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Vor fünf Jahren hat Obama als Präsidentschaftskandidat für den Fall seiner Wahl die Schließung des Lagers Guantanamo angekündigt, wo entgegen allem nationalen und internationalen Recht Menschen verschiedener Nationen gefangengehalten werden, die von keinem Gericht verurteilt sind. Er hat dieses Versprechen nicht erfüllt. Für mich ist er deswegen schon lange nicht mehr glaubwürdig. Er nimmt sich heraus, mit Drohnen Menschen in fremden Ländern heimtückisch, grausam zu ermorden – Menschen, denen niemals eine Straftat nachgewiesen worden ist und die auch nie die Möglichkeit hatten, sich zu Obamas Beschuldigungen zu äußern. Er hat in Libyen und jetzt in Syrien – entgegen allem Völkerrecht – Bevölkerungsgruppen zur Gewalt gegen die Regierungen angestachelt und aufgerüstet, und jetzt bedroht er Syrien wie vorher Libyen mit Bombardements. Schon die Drohung mit Gewalt ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Er weigert sich, die von ihm erhobenen Vorwürfe gegen Regierungen anderer Länder auf dem Verhandlungs- oder dem Rechtsweg klären zu lassen. Den Internationalen Gerichtshof und den Internationalen Strafgerichtshof läßt er links liegen. Er erlaubt seinen Geheimdiensten, weltweit Bürger, Firmen, Staaten und auch die UNO auszuspionieren. Damit verletzt er die demokratischen Grundrechte der Bürger wie auch die Souveränität der Völker. Über Mahnungen des UNO-Generalsekretärs und des Papstes, der Arabischen Liga und der Mehrheit der US-Bürger setzt er sich hinweg – er könnte sonst sein Gesicht verlieren. Welches Gesicht? Welche Maske? Spielt er den omnipotenten Hollywood-Weltkrieger, der niemals aufgeben darf? Muß er diese Rolle immer weiterspielen, muß er immer mehr zerschlagen? Das ist es offenkundig, was die Meute von ihm verlangt: daß er weltweit das Recht des Stärkeren durchsetzt. Irgendwann wird er zu schwach für diese Rolle sein. Wieviel Unheil wird er bis dahin noch anrichten? Eckart Spoo Es hitlert und hitlertDer Außenminister der USA ist ein unermüdlicher Kriegstrommler, was ihm Anstrengungen abfordert, denn bei der Bevölkerung seines Landes ist die »Vergeltungsmaßnahme« gegen Syrien, wie sie nun regierungsamtlich heißt, nicht gerade beliebt. Da hilft nur Dröhnen, meint John Kerry und sagt: »Assad gehört auf dieselbe Liste wie Adolf Hitler und Saddam Hussein. Alle setzen chemische Kampfstoffe gegen die eigene Bevölkerung ein.« Was die Aufreihung von Wiedergeburten Hitlers angeht, hat John Kerry diesmal Muammar al-Gaddafi vergessen. Aus dem Gedächtnis geraten ist ihm auch, daß der irakische Machthaber sich beim Einsatz von Chemiewaffen zeitweilig des Wohlwollens der US-Regierung erfreute. Auch war ihm offenbar der Vorname des syrischen Potentaten nicht erinnerlich, obwohl er doch mit diesem vor einiger Zeit noch munter getafelt hat. Daß die USA selbst sich chemischer Kampfstoffe fleißig bedient haben, läßt John Kerry unerwähnt. Freilich, in Vietnam war nicht »eigene Bevölkerung« im Visier, da ging es also nicht hitlerisch zu. Was die kriegsbegründende Nutzung der hitlerstaatlichen Verbrechen angeht, ist John Kerry nicht originell. Die hat seinerzeit, weitaus zupackender in der Ausdrucksweise, schon ein deutscher Außenminister vorgenommen. Peter Söhren »Krieg beginnt hier«Unter diesem Titel hat das Komitee für Grundrechte und Demokratie eine Übersicht »Zur Militarisierung der Bundesrepublik nach Außen und Innen« herausgebracht, auf 44 Seiten im Kleinformat. Das Heft enthält die wichtigsten Informationen darüber, wie in den vergangenen Jahren das Friedensgebot des Grundgesetzes systematisch gebrochen wurde; es fordert dazu auf, den Militärstaat zu