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Im Ballhaus Naunynstraße »I love I«, was so viel heißen kann wie »Israel loves Iran« oder »Iran loves Israel« – Facebook-Kommunikation auf die Bühne gebracht. Das uraufgeführte Stück ist von Modjgan Hashemian, dargestellt wird es von vier Tänzern, je zwei Israelis und zwei Iraner. Man nähert sich den anderen mit gestischen Zeichen der Zuneigung, zum Beispiel Sich-Selbst-Küssen, mit Händeklatschen und Streicheln. Doch anstatt einfache Geschichten zu erzählen, versucht man große Politik-Rhetorik, und das bringt nicht viel, am Ende verpufft der schöne Eingangsgedanke des Verstehenwollens, des Aufeinanderzugehens. Ein anderer Naunyn-Abend heißt »Fahrräder könnten eine Rolle spielen« von Marianna Salzmann und Deniz Utlu in der Inszenierung von Lukas Langhoff und Justus Saretz, ein Entwurf gegen alltäglichen Rassismus. Ebenfalls in Kreuzberg liegt das TAK (Theater Aufbau Kreuzberg). Dort arbeitete man im vergangenen Herbst in drei Workshops, genannt »Spring Lessons«, an einem Stück über die arabischen Protestbewegungen – manchmal auch irreführend Revolution genannt; zum Hauptthema ist der Lage entsprechend der schwer verständliche Bürgerkrieg im vielstämmig-zerrissenen Syrien geworden. In den Workshops sollten Teilnehmer (vor allem junge Leute) Erlebnisse und Erinnerungen aufzeichnen, aus denen anschließend Szenen und vor allem Lieder entstanden. Das indes unfertige syrische Stück stammt von Sadalah Wannus, einem 1997 an Krebs verstorbenem Autor; die Workshops leitete der Ägypter Salam Yousry, der zur Uraufführung gekommene dramatische Text heißt »Zeichen, Rituale, Veränderungen«; inszeniert hatten Abdelrahman El Sayaad und Moritz Pankok, Leiter des TAK. Auf der Bühne unter anderen Christian Arndt Sanchez (Wannus, Mufti) und Julius F. Brauer als Chefarzt und Polizeichef. Zu sehen ist zunächst eine Familienhistorie: Eine unterdrückte Frau (Mu’mina) scheidet aus einer elenden Ehe aus und wird Prostituierte, durchaus ein Doppelangriff gegen die zwei Seiten arabischer Männlichkeit und ihres Frauenbildes. Schaut man genauer hin, bietet es mehr an Realismus, bietet Assoziations- und Reflexionsmöglichkeiten auch hierzulande. So gesehen, kann man der Produktion zustimmen. Es ist so nötig, zu bitterem Zeitgeschehen Stellung zu nehmen, und zugleich zeigen viele dieser Versuche, wie schwer es ist, für neue Stoffe einer sich ständig radikal verändernden Realität auch Formen zu finden, sie abbilden zu können. Immerhin schimmert die Brüchigkeit jener Umbrüche, ihre ideelle wie politische Unklarheit auch in diesem Stück durch, was sich im darstellenden Spiel durchaus niederschlägt. Dennoch: eine der besten Produktionen dieser Szene. Wer kennt den Begriff »Expat«? Ich kannte ihn zunächst nicht, erst seit einiger Zeit. Man nennt so Zuwanderer, die nicht aus politischen oder auch extrem schlechten wirtschaftlich-sozialen Bedingungen emigriert sind, sondern um sich beruflich zu profilieren, aus bloßem Interesse oder auch aus Spaß, oft aber auch von Unternehmen auf Zeit in eine ausländische Filiale entsandt sind. Im English Theatre Berlin arbeiten Künstler aus Tschechien, Portugal, Rußland oder auch Israel, der Künstlerische Direktor ist US-Amerikaner, der auch am Broadway Theater gemacht hat und als Übersetzer arbeitet. Dieses Theater hatte einmal eine echte Funktion: der englischen Sprache in Berlin eine Bühne zu geben, mehr zu bieten als Schule und Universität leisten können. Das hat wohl auch zeitweise funktioniert, und von mir seinerzeit wahrgenommene Vorstellungen mit Stücken von O’Neill, Bond, Saunders und Pinter hatten durchaus einen gewissen Standard. Doch die Pionierfunktion wollen zuständige Senatsstellen diesem Haus und seinem Ensemble nach 2013 nicht mehr zugestehen, die Subventionen (100.000 Euro Basisförderung) sollen gestrichen werden. Das wäre sein Ende. Das Theater sucht nun nach Sponsoren, will auf die neue Internationalität zielen, aber was ist das? Zumal das spielerische Niveau nachgelassen hat. Das verriet die »Poetry Night« durchaus; was Alistair Noon las, konnte an Früheres nicht anknüpfen. Andererseits: Kann sich eine Weltstadt den Untergang eines Theaters in einer Weltsprache leisten? Noch sollte das letzte Wort nicht gesprochen sein – wir wünschen Daniel Brunet und seinen Künstlern Hals- und Beinbruch – toi, toi, toi! Fröhlicher ging es im alten Admiralspalast in der Friedrichstraße zu, als er zum Irish Pub wurde – hier hieß er »Irish Celtic«, und es wurde getanzt, eben auf uralte keltisch-irische Weise und erzählt: Stories, Dramen – zwischen Mythos und Geschichte. Die Musik machte eine originale Band mit Akkordeon, Fiedel und vor allem Dudelsack – Toby Gough war der Musikchef und Michael Flatleys einer der guten Tänzer – unvergeßlich sein Riverdance. Pub wie eine Kirche, doch eben lustig!
Erschienen in Ossietzky 20/2013 |
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