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Mit der etwas einstudiert wirkenden Nonchalance eines fränkischen Grandseigneurs, der sich nun im intellektuellen Milieu neuenglischer Politikwissenschaft von Rhode Island behaupten muß, erklärte er den Interviewpartnern, was von seiner deutschen Heimat auf dem internationalen Verhandlungsparkett zu halten sei. Nämlich nichts. Deutschlands Kurs in der Syrienfrage sei geprägt von einer allgemeinen »Kultur des Unwillens« gegen militärische Maßnahmen. Und überhaupt sei Deutschland ein »außenpolitischer Zwerg«, nicht fähig also, neben seiner Rolle als bedeutende Wirtschaftsmacht auch gerade im diplomatischen Weltenlauf ähnliche Geltung zu erlangen. Nun ja. Den deutschen Drang nach mehr Anerkennung hat die Welt genau zweimal genossen: Als Kaiser Wilhelm II. sich von der Bismarckschen Bündnispolitik verabschiedete und sein Kaiserreich zum Hauptverursacher des Ersten Weltkrieges avancierte. Und später, als Hindenburgs Machtgeschenk an Hitler diesem und seinen Deutschen die Freiheit gab, die bislang furchtbarsten Verbrechen an der Menschheit zu begehen – als parallele Handlungsstränge zu seinen Angriffs- und Vernichtungskriegen sozusagen. »Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet«: Dieses Diktum des nazitreuen Staatsrechtlers Carl Schmitt hat – bei Lichte besehen – für die deutsche Gegenwart auch heute noch Bestand. Denn wenn zu Guttenberg von Deutschland mehr militärisches und außenpolitisches Engagement einfordert, so tut er dies, weil er den Souveränitätsbegriff im deutschen Kontext des 20. Jahrhunderts fehldeutet. Der Kalte Krieg hatte für das geteilte Deutschland den Vorteil, daß die im Kaiser- und im »Dritten« Reich zur Selbstvernichtung Deutschlands führende Souveränität durch einen Bündniszwang mit dem jeweiligen Alliierten ersetzt wurde – was zumindest in Westdeutschland zu einer längeren Periode der Demokratisierung führte – wenn auch von den Siegermächten bewirkt. Adenauers antithetisches Motto vom Souveränitätsgewinn durch Souveränitätsverlust war die gedankliche Konsequenz der Tatsache, daß die Welt mit einem allzu souveränen Deutschland die denkbar schlechtesten Erfahrungen hatte machen müssen. Wenn Jürgen Habermas konstatierte, die vierzigjährige Dauer der alten Bundesrepublik sei in der deutschen Neuzeit die bislang friedlichste und fruchtbarste Phase gewesen, so hat auch dies etwas damit zu tun, daß Deutschland ohne kriegerische Einbeziehung und weltpolitische Aspirationen – trotz NATO-Mitgliedschaft und westeuropäischer Bündnisverpflichtungen – zwar sicher nicht souveräner, dafür aber für den Rest der Welt außenpolitisch berechenbarer geworden war. Die militärische und außenpolitische Souveränität der DDR bedarf hier keiner Erwähnung – es gab sie – dank des sowjetischen Waffen- und Klassenbruders – de facto nicht. Doch hat diese fehlende Souveränität letztlich jemandem geschadet? Haben Bundesrepublik und DDR durch ihre bündnisbezogene Entmachtung jemals Schaden anrichten können, haben sie jemals auch nur einen gefallenen Soldaten beklagen müssen? Oder den Tod von Zivilisten fremder Staaten durch eigenes Kriegshandeln verschuldet? Nein. Das hatte erst ein Ende, als das vereinte Deutschland sich im jugoslawischen Bürgerkrieg – damals noch als KFOR-Mitglied – ganz so positionierte – wie zu Guttenberg dies heute für Syrien wieder wünscht. Und gänzlich aus war es mit dem deutschen Frieden dann am Hindukusch. Deutsche Soldaten werden seither getötet, und afghanische Zivilisten von deutschen Soldaten ebenso. Das ist das fragwürdige Engagement im Militärischen, das der Ex-Minister auf weitere Orte dieser Welt zu übertragen wünscht. Seine Idee von deutscher Souveränität jedoch ist ein Gebilde, das es niemals gab. Wenn Deutschlands Souveränität darin besteht, sich an Kriegen zu beteiligen oder diese gar zu initiieren, dann gefährdet es sich selbst und andere. Denn eine eigene Souveränität, jeglichem Kriege zu entsagen, die hat es in Deutschland nie gegeben. Es gab entweder zu viel oder aber viel zu wenig souveräne Willensbildung. Wobei ein Zuwenig zumeist förderlicher war. Niemand will zu Guttenberg ernsthaft unterstellen, er sei ein Kriegstreiber. Seine postromantische Vision eines deutschen Staates jedoch, der als weltpolitischer Militär und Diplomat zu den USA oder Rußland aufschließen könne, ist schlichtweg Ergebnis seiner geschichtlichen Fehleinschätzung. Die Souveränität der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik hat mit einer wachsenden Teilhabe an militärischen Auseinandersetzungen nicht das Geringste zu tun. Viel jedoch mit dem genauen Gegenteil.
Erschienen in Ossietzky 20/2013 |
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