delegitimieren. Zur Weiterverbreitung an MitbürgerInnen, die der »Enttabuisierung des Militärischen« mit Unbehagen gegenüberstehen, ist diese handliche Publikation sehr geeignet, sie kann mit »Mengenrabatt« bezogen werden über: info@grundrechtekomitee.de. A. K. EngelsbotschaftGanzseitig kam die Bundeskanzlerin in einem Interview zu Wort, das die FAZ mit ihr geführt hat. Braucht sie überhaupt noch derlei Werbung für sich? Das Vertrauen der großen Mehrheit des Wahlvolkes ist ihr gewiß; wir leben in unsicheren Zeiten, da ist es angenehm, eine Frau an der politischen Spitze zu haben, die nicht nervös wirkt, der man den Glauben zuwenden kann, sie habe irgendwie für alle Notlagen eine Lösung. Allerdings liegt bei einer Wahl in einem solchen Image auch ein kleines Risiko: Möglicherweise sind zur CDU geneigte Wahlberechtigte dank Angela so beruhigt, daß sie am 22. September gar nicht erst an der Wahl teilnehmen. Das wäre fatal für die Kanzlerin. Also verkündet sie per FAZ: »Es wird sehr, sehr knapp ...« Ansonsten aber sind ihre Botschaften engelsgleich und gut fürs Gemüt. Zugriffe auf die informationelle Privatsphäre, »Big Brother«? »Freiheit und Sicherheit stehen seit jeher in einem gewissen Konflikt miteinander«, sagt Angela. Auf die »Verhältnismäßigkeit« komme es bei den Eingriffen an, und darauf achte sie schon. Die finanzielle Krise im Euroland? Die ist zu lösen, durch »Solidarität und Eigenverantwortung«. Wie im Konkreten, sagt Angela nicht, das können wir ihr überlassen, dafür ist sie ja Kanzlerin. Und so genau läßt sich zukünftige Politik auch noch gar nicht beschreiben, denn: »Es gibt immer wieder Situationen und Ereignisse, die alles auf den Prüfstand stellen.« Und zum Prüfen sowie Bewerten von unerwarteten Problemen haben wir Angela. Mit wem will die Kanzlerin koalitionär regieren? Am liebsten mit der FDP, aber ein Bündnis mit der SPD schließe sie nicht aus. Die Grünen erwähnt sie nicht, also kann sie gegebenenfalls darauf verweisen, ausgeschlossen habe sie auch diese Koalition nicht. So können alle zufrieden sein, niemand muß sich politisch den eigenen Kopf zerbrechen, HABEMUS ANGELAM. Nur die Stimme muß man dem Engel geben, sonst besteht die Gefahr, daß er sich verflüchtigt. Wer den Religionsunterricht besucht hat, weiß: Solch ein Wesen ist physikalisch nicht dingfest zu machen. Marja Winken Wieder WendezeitDie Wochenzeitung Junge Freiheit, neurechtes Zentralorgan, jubiliert. »Es ist Wendezeit« schreibt ihr Chefredakteur Dieter Stein auf der Titelseite, die in das Thema der Ausgabe einführt: »Wen können wir wählen?« Die Frage ist rhetorisch, denn Stein weiß einen »Senkrechtstarter der politischen Szene« zu nennen, der nicht »gesellschaftliche Außenseiter«, sondern »Teile des deutschen Mittelstandes und der Intelligenz« um sich sammele, ganz »bürgerlich«: Die »Alternative für Deutschland«. Endlich eine Partei, deren Erfolg nicht durch runengeschmückte Dumpfbacken behindert wird ... Und so kommt Hoffnung auf, daß sich WählerInnen gewinnen lassen für das Wendevorhaben der Jungen Freiheit: Keine »Kapitulation vor dem linken Zeitgeist« mehr! Den Kapitulanten werden Merkel, Schäuble, Westerwelle und Co. zugerechnet. Ein SPD-Mitglied aber hat, folgt man der Jungen Freiheit, nicht kapituliert: Sarrazin. Der will Deutschland nicht abschaffen. Und hat, was Stein in optimistische Stimmung versetzt, seinen »Alarmruf 1,5 Millionen mal verkauft«. M. W. RenovierungsarbeitenDas Valle de los Caídos heißt mit vollem Namen »Monumento Nacional de Santa Cruz del Valle de los Caídos« – übersetzt »Nationalmonument des Heiligen Kreuzes im Tal der Gefallenen«. Es liegt rund 50 Kilometer von Madrid entfernt in Zentralspanien. Hier