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Stadtteile, in denen nur ganz wenige Deutsche leben.« Es sei wichtig, sich dem Land, in dem man leben möchte, anzupassen. Das klingt nach Jörg Schönbohm (CDU) Ende der 1990er. Man fühle sich in den »Ausländerghettos« schon nicht mehr wie in Deutschland. Jenen, die sich angeblich nicht integrieren wollten, legte er die Rückkehr ins Herkunftsland nahe. Von sozialen Ursachen ist in dieser Debatte bis heute selten die Rede, auftretende Probleme werden dagegen oft kulturalisiert und ethnisiert. Integration(-swilligkeit) kann den Eingewanderten bei Bedarf ohnehin wieder abgesprochen werden. So wird etwa ein Umzug in eine Gegend, in der viele MigrantInnen wohnen, schnell als Unwillen ausgelegt, sich einzufügen. Minderheiten existieren nicht einfach; sie werden gemacht. Amtlich werden Menschen in verschiedene Kategorien eingeordnet und entsprechend der Gesetzgebung mit unterschiedlichen Rechten ausgestattet. Im Alltag sind diese Statusunterschiede leicht zur Hand, um die Vormachtstellung zu behaupten. Die Herstellung der nationalen Wirklichkeit erfolgt so zunächst durch institutionelles Handeln und ist durch die Übernahme des Konstrukts vom Deutsch-Sein im Alltag verankert. Die sich dieses Konstrukts Bedienenden behaupten – mit nationalstaatlicher Rückendeckung ausgestattet – eine machtvolle gesellschaftliche Stellung. Du Mont: »Wenn man ... sieht, wie Ausländer bei uns leben können, wie es ihnen hier geht, wie sie sich entfalten können, finde ich, man kann stolz sein, Deutscher zu sein. Und das bin ich.« Wie sie wirklich leben, das beschreibt der Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats Alexander Thal auf der Website der Organisation so: »Die Lebensbedingungen ... sind so verheerend, daß es immer wieder zu Suiziden und Suizidversuchen, aber auch zu Protestaktionen ... kommt.« (www.fluechtlingsrat-bayern.de) Um die systematische Benachteiligung Zugewanderter zu rechtfertigen, wird die weite Verbreitung von Vorurteilen in der Bevölkerung ausgenutzt. Andererseits erscheinen alltägliche Klischeevorstellungen durch die gesonderte Gesetzgebung für MigrantInnen und die diesbezügliche Willkür der Behörden vielfach bestätigt. Es wird ein kollektives Subjekt kreiert, eine imaginierte Gemeinschaft der Deutschen, die von Zuzug irgendwie bedroht wird. Solche Darstellungen finden in der Bevölkerung Eingang in einen allgemeinen Wissensbestand, der seit langem mit rassistischen Inhalten genährt wird. Migrationspolitische Diskurse spielten bei der Erneuerung des nationalstaatlichen Denkens in den 1990ern eine herausragende Rolle. Sie konnten an Auseinandersetzungen anschließen, die in den 1970ern und 1980ern in der BRD um das »Fremdarbeiterproblem« und erwerbslose »Gastarbeiter« geführt wurden und schließlich vom »Asylantenstrom« über die »Asylantenfrage« beim »Asylantenproblem« anlangten. Mit der sogenannten konservativen Wende in Bonn bezog man ab 1982 wieder verstärkt rechte Positionen. Ohne nennenswerten Widerspruch auszulösen, äußerte etwa Alfred Dregger aus der damaligen Unionsfraktion im Bundestag die Meinung, daß das deutsche Volk seine Identität bewahren wolle, Immigration deshalb begrenzt werden müsse. Flüchtlinge als Problem, Begrenzung als Lösung – die rassistischen Gewalttaten in Hoyerswerda brachten diese Ansicht 1991 brutal zum Ausdruck. Eine Ansicht, die man in der Presse (trotz Verurteilung der Taten) durchweg teilte. Ein ähnliches Bild ergab sich bei einer Auswertung von Medienberichten über die Pogrome in Rostock-Lichtenhagen 1992. Nicht nur rechtsextreme und konservative Kreise bezogen in den 1990ern Stellung gegen Einwanderung. Äußerungen von Sozialdemokraten wie Otto Schily, Herbert Schnoor und Gerhard Schröder richteten sich strikt gegen MigrantInnen; Peter Glotz schreckte sogar vor biologistischen und konkret rassistischen Anspielungen nicht zurück. Ein aktuelleres Beispiel, Thilo Sarrazin, kennen alle. Rhetorische Ablenkungsmanöver, wie das von Wolfgang Bosbach (CDU) am 15. August gelieferte, verfangen da nicht: »Einige Kommunen haben die Grenzen der Belastbarkeit erreicht. Und es heißt schon einiges, wenn sogar Kommunalpolitiker der SPD das sagen. Äußern sich CDU-Politiker in dieser Richtung, ist es Rassismus.« Das Arbeitsverbot für Asylsuchende verteidigte er: »Damit würden wir letztlich auch die Schlepper unterstützen.« Das inhumane, gegen Migration gerichtete Vorgehen wird als konsequent und gerecht entschuldigt – ohnehin muß die Rechtfertigung ja nur der bevorzugten Gruppe gegenüber verfangen, da Nichtdeutschen der Zugang zu politischer Macht verwehrt wird. Die Politik ergreift mit der Regulierung von Migration herrschaftsichernde Maßnahmen, verschleiert jedoch deren immanenten Rassismus, da er mit der ansonsten üblichen demokratisch-humanistischen Rhetorik kollidiert. PolitikerInnen neigen dazu, die eigene Nation verherrlichend darzustellen, versuchen aber, öffentlich nicht als rassistisch dazustehen. Schon im Verlaufe der 1990er ließ sich ein Abnehmen solcherart Zurückhaltung feststellen. Derweil 2013: Die »Tagesthemen« zeigen am 19. August einen aufgebrachten Berliner, der mit erhobenem Zeigefinger wider die in seinem Stadtteil angekommenen Flüchtlinge ruft: »Wir sind das Volk, nicht ihr!« Hier wie in Duisburg sehen sich BürgerInnen angesichts des empörten Volkes zu Schutzmaßnahmen gezwungen, die WAZ am Tag darauf: »Duisburger organisieren nach Hetze gegen Ausländer Nachtwache.« Immerhin, anders als damals in Rostock gibt es Beistand.
Erschienen in Ossietzky 18/2013 |
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