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Waren zu Zeiten des Kalten Krieges und bis in die 1990er Jahre bei den Bewerbern neben technischen Grundfertigkeiten im weitesten Sinne noch sogenannte softskills im Bereich multikultureller oder sozialer Empathie gefragt, Sprachfertigkeiten oder verwertbare Persönlichkeitseigenschaften wie Kontaktfreudigkeit und Ausgeglichenheit, hat sich im Zeitalter der joystickgeführten Erstschläge und asymmetrischen Kriegsführungen die Nachfrage an Computerspezialisten jeglicher Art in nur 15 Jahren potenziert: Programmierer, Softwareentwickler, Systemanalytiker, Hacker, Webdesigner oder Programmiersprachexperten – willkommen im Bereich der Dienste, die mit Festverträgen und überdurchschnittlichen Verdienstmöglichkeiten locken. »It´s the IT-guy, stupid«, heißt es in Langley´s CIA-Kantine, wann immer sich ein in die Jahre gekommener Analytiker über ausbleibende Karrierechancen wundert. »Der Systemadministrator hat das Sagen, Dummerchen.« Dabei sieht die Jobsituation in den USA für junge und gut ausgebildete Menschen, die hinsichtlich geheimdienstlicher Berufsplanungen eher weniger Berührungsängste haben, viel besser aus als etwa in der Bundesrepublik mit ihren gerade einmal drei Diensten BND, Verfassungsschutz und MAD. Ganze 16 (in Worten: sechzehn) offizielle US-Geheimdienste operieren im Auftrage der jeweiligen Administration in den Vereinigten Staaten und weltweit. Ganz gleich, ob die NSA auf kleinen Atlantikinseln wie Asunción wirtschaftlich und militärisch relevante Daten etwa aus dem eigentlich zu den politischen Partnern gezählten Brasilien speichert oder aber ob deren Abhörspezialisten in New York die Mobiltelefone von Delegierten der UNO-Konferenzen abhören: Es sind ja nicht nur strategisch orientierte Dienste wie NSA oder CIA, die miteinander oder parallel an der Datenbeschaffungsfront arbeiten. Jede US-amerikanische Waffengattung, die Küstenwache inklusive, hat ihren eigenen Dienst, wie eben auch das Außen-, Innen,- Energie- oder Finanzministerium. Dies alles noch ohne Erwähnung der privaten Geheimdienste wie STRATFOR, Kroll, Booz Allen Hamilton oder GK-SIERRA. Ohne die Think Tanks, Stiftungen, Meinungsforschungsinstitute oder Hochschulabteilungen zu berücksichtigen, die, mehr schlecht als recht getarnt, als Subunternehmer für die sechzehn offiziellen Geheimdienste oder wen auch immer tätig sind. Ganze 1,2 Millionen US-Amerikaner haben Zugang zu geheimen und geheimsten Verschlußsachen, ganze 36 Prozent von ihnen arbeiten bereits im privaten Dienstsektor. Für einen dieser privaten »Anbieter«, Booz Allen Hamilton, war auch Edward Snowden tätig, hatte dort Administratorrechte, die weit über dem lagen, was man als »restricted area access« bezeichnen würde. Snowdens Enthüllungen sind nicht nur quantitativer Art – etwa, wie viele Nationen, Institutionen, Firmen oder Individuen mit wie vielen Bytes täglich ausgeforscht werden. Sie sind vor allem auch qualitativer Natur. Denn das Outsourcing von Aufträgen behördlicher US-Geheimdienste an private »Dienstleister« und die damit verbundenen Strukturschwächen und Risiken für Erstere – dafür steht der Name Edward Snowden zuvörderst. Ähnlich wie im internationalen Bankgewerbe, wo nicht einmal dreißigjährige Broker über Nacht ganze Milliarden verbrennen und ihre Arbeitgeber bankrott gehen lassen, so hatte auch der 29jährige Geheimdienstmann Zugriffsrechte auf sensibelste Informationsbereiche, die seine eigenen Vorgesetzten im internen Sicherheitscheck gar nicht mehr zu reflektieren schienen. Die Ausdifferenzierung von Geheimdienstabteilungen, die massive Auftragsvergabe an Dritte, das Konkurrenzverhalten der Dienste untereinander – dies alles gerät in den Vereinigten Staaten eher zu einem Potpourri geheimdienstlicher Willkürlichkeit als zu einem ergebnisorientierten Arbeiten. Und während sich bundesdeutsche Nachrichtendienste durch zeitlich begrenzte Informationsabgabeverpflichtungen wie dem »Projekt 6« zu Filialen des US-geheimdienstlichen Gerangels um Informationen degradieren, saugen NSA und Co. weltweit immer größere Datenmengen ab. Die dabei von der Obama-Administration apostrophierte Absicht, die nationalen Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten zu verteidigen, gerät so zu einer gnadenlosen Priorisierung von finanzwirtschaftlichen Interessen vor internationalem Ausgleich. Wenn also reguläre geheimdienstliche Abläufe auch Industriespionage, Marktmanipulationen, gezielte Tötungen von eigenen oder fremden Staatsbürgern oder eben massive Verletzungen von Datenschutzrechten umfassen, wäre dies nach allen international üblichen Strafprozeßordnungen zu ahnden. Snowdens Enthüllungen zeigen neben dem in den US-Nachrichtendiensten virulenten Zynismus, dies alles zu wissen und sich dennoch keinen Deut um Konsequenzen zu scheren, auch die ganz normale Krux marktwirtschaftlicher Zwänge: Wenn sich die Chefs der einzelnen Dienste zur Berichterstattung und Rechenschaftslegung im National Security Council (Nationalen Sicherheitsrat) treffen, buhlt man bei der Obama-Administration auch indirekt um die Gewährung von Etatzuschüssen, um die Bewilligung von Projektgeldern und eben um die Möglichkeit, mehr Mitarbeiter – feste oder freie – anzuwerben. Es geht dann schlicht und ergreifend um Marktanteile im nachrichtendienstlichen Sektor und die Schaffung oder Vernichtung von Arbeitsplätzen. Personifizierte »Pannen« wie Edward Snowden werden bei diesem behördlichen Kampf um Einfluß zwangsläufig in Kauf zu nehmen sein. Und es ist genau dieses ungewollte Regulativ des Geheimnisverrates, das auch in Zukunft nachrichtendienstliche Vergehen oder gar Verbrechen offenbar werden läßt. Der Preis, den Renegaten wie Bradley Manning oder Edward Snowden dafür zu zahlen haben, wird wohl immer ein hoher sein. Doch abschrecken wird dies auch in Zukunft niemanden, der sich zum Whistleblowing entschließt.
Erschienen in Ossietzky 22/2013 |
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