befinden sich auch die Gräber des Diktators Francisco Franco und des Gründers der faschistischen Bewegung Falange Española, José Antonio Primo de Rivera. Der Bau wurde auf Francos Anordnung kurz nach dem Ende des Bürgerkrieges in den 1940er Jahren begonnen. Zu den Bauarbeiten zwang der Sieger 20.000 Menschen: neben Soldaten der Republikanischen Armee vor allem politische Gefangene – Kommunisten, Sozialisten, Gewerkschafter und Liberale. Es war eine mörderische Arbeit, die zahlreiche Leben kostete. Das Monument in der Sierra de Guadarrama zählt zu den bedeutendsten architektonischen Symbolen der Verherrlichung der Franco-Diktatur. Bis heute nutzt die spanische Rechte die Anlage, um hier im November Primo de Riveras und Francos anläßlich ihrer Todestage zu gedenken. Jeden Sonntag wird von hier aus, in Sichtweite von Francos Grab, um zehn Uhr eine Messe gelesen, die landesweit live in Funk und Fernsehen verbreitet wird. Die Anlage, in der auch die Gebeine von etwa 30.000 gefallenen Franco-Kriegern und einigen Republikanern liegen, ist nun in die Jahre gekommen. Fassade und Kreuz müssen renoviert werden. Für die Arbeiten hat die Regierung unter Ministerpräsident Rajoy (Partido Popular) 286.845,45 Euro genehmigt. So bleibt das Valle de los Caídos auch in der spanischen Wirtschaftskrise weiterhin erhalten. Karl-H. Walloch Es reicht! Begehrt auf!Nein, kein Zufall: Auch mit Blick auf die Landtagswahlen in Bayern und Hessen sowie auf die Bundestagswahl veröffentlichen die Liedermacher Konstantin Wecker und Prinz Chaos II. am 15. September ihren »Aufruf zur Revolte« als kostenloses E-Book im Gütersloher Verlagshaus. Doch Anlässe wie Intentionen dieser »Polemik«, wie der Untertitel der Kampfschrift lautet, reichen weit über diese Termine hinaus. Es geht um Darstellung der Weltzustände und um die Frage, was dem entgegenzusetzen ist. Es war im März dieses Jahres, als sich die beiden Künstler nach einem gemeinsamen Konzert zu dem Aufruf entschlossen. Noch beglückt vom Publikumsecho, gestanden sich die Sänger »in einer denkwürdigen, coming-out-artigen Situation«, daß ihre »Intuition immer lauter Alarm« zu schlagen beginnt. Die Autoren wörtlich: »… wenn man alle Faktoren zusammenrechnet, die ökologische Situation, die wirtschaftliche Lage, den gigantischen, präventiv ausgebauten Repressionsapparat und auch, ja, leider, die zunehmende Verrohung und Entsolidarisierung der Menschen untereinander, dann muß einem Himmelangst werden.« Jetzt also das Resultat: ein 40seitiges Manifest gegen den Kapitalismus und gegen unsere Mutlosigkeit. Es ist, selbstverständlich, ein literarischer Text, keine kleinteilige, mit Hilfe marxistischer Kategorien die Gegenwart durchanalysierende Abhandlung. Es ist aber gleichwohl ein Text, der mit dialektischer Akribie die Verhältnisse der Gegenwart durchleuchtet, der die weltweiten Zusammenhänge der Krise anders, nämlich individuell wahrnehmungsnah, darzustellen vermag. Typisch in dieser Hinsicht schon der Textbeginn: Die Verfasser setzen an bei unserer Alltagserfahrung, bei dem, was der Erkenntnis der Zusammenhänge im Wege steht, den »Illusionsabfällen und Betäubungsmitteln aller Art«. Um dann vorzustoßen zu eben diesen verdrängten Problemen, im Kontrast zur propagandistischen Verdrängungsschreiberei. Zum Beispiel: Über die Brutalität Erdogans gegen Occupy Gezi in Istanbul empöre man sich »unisono«, doch der »himmelschreiend brutale Polizeieinsatz gegen Blockupy in Frankfurt am Main […] mit mehr als 400 Verletzten« sei fast totgeschwiegen worden. Oder: Man beklage immer noch die 139 Berliner Mauertoten – 28 Jahre danach –, aber wo läse man in gleicher Extensität von den rund 2000 Toten, die jährlich an