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Mit dieser uniformen Arbeitskleidung, die meist aus einer blauen jeansähnlichen Hose mit Hemd besteht, wird die Individualität und Identität des Gefangenen, der zur Unterwerfung unter das Gefängnisregime gezwungen wird, zerstört. In einigen JVAs erhalten Gefangene nicht einmal eigene, mit Namenschildern versehene Anstaltskleidung, sondern nach jedem Wäschetausch eine neue gewaschene Garnitur, die zuvor ein anderer Gefangener getragen hat. Dem Gefangenen »wird verdeutlicht, daß für ihn nun ein völlig anderes Leben beginnt und daß er sich in nichts von all den anderen ›Verbrechern‹ unterscheidet, wohl aber vom Gros der Bevölkerung außerhalb der Anstalt«, heißt es auf der Internetseite knast.net. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes »bedeutet die Verpflichtung zum Tragen der einheitlichen Anstaltskleidung – die von Strafgefangenen regelmäßig als Selbstwertkränkung und Deprivation empfunden wird – eine Beeinträchtigung« des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die allerdings »im Interesse von Sicherheit und Ordnung der Anstalt« nach dem geltenden Gesetz »grundsätzlich hinzunehmen« sei (Beschluß 2 BvR 2039/99). JVA-Leitungen und Justizbehörden bestreiten eine solche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts. »Die übliche Anstaltskleidung und die Freizeitkleidung haben nichts Diskriminierendes. Sie sind zivil geschnitten, farblich unauffällig gestaltet und enthalten auch sonst keinen Hinweis auf den Status ihres Trägers«, versuchte etwa der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) auf eine Abgeordnetenanfrage vom Dezember 2012 die auch in NRW-Knästen weithin gepflegte Praxis der Anstaltskleidung schönzureden. »Innerhalb der geschlossenen Anstalten sprechen insbesondere Gründe der Sicherheit für die Verpflichtung zum Tragen der Anstaltskleidung«, spricht Kutschaty anschließend Klartext. Sicherheitserwägungen werden auch von anderen Justizministern und JVA-Leitungen als primärer Grund der Pflicht zum Tragen von Anstaltskleidung angeführt. So sollen die Gefangenen innerhalb der JVA als solche erkennbar und im Falle einer Flucht leicht zu identifizieren sein. Als weitere Rechtfertigung wird in der juristischen Fachliteratur angeführt, daß so gewährleistet werde, daß der Strafvollzug für alle Gefangenen ein »gleichmäßiges Strafübel« darstellt und »Statussymbole« für einzelne Gefangene oder die Herausbildung von Subkulturen vermieden werden. In letzter Zeit hat der Zwang zu uniformer Anstaltskleidung mehrfach zu Protesten politischer Gefangener geführt. Der wegen Mitgliedschaft in der als »ausländische terroristische Vereinigung« geltenden Revolutionären Volksbefreiungspartei/Front (DHKP-C) verurteilte türkischstämmige Gefangene Sadi Özpolat trat – nur in ein Leinentuch gehüllt – im vergangenen Oktober in der JVA Bochum sogar in einen Hungerstreik gegen die Anstaltskleidung. Özpolat erinnerte daran, wie politische Gefangene in der Türkei im Jahr 1984 erfolgreich mit einem Hungerstreik gegen den aus ihrer Sicht erniedrigenden Zwang zu Haftkleidung gekämpft hatten. Von Özpolats Widerstand ermutigt, weigerte sich der in der sächsischen JVA Torgau wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer »Militanten Gruppe Leipzig« inhaftierte Tommy Tank, die Gefängniskleidung anzuziehen. Hier lenkte der Gefängnisdirektor im Januar 2013 umgehend ein und gestattete Tank das Tragen von Privatkleidung. Eine bundesweit und für alle JVAs einheitliche Regelung zur Gefängniskleidung besteht nicht, da der Strafvollzug mit der Föderalismusreform 2006 zur Angelegenheit der Länder erklärt wurde. Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg und Niedersachsen haben mittlerweile eigene Strafvollzugsgesetze, in den übrigen Ländern gilt das Bundesstrafvollzugsgesetz weiter fort, in dem eine grundsätzliche Pflicht zum Tragen von Anstaltskleidung in Paragraph 20 Abs. 1 enthalten ist, ebenso in den Strafvollzugsgesetzen von Bayern und Hessen. Das Strafvollzugsgesetz des Bundes sieht allerdings in Paragraph 20 Abs. 2 die Möglichkeit vor, daß JVA-Leitungen nach eigenem Ermessen das Tragen von Privatkleidung zulassen, wenn dadurch für die JVAs keine Reinigungs- oder Instandsetzungskosten anfallen, sondern die Gefangenen jeweils dafür aufkommen. Auch in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen gelten solche Ermessensvorschriften. Werde davon kein Gebrauch gemacht, läge das daran, »daß in den Anstalten regelmäßig keine Reinigungsmöglichkeiten für die private Kleidung bestehen oder die Gefangenen nicht in der Lage sind, auf eigene Kosten für einen regelmäßigen Wechsel der Kleidung zu sorgen«, führt der nordrhein-westfälische Justizminister Kutschaty auf eine Abgeordnetenanfrage hin Sachzwänge an. Das Strafvollzugsgesetz des Bundes und einiger Länder sieht zudem explizit das Tragen privater Kleidung bei Vorführungen des Gefangenen vor Gericht oder einer Behörde außerhalb der Anstalt vor, wenn keine Fluchtgefahr besteht. Hier hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß eine Verletzung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte eines Strafgefangenen vorliegt, wenn ihm das Tragen privater Kleidung bei solchen Ausführungen verwehrt wird. Eine Umkehrung des im Bundesgesetz geltenden Regel-Ausnahme-Verhältnisses besteht in Hamburg und Niedersachsen. Hier haben Gefangene Anspruch darauf, in der Haft ihre Privatkleidung zu tragen – vorausgesetzt, sie sorgen auf eigene Kosten für Reinigung und Instandsetzung der Kleidung. Damit solle die Eigenverantwortung der Gefangenen gefördert werden, begründete die niedersächsische Landesregierung die Regelung. »Dieser Weg trifft vielfach auf Zustimmung, da trotz aller Sicherheitsgedanken nicht nur das Bundesverfassungsgericht darauf hinweist, daß die Pflicht zum Tragen der einheitlichen Anstaltskleidung den Gefangenen in seinem Selbstwertgefühl und Selbstbestimmungsrecht erheblich beschränkt«, heißt es dazu in einer Ausarbeitung der Wissenschaftliche Dienste des Bundestages vom Januar 2013. »Zudem entspricht die vollständige Genehmigung eher den Vollzugsgrundsätzen und hat sich in der Praxis bewährt.« Der Zwang zu uniformer Anstaltskleidung ist ein vormodernes Relikt, das in einem der Resozialisierung verpflichteten Rechtssystem keinen Platz hat.
Erschienen in Ossietzky 18/2013 |
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