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Seit 2001 ist Hoffmann Oberbürgermeister Braunschweigs. Seitdem macht er sich einen Namen als unerbittlicher Privatisierer kommunalen Eigentums, Law-and-order-Sheriff sowie prinzipienfester Vaterlandsverteidiger. So drohte er mit Entzug von Zuschüssen für das örtliche Friedenszentrum, welches die städtische Patenschaft für das Kriegsschiff »Korvette Braunschweig« kritisiert hatte. Damit nicht genug. Der innerstädtische Schloßpark wurde abgeholzt, mit einer Fassadenrekonstruktion des ehemaligen Schlosses bestückt und das Gelände an den Großinvestor ECE (Hamburger Otto-Familie) verkauft. Die Schloßfassade verbirgt im wesentlichen ein großes Einkaufszentrum. Doch dem Schein nach kehrte adliger Welfenglanz nach Braunschweig zurück. Dafür nahm Hoffmann eine Rüge des Deutschen Kulturrates in Kauf, nachdem er den Schriftsteller und Schloßfassaden-Kritiker Hartmut El Kurdi durch eine Art Berufsverbot aus der Stadt getrieben hatte. Dann wird das Projekt »1913 – Braunschweig zwischen Monarchie und Moderne« gestartet. Braunschweig soll ganz im Zeichen des 100jährigen Jubiläums der Fürstenhochzeit stehen. Es wird ein »Konzeptpapier« verfaßt. Die Federführung übernimmt Christoph Stölzl (CDU), Präsident der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar. Das Jahr 1913 als Thema sei eine einmalige Gelegenheit, Braunschweig bundesweit in den Vordergrund zu rücken. Es »sollen die historischen Ereignisse der Hochzeit in Berlin, der Einzug des Herzogspaares in Braunschweig sowie der Regierungsantritt des Herzogs als Projektionsfläche dienen, um einen multiperspektivischen Blick auf die deutsche Gesellschaft im Jahre 1913 zu entwickeln.« Nicht etwa die unterdrückten Unterschichten stehen im Zentrum, sondern die herrschende Adelsclique. Dabei gibt es für wirklich lohnende Sichtweisen genug Anlaß: etwa das selbst für das Deutsche Reich besonders reaktionäre Braunschweiger »Wahlrecht«, die reichsweit herausragende Frauendiskriminierung, die öffentliche Mobilmachung für den »kommenden Krieg«. Nicht idyllische Adelsherrschaft, sondern ein Regime besonders reaktionären Charakters kennzeichnete 1913 das Herzogtum Braunschweig. Das »Konzeptpapier«: »1913 war alles möglich – der große Frieden wie der Krieg«, daher solle der Krieg nicht weiter thematisiert werden. Stölzl: »1913 waren die ins Gute, Friedliche weisenden Tendenzen genauso stark – wenn nicht viel stärker! – als die Vorzeichen der Katastrophe […] Der Blick in die Köpfe der Zeitgenossen von damals lehrt, daß man keinesfalls vom Krieg ausging. Vielleicht die, die Aufrüstungsstatistiken lesen konnten, und ein paar Künstler mit düsteren Visionen.« Das ist pure Geschichtsfälschung. 1911 prognostizierte Bebel im Reichstag zur Lage: »Dann kommt die Katastrophe. Alsdann wird in Europa der große Generalmarsch geschlagen.« Bereits 1897 schrieb Friedrich Engels: »Und endlich ist kein anderer Krieg für Preußen-Deutschland mehr möglich, als ein Weltkrieg von bisher nie gekannter Ausdehnung und Heftigkeit.« Generalstabschef von Moltke drückte dies Ende 1911 so aus: »Alle bereiten sich auf den großen Krieg vor, den alle kurz oder lang erwarten.« Nicht nur die Balkankriege drohten zu einem militärischen Konflikt der europäischen Großmächte zu eskalieren. Mit der zweiten Marokkokrise im Juli 1911 und den damit verbundenen Annexionsplänen hatte das Deutsche Reich höchstes Mißtrauen gesät. Das 1871 okkupierte Elsaß-Lothringen galt als ständig mögliche Kriegsursache mit Frankreich. Im Nahen Osten fühlten sich Rußland und Großbritannien durch deutsche Expansionsbemühungen bedroht. Vor allem vergiftete die Flottenpolitik der Deutschen das politische Klima. Am 8. Dezember 1912 rief der Kaiser führende Militärs zu einer Besprechung, in der er für einen sofortigen Krieg gegen Frankreich und Rußland plädierte. Moltke: »Ich halte einen Krieg für unvermeidlich und: je eher desto besser.« Ein knappes Vierteljahr später, im Februar 1913, wird die neue Wehrvorlage fertiggestellt – die umfangreichste Aufrüstung des Deutschen Reichs seit 1871. Der Deutsche Wehrverein machte allerorten Stimmung: »Ist Deutschland für den nächsten Krieg gerüstet?« Wie zu erwarten, sind sozialkritische Themen im Braunschweiger »1913-Projekt« nur peripher zu finden. Von dem mit insgesamt 1,2 Millionen Euro veranschlagten Spektakel wurden 40.000 Euro für »Freie Kulturschaffende« zur Verfügung gestellt. Dabei wurde das Friedenszentrum finanziell abgestraft, da es inhaltliche Verbindungen zum Ersten Weltkrieg herstellte. Doch nicht alle BraunschweigerInnen stehen diesem geschichtsrevisionistischen Treiben wohlwollend gegenüber. So hat sich der Arbeitskreis »Jetzt schlägt’s 13« gebildet (im Internet unter: www.jetzt-schlaegts-13.com). Übrigens: Ernst August mußte 1918 abtreten und erhielt durch die »Fürstenabfindung« 1924 mehrere Schlösser und Domänen. Er begrüßte 1933 die »nationale Erhebung« und war Nutznießer der »Arisierung« jüdischer Firmen. Victoria Luise betrachtete ihren Vater, Kaiser Wilhelm II., bis zu ihrem Lebensende als »Friedensstifter«. Auch Adolf Hitler war sie nicht abgeneigt. Ihre Memoiren erschienen im Verlag des rechtsradikalen Politikers Leonhard Schlüter, der diese höchstwahrscheinlich selbst verfaßt hat.
Erschienen in Ossietzky 18/2013 |
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