den europäischen Grenzen ums Leben kommen – Flüchtlinge, gegen die eine Kriegsflotte der EU auf dem Mittelmeer ihre barbarische Arbeit verrichtet? Der Aufruf zeigt: Hier stimmen die Maßstäbe nicht. Hier funktioniert ungeheuer vieles im Dienste westlicher Profitinteressen. Dem muß nicht nur Gesellschaftstheorie entgegengesetzt werden, sondern vor allem auch aufgeklärte Menschlichkeit. Deswegen ist der Aufruf auch beides: aufwühlend und klug. Das Manifest schürt nicht nur Hoffnung, sondern spart auch die Gefahr unseres Scheiterns nicht aus. Wir begegnen hier immenser Empathie und Realismus. Zweifellos: ein packendes und aufklärendes Manifest. Ein Glücksfall, daß es noch solche politisch-engagierten Künstler gibt. Holdger Platta Klaus FiedlerEin letzter Sommertag im Herbst. Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof zu Berlin gibt es die Trauerfeier für Klaus Fiedler. Theaterleute, Schriftsteller und viele ganz normale Leute, eben die Freunde von Klaus, sind gekommen. Wer war dieser Klaus Fiedler, der kurz vor seinem 75. Geburtstag starb? Der gelernte kartografische Zeichner, der Theaterstudent (exmatrikuliert), Bühnentechniker und Eleve in Berlin, Quedlinburg und Freiberg, galt später in Leipzig als des Generalintendanten Karl Kayser wilder junger Mann. 1974 wurde er Oberspielleiter am Theater Altenburg. Zwei Jahre später begann seine wohl wichtigste Zeit: Das schwarzlockige Energiebündel, der neue Schauspielchef, fiel am Theater Rudolstadt auf. Mit ihm kam eine Truppe von Absolventen der Schauspielschule Rostock, weitere Mimen und Regisseure waren ebenfalls seinem Programm verfallen: Theater als Vergnügen und politisches Programm, als Kritik an bestehenden Verhältnissen und als utopischer Bühnenversuch. Kulturlenker waren zunächst angetan, die Schauspieltruppe machte mit Spektakel-Veranstaltungen und aktueller polnischer Dramatik von sich reden, weit über die Provinz hinaus. Doch schnell regten sich die geheimen und öffentlichen Organe. 1979 war Schluß mit lustig, Fiedler und seine Leute verließen zähneknirschend das Haus. Fiedler bekam nie wieder eine leitende Theaterfunktion, machte aber von Berlin bis Annaberg weiter von sich reden, als Dozent und Regisseur, zeitweise auch als Nachtpförtner und Gefängnisinsasse. Als die Welt sich öffnete, Fiedler Angebote auch in Italien wahrnehmen konnte, wurde ein Hirntumor diagnostiziert. In jenen Zeiten war Krankenversicherung für ihn ein Fremdwort; in seinem Theater-Osten gab es Benefiz-Veranstaltungen für ihn. Mit Blessuren, leicht sprachgestört, aber immer noch voll blitzender Einfälle, kam er wieder zu Kräften, arbeitete als Schauspieldozent, inszenierte gelegentlich an Off-Theatern, auch in Sri Lanka, arbeitete an seinem »Projekt Zukunft«. Fiedler regte Künstler und Schriftsteller an, so Barbara Thalheim in »Mugge«; Ingo Schulze setzte ihm im Roman »Neue Leben« ein Denkmal, auch der Autor dieser Zeilen hat im Roman »Eine moralische Anstalt« dieses auffallenden Mannes gedacht. Ein Radiofeature über die Rudolstädter Zeit hieß »Es war immer wie Fest«. Zur Trauerfeier hielt Ingo Schulze eine passende Rede. Er erzählte von einer jüngsten Trauerfeier und der unglücklichen Figur mit unglücklichen Vergleichen, die der Redner machte. Diese zuweilen höchst komische Geschichte hätte er Klaus erzählen wollen, weil der neugierig auf solche Geschichten war und darüber wundervoll kichern konnte. Schulze sprach von seiner Lehrzeit am Theater, als Fiedler ihn ernst nahm, weil Klaus neben der Fähigkeit, neugierig auf Geschichten zu sein, die zur Freundschaft hatte. Und er fragte, warum die eigentlich wichtigen Theaterleute nie im herrschenden Feuilletonismus vorkämen. Zum