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Angekündigt: eine »begehbare Ausstellung im ganzen Theater«. Das Info-Blatt mit Skizze ist nötig, doch es verwirrt noch mehr. Das Eingangsfoyer, durch Blaulicht nur spärlich erleuchtet, der »Generator-Raum«, mit viel Silberfolie ausgestattet. Worum geht es? Um den unaufhörlichen Nachrichtenstrom, der auf uns einprasselt, dem wir täglich ausgesetzt sind. Dieser »Nachrichtenstrom« wird durch Muskelkraft – auf dem Trimmrad – in Gang gehalten. Hier ist alles in Bilder umgesetzt. Fernsehschirme, die übermalt werden: »Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt« – auch mit bunter Knete. Der Raum hinter der Bühne wird zum »Transformator-Raum« mit vielen Stationen. Zwei Kameras, die sich belauern: »I to I« – was ist noch privat, was öffentlich? Der Thalia-Teeraum ist zum »Theorie-Raum« umgewandelt. Alles nur virtuell, Philosophen, Schriftsteller, Verschwörungsexperten. Das macht müde. Im Oberrang gibt es den »Raum zum Entsinnen« oder weiter unten den »Dream-Stream«-Raum. Dort soll geträumt werden. Die Träume können später in die Wirklichkeitsmaschine eingegeben werden. In einer altmodischen Telefonzelle sitzt einer und ruft Menschen an, mit dem Handy, will die Energie aus dem Freiraum Theater in die Wohnungen übermitteln. Am meisten geschieht im Mittelrangfoyer, der »Schalt-Zentrale«, Hier wird getalkt. Aktuelle Meldungen: »Hochwasser in Mexiko« liegen als Zettel am Boden, es wird darauf getanzt, alles niedergewalzt. Wie absurd und weit weg von uns, denke ich (ein paar Tage später wird das ganze Ausmaß sichtbar). Nachrichten sollten wie eine Liturgie vorgetragen werden, heißt es. Und das müßte man alles aushalten, wie im echten Leben. »Gibt es Alternativen zur Wahrheit?« fragt der Nachrichtensprecher. Eine Dame der Zeugen Jehovas stört immer wieder mit ihrem Gott, der alles sieht und alles hört. Ein Chor der Kommunarden singt nach der Melodie des Gefangenenchors aus »Nabucco«: »Oh Diktator ...« Nachrichten aus Syrien. »Wir gehen Schurken und Schlächtern an den Kragen.« Von Giftgas und Assad ist zu hören und die Beruhigung: »Wir haben die besseren Waffensysteme.« Sehr irritierend, das Ineinandergreifen der Szenen, die simultanen Schauplätze, das Umsetzen in Bilder. Was ist real, was wahr? Nicht nur im Theater eine Frage. Eine Erholung dann: das Einnehmen der Plätze im Parkett. Schauspieler agieren auf der Bühne und auf der Video-Leinwand. Hier geht die Medienwirklichkeit weiter: vom Stinkefinger Steinbrücks über die Rückrufaktion »Glassplitter im Grießbrei für Kleinkinder« bis zur Problemserie bei Bundeswehrhubschraubern. Ein kleiner Spielzeug-Helikopter fliegt über die Bühne hinweg – oder ist es eine Mini-Drohne? Die Schauspieler hoffen, daß alles Schreckliche »nur virtuell« ist und draußen bleibt, sagen sie. In diesem Stück sind für sie keine Rollen vorgesehen. Die Wirklichkeitsmaschine wird gefüttert mit Zeitungsmeldungen und Politikerreden. Die Maschine, sie lief bald von selbst, produziert Wirklichkeit. Bilder und Metaphern, die im Kopf entstehen, die Angst erzeugen. Auf der Bühne eine Meute von Hunden, vor denen die Schauspieler zurückweichen. Irgendwann löst sich die Wirklichkeit auf, wird immer unkenntlicher. Übrig bleibt ein »Strom von Lügen« und ein »Heer von Zombies, die diese Lügen reproduzierten«. Auf der Video-Leinwand: ein brennender Bus oder Lastwagen, oben ein Flugzeug. Die Schauspieler liegen am Boden. Dunkel. Im Kopf flammt Kundus auf. Gesang aus den Kindertotenliedern von Gustav Mahler: »Ich bin gestorben im Weltgetümmel.« Die Musik – abgebrochen. Die Bilder haben sich verselbständigt. Die Zombies, die Untoten, ernähren sich von Menschenfleisch. Von Toten. Sie geben zu, nach Leichen zu gieren, nach Getöteten, Verletzten. Die Zombie-Schauspieler: »Wir konnten nicht mehr genug kriegen vom Unglück der anderen.« Und außerdem: »Alle taten es ...« Aus der Zukunft heraus berichtet, gebeichtet: »Alles wurde eingeworfen wie Fastfood. Nur richtig satt wurden wir nicht mehr.« Die Nachrichtenwelt schien zum Disneyland mutiert zu sein. Aus den bedrohlichen Hunden war ein albernes Hundeballett geworden, ein Musical. Die Kommune-Mitglieder, vorher in hellen Arbeitsanzügen, traten nun im silbernen Glitzerwams auf, wie Gralsritter, die in der Luft herumfliegen können. Alles wird gut? »Erkenntnis und Handeln, die schließen sich aus«, sagt Barbara Nüsse von der Leinwand herab. Also, es ist alles die Wahrheit. »To be continued« – der bittere letzte Satz.
Erschienen in Ossietzky 20/2013 |
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