteten Buch »Überwachtes Deutschland« nach, daß die alliierten Siegermächte sich nach dem Zweiten Weltkrieg dauerhaft vorbehalten haben, Deutschland von ihren Geheimdiensten überwachen zu lassen. Die entsprechenden Verträge seien von allen Bundesregierungen bis in die Gegenwart hinein geheimgehalten, die Öffentlichkeit sei darüber bewußt getäuscht worden (s. Ossietzky 24/12 und 16/13). Weshalb also spielt Kanzlerin Merkel nun, da die NSA-Überwachung sie persönlich betrifft und sich das nicht mehr geheimhalten ließ, die beleidigte Leberwurst? Was wäre andererseits die angemessene politische Reaktion Berlins gewesen? Zunächst doch wohl, die Verträge über die alliierten Bespitzelungsprivilegien für null und nichtig zu erklären. Und in nachfolgenden Schritten Souveränität zu beweisen; zum Beispiel mit einem Zugriff auf die in den USA »aufbewahrten« deutschen Goldreserven, die Washington bisher vorenthält. Damit lange nicht genug. Kai-Uwe Steffens, Sprecher des »AK Vorrat«, eines bundesweiten Zusammenschlusses gegen staatliche Überwachung und Datensammelei, hat in einem Gastkommentar für die Online-Zeitschrift Telepolis lakonisch knapp zusammengefaßt: »Einbestellung der Botschafter aller ›Five-Eyes‹-Nationen. Beantragung eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens gegen das Vereinigte Königreich. Sofortige Aufkündigung des SWIFT-Abkommens zum Transfer von Bankdaten in die USA. Sofortige Aufkündigung der PNR-Abkommen zum Transfer von Fluggastdaten in die USA und nach Australien. Beendigung der ›Safe-Harbor‹-Praxis zur erleichterten Datenverarbeitung in den USA. Aussetzen der Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen TFTP. Abtrennen aller Militär- und Geheimdienststützpunkte der ›Five-Eyes‹-Nationen in Deutschland von den Kommunikationsnetzen. Androhung der Schließung der Standorte samt zeitnaher Ausweisung des für den Abbau nicht benötigten Personals. Vorlage eines völkerrechtlich verbindlichen UN-Abkommens, daß Geheimdiensten das Infiltrieren, Manipulieren und Anzapfen von Kommunikationsnetzen von Drittstaaten verbietet. Vorlage eines völkerrechtlich verbindlichen UN-Abkommens, das Whistleblowern, die Verletzungen von völkerrechtlich verbindlichen UN-Abkommen aufdecken, in allen UN-Staaten Asylrecht garantiert. Vorlage eines völkerrechtlich verbindlichen UN-Abkommens, daß jedem Menschen den grundsätzlichen Schutz seines Menschenrechts auf Privatheit gegenüber allen staatlichen und privaten Instanzen in allen Staaten, samt Klage- und Auskunftsrecht, garantiert.« (Kai-Uwe Steffens: »Umfassende Überwachung raubt der Weltbevölkerung ihr Recht auf Privatheit«, www.heise.de/tp/artikel/40/40166/1.html) Steffens reklamiert keine Vollständigkeit für seinen Maßnahmenkatalog. Es wären auch Verschärfungen darin und weitere Aktionen denkbar. Entsprechend couragiertes und selbstbewußtes politisches Handeln bewiese Souveränität. Das Kabinett Merkel ist jedoch weder souverän, noch willens und fähig, sich dahin zu entwickeln. Vielmehr verheimlichen unsere Berliner Chargen, daß sie den Bundesnachrichtendienst sogar Drecksarbeit für die Amis verrichten lassen. Die New York Times berichtete, der BND habe die USA dabei unterstützt, mit der Cyberwaffe »Stuxnet«, einem Virenprogramm, die elektronische Steuerung der iranischen nuklearen Anreicherungsanlangen zu sabotieren. Amerikanisch-deutsche Komplizenschaft in völkerrechtswidrigen, verbrecherischen Geheimdienstkriegen. Was Merkel als Aufnahme von Vertragsverhandlungen über den Schutz vor Spionage-Auswüchsen preist, ist in Wahrheit nur deutsche Buhlerei um die Gunst der Aufnahme in den Kreis der Five-Eyes-Spione. Die New York Times berichtete am 24. Oktober: »... Deutschland hat früher schon auf ein Abkommen gedrängt – gleich der Übereinkunft, die die Vereinigten Staaten mit Großbritannien und drei weiteren englischsprachigen Verbündeten haben.« Daß die Mitglieder dieses illustren Zirkels auch engste Verbündete bespitzeln und die USA sich dabei eines ganz besonderen externen Komplizen zu bedienen scheinen, machte die französische Zeitung Le Monde öffentlich: Für einen Hacker-Angriff auf den Elysee-Palast, hinter dem die Franzosen zunächst die NSA vermutet hatten, seien die Vereinigten Staaten, ausweislich der Snowden-Dokumente, nicht verantwortlich. Die NSA habe sogar bei ihren »Partnern« in Kanada und England nachgefragt, aber die hätten da ebenfalls nichts gefingert. Die NSA habe allerdings, berichtet Le Monde unter Bezug auf Snowdens Material, die israelischen Geheimdienste Mossad und ISNU »bewußt« nicht gefragt. Washington läßt demnach seine NSA-Trampel zwar durch die deutschen Gemüsebeete latschen, für Frankreichs vermintes Gelände aber bedient man sich lieber der wesentlich gewiefteren Israelis und gibt sich unschuldig ... Selbstverständlich richtet sich das geheimdienstliche Interesse der US-Amerikaner nicht nur auf die politischen Vorgänge und Akteure Europas, sondern auch auf die Wirtschaft Deutschlands, des Exportweltmeisters und drittgrößten Rüstungslieferanten weltweit. Und selbstverständlich sammelt die NSA ein, was sie kriegen kann. Selbstverständlich auch wissen Verfassungsschutz, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der BND und »Dienste«-Aufseher Kanzleramtsminister Ronald Pofalla Bescheid. Die flächendeckende Schnüffelei wird fallweise von deutschen Stellen sogar unterstützt. Selbstverständlich war und ist die Kanzlerin informiert. Zum Schutz unserer Grundrechte auf Privatheit und Datensicherheit hat Merkel bisher keinen Finger krumm gemacht. Es reiht sich eine Widerwärtigkeit an die andere. Und es häuft sich im Netz das Max-Liebermann-Zitat: »Ick kann jar nich soville fressen, wie ick kotzen möchte.« Quellen für Zitate Angela Merkels: www.t-online.de/nachrichten/videos/id_66178522/merkel-und-hollande-wollen-spionage-abkommen.html und
Erschienen in Ossietzky 23/2013 |
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