Schluß dieser Trauerfeier ging der Mann mit der Urne gemessen nach draußen, Saxophon und Akkordeon ertönten – und allerlei Trauergäste tanzten im hellen Sommersonnenschein. Auf daß der Spruch des Propheten Klaus erfüllet würde: Auf meinem Grab soll man tanzen. Matthias Biskupek LebenswerkeDas ist ein anspruchsvoller Titel, dem die Ausstellung im Potsdam-Museum durchaus gerecht wird. Es sind Begegnungen mit Künstlern aus der DDR: mit den Bildhauern Sabina Grzimek, Werner Stötzer und Wieland Förster, den Malern Harald Metzkes, Bernhard Heisig und Ronald Paris. Die Ausstellung mit den sechs Ehrenpreisträgern des Brandenburgischen Ministerpräsidenten (s. Ossietzky 15/13) wurde anläßlich des zehnten Jahrestages der Verleihung dieser Auszeichnung ins Leben gerufen. Auf zwei Etagen des Potsdam-Museums wurden den Künstlern Räume zugeordnet. Mit einer guten Werkauswahl sind sie vertreten. Die Künstler sind weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Ihr Lebenswerk zeigt Qualität, Kraft und Stärke über Jahrzehnte und über Gesellschaftsordnungen hinweg. Der bei Eröffnung der Ausstellung am 3. August Noch-Ministerpräsident Matthias Platzeck betonte in seiner Ansprache, daß die Öffentlichkeit die Kunst brauche, daß sie Nahrung für die Seele sei. Sabina Grzimeks »Stehende und liegende Gruppe« befindet sich gemeinsam mit Werner Stötzers Arbeiten in einem Raum. In den Werken des Malers Harald Metzkes treten Themen aus dem Zirkus und der Commedia dell’arte auf. Durchaus politisch kann seine Arbeit »Das Finale« (1988) gedeutet werden. Der Bildhauer Wieland Förster ist in der Stadt Potsdam mit zwei Skulpturen vertreten. Seine ausdrucksstarke Porträtbüste von Otto Nagel fasziniert. Bernhard Heisig widmet sich der Ikarus-Thematik. Einfühlsame Landschaften aus dem Havelland finden Beachtung. Heisig bekannte: »Man kann ab und zu mal die Zähne zeigen. Das am besten lächelnd, dann sieht man sie besser.« In einem kabinettartigen Raum sind Arbeiten des Malers Ronald Paris zu sehen. Die Porträts des Schriftstellers Heiner Müller und der Schauspielerin Inge Keller sind großartig. Unter Glas liegen Paris‘ Skizzenbücher, die von vielen Reisen berichten. Mit dem Titel »Unterwegs« faßt der Maler die sensiblen und farbenfrohen Landschaften zusammen. Maria Michel Zur Ausstellung gibt es ein Begleitprogramm und einen Katalog. Bis zum 6. Oktober ist ein Besuch Di bis So von 10 bis 17 Uhr, Do bis 19 Uhr möglich. Walter Kaufmanns LektüreIm Jahr 2008, so der Chefredakteur des New Yorker David Remnick in seiner von Eike Schönfeld übersetzten Reportage »Über Bruce Springsteen«, soll der Rock-Sänger auf der eigenen Webseite verkündet haben, Obama spreche »für Amerika, das ich mir in den letzten fünfunddreißig Jahren im meiner Musik vorgestellt habe, ein großzügiges Land mit Bürgern, die bereit sind, differenzierte und komplexe Probleme anzupacken, ein Land, das sich für eine kollektive Bestimmung und das Potential seines versammelten Geistes interessiert.« Gut zu wissen. Und auch, daß Springsteen vor Obamas Amtseinführung am Lincoln Memorial zusammen mit Pete Seeger Woody Guthries »This Land is Your Land« sang, einschließlich der allzuoft ausgelassenen letzten Strophe: »There was a high wall there/ that tried to stop me/ A great big sign there/ Said ›private property‹/ But on the other side/ It didn't say nothing/ That side was made for you and me.« Hier endlich, spät im Text (und allzu spärlich), befaßt sich David Remnick mit Bruce Springsteens Weltanschauung. Wie aber kam er dazu, wie verlief dessen Entwicklung von der Herkunft her zu einer Art kraftspendendem Messias, der Tausende und Abertausende junge Amerikaner mit seiner Musik magnetisierte, mit seinen Liedtexten inspirierte? Wie vermochte Springsteen immer wieder Stadien zu füllen und sich bei jedem seiner Auftritte zu erneuern? David Remnick, der einst den Aufstieg des Cassius Clay zur Boxerlegende Muhammad Ali sinnlich darzustellen wußte, bleibt in seinem »Über Bruce Springsteen« zu distanziert, zu allgemein, zu nüchtern. Wie verkraftete Springsteen seinen Ruhm, den Millionenreichtum, die Besitztümer in paradiesischen Orten, wie schafft er es, im Luxus sich selbst treu zu bleiben – und tat er das überhaupt? Traumata, Depressionen und Verluste des einstigen Abenteurers der amerikanischen Highways werden angedeutet, prägende Ereignisse und Geheimnisse suggeriert, aber nicht ans Licht gebracht, auch in Gesprächen mit Patti Scialfa nicht, der Sängerin und Tochter eines superreichen Vaters, die Springsteen heiratete. Warum scheiterte Springsteens erste Ehe und wie kam es, daß er immer wieder glaubte, sich psychiatrischer Behandlung unterziehen zu müssen? Kurzum, die Photos im Text bringen einem Bruce Springsteen näher als das geschriebene Wort. Sollte David Remnick wirklich nicht nur längere Zeit in Fort Monmouth verbracht haben, wohin sich Bruce Springsteen mit seiner E-Street-Band zurückgezogen hatte, um für die Welttournee zu »Wrecking Ball« zu proben, sondern auch Springsteen auf dieser Tour begleitet haben, so wie seinerzeit Truman Capote die »Porgy & Bess«-Tournee durch die Sowjetunion begleitete (und im New Yorker blendend darüber schrieb), dann bleibt unverständlich, warum er mit der Leistung Capotes nicht auch nur annähernd gleichzuziehen vermochte. Walter Kaufmann David Remnick, Eike Schönfeld (Ü.): »Über Bruce Springsteen«, Berlin Verlag, 78 Seiten, 14,99 € Ein erstaunliches DebütEs hat mich gefreut, daß auf der sogenannten Longlist für den Deutschen Buchpreis 2013 Nellja Veremejs Roman »Berlin liegt im Osten« steht. Es ist das erstaunliche Debüt einer 1963 in der Sowjetunion Geborenen, die seit 1994 in Berlin lebt. Sie war also schon über dreißig, als sich die Absolventin der Leningrader Universität (Russische Philologie) intensiv mit der deutschen Sprache befassen mußte und dabei ein besonderes Verhältnis zum Deutschen entwickelte. Ich kann diese genaue, ungewöhnliche Sprache des Buches nur bewundern. Nellja Veremej wartet immer wieder mit Wendungen auf, die man so noch nicht gehört hat, alles ist frisch, unverbraucht, sensibel, genau. Da »wuchert die Liebe«, und oft geht es um einsame Peinlichkeit oder peinliche Einsamkeit. Lena, die an äußeren Lebensfakten einiges mit der Autorin teilt, erzählt über ihr Leben als Altenpflegerin in der Mitte Berlins. Einer ihrer Kunden ist Herr Seitz, in der DDR Journalist, nun im Rollstuhl. Die eigentlich unspektakulären Biographien beider machen den Inhalt des Buches aus, wobei es auch um nicht erfüllte Träume, Ost und West, Lebensbilanz, Schicksal, Zuneigung und eben peinliche Einsamkeit geht. Nie wird es larmoyant oder sentimental, lieber entdeckt die Autorin das Komische in den vielen wunderbaren Details östlichen Lebens. Lesen! Christel Berger Nellja Veremej: »Berlin liegt im Osten«, Jung und Jung, 318 Seiten, 22 € NahverkehrDieser Tage hat eine Frau in der S-Bahn auf der Strecke von Leipzig nach Halle ein kleines Mädchen zur Welt gebracht. Statt nun die der Bahn dadurch entstandenen Unkosten der Mutter in Rechnung zu stellen, schreibt die Presse, will die Bahn »dem Kind nach dieser turbulenten Fahrt eine lebenslange Freifahrtkarte ... (in ihrem Streckenbereich) ... schenken.« Man sieht mal wieder: Menschlichkeit führt nur zu Geldverlust. Günter Krone
Erschienen in Ossietzky 19/2013 |
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