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Mit dieser blinden Gesetzesgläubigkeit befindet sich der Leiter des Ressorts Außenpolitik der Süddeutschen Zeitung in (un-)guter Gesellschaft, nicht nur mit vielen anderen staatstragenden Journalisten, sondern auch mit der Landesverrats-Rechtsprechung der deutschen Justizgeschichte. »Landesverrat hat immer und zu allen Zeiten als das schimpflichste Verbrechen gegolten.« Mit dieser Betonung der besonderen Verwerflichkeit des Landesverrats lobte 1951 die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Lüneburg in einem Verfahren gegen den NS-Generalrichter Manfred Roeder die in den Jahren 1942/43 vom Reichskriegsgericht in einem absolut »rechtsstaatlichen Verfahren« gefällten Todesurteile gegen 49 Mitglieder der »Roten Kapelle« als »unausweichlich«. In einer Zeit, in der sich »Deutschland in einem Kampf um Leben und Tod befand«, hätten die Verurteilten verbrecherisch das »Wohl des deutschen Reiches« gefährdet. Die Perhorreszierung des »Landesverrats« hat eine lange obrigkeitsstaatliche Tradition. Bei der Reformierung des Strafrechts im Jahre 1833 wollte der Preußische Gesetzgeber sich mit der Enthauptung des Verräters nicht begnügen, sondern »für dieses scheußlichste und schrecklichste aller Verbrechen« an der »geschärften Todesstrafe«, das heißt an der »des Rades«, mit der qualvollen Zertrümmerung der Gliedmaßen, festhalten. Ob im wilhelminischen Kaiserreich mit den Landes- und Hochverratsprozessen gegen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg oder in der Weimarer Republik gegen zahllose pazifistische Journalisten und Schriftsteller, darunter Carl von Ossietzky im »Weltbühnen-Prozeß«, immer ging es darum, Bürger an der Aufklärung über ebenso heimliche wie friedensgefährdende Rüstungsmaßnahmen und Kriegsvorbereitungen zu hindern, mit denen die Regierung und illegale Geheimorganisationen das eigene Volk hintergangen und die Verfassung und das Völkerrecht gebrochen hatten. Und immer hatte die Justiz die Macht der Massenmedien hinter sich, die den zum »Verräter« stempelten, der den Verrat der Regierung am Volk und seinen Interessen ans Tageslicht brachte. Verlaß auf die höchsten deutschen Gerichte bei der Abwehr der Aufdeckung verfassungswidriger Praktiken war auch bei dem bis heute geltenden Urteil des Bundesgerichtshofs gegen Werner Paetsch, dem als Angestellter des Bundesamtes für Verfassungsschutz Bedenken gegen die unter Mitarbeit ehemaliger Gestapo- und SS-Leute organisierte Post- und Telefonüberwachung gekommen waren. Weil über einen von ihm zu Rate gezogenen Rechtsanwalt die illegale Überwachungspraxis an die Öffentlichkeit gekommen war, wurde Paetsch im Jahre 1966 wegen Geheimnisverrats zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Die Berufung des Verurteilten auf die Pflicht auch eines Beamten, schwerwiegende Mißstände, gar Grundrechtsverletzungen in der Praxis seiner Behörde ans Tageslicht zu bringen, wiesen die Richter mit dem Hinweis zurück, erst einmal müsse der Beamte seine Kritik auf »dem Dienstweg« vorbringen – also sich gegen die Wand fahren lassen. Wie negativ das Wort »Landesverrat« in den Köpfen besetzt ist, zeigte sich auch, als Bundeskanzler Adenauer 1962 in einem Spiegel-Artikel einen »Abgrund von Landesverrat« witterte und die konservative Cellesche Zeitung die Wiedereinführung der Todesstrafe für Landesverrat forderte. Noch in den Jahren 2006 bis 2009 wollte die CDU/CSU in Übereinstimmung mit dem Koalitionspartner SPD an der Gültigkeit der NS-Todesurteile gegen die sogenannten Kriegsverräter festhalten. Ihr rechtspolitischer Sprecher Norbert Geis warf den Opfern »eine nach allen Maßstäben der zivilisierten Welt in höchstem Maße verwerfliche« Handlungsweise vor. Zu einer Rehabilitierung dieser Opfer der mörderischen Wehrmachtsjustiz am 8. September 2009 durch den Bundestag führte erst der Nachweis einer Geschichtsfälschung des von der CDU ins Rennen vor dem Bundestag geschickten Sachverständigen Rolf-Dieter Müller vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt (s. Ossietzky 23/08). Um auf den von Stefan Kornelius entdeckten vermeintlichen »eigentlichen Kern der Sache« zu stoßen und die Meinungen des Alpha-Journalisten zu hinterfragen, muß – wer sich nicht gläubig auf sogenannten Qualitätsmedien verlassen will – wohl auch etwas von der hintergründigen Einbindung journalistischer Meinungsführer in die politischen Elitenzirkel wissen. Wo der springende Punkt mancher journalistischer Parteinahme liegt, dafür liefert Kornelius in eigener Person ein anschauliches Beispiel. Was bislang nur oberflächlich unter dem diffusen Schlagwort vom »embedded« Journalismus bekannt, im übrigen aber ein von den Medien und der Medienwissenschaft ausgespartes Terrain war, ist jetzt in einer materialreichen Analyse ans Tageslicht gebracht worden. In seinem Buch »Meinungsmacht« (Herbert von Halem Verlag, 2013) hat der Leipziger Hochschullehrer Uwe Krüger neben weiteren »meistvernetzten deutschen Journalisten« die persönlichen und institutionellen Verbindungen der führenden Journalisten in den außenpolitischen Ressorts von Süddeutscher Zeitung, FAZ, Zeit und andern überregionalen Printmedien unter die Lupe genommen und in akribischer Recherche die von Meinungsmachern wie Josef Joffe (Die Zeit), Klaus-Dieter Frankenberger (FAZ), Michael Stürmer (Die Welt) und Markus Schächter (ZDF) aufgebauten Netzwerke mit der dadurch entstandenen Nähe zur Macht, vor allem zur Sicherheits- und Militärpolitik beschrieben. Bei Stefan Kornelius sind es 57 Personen und Organisationen, mit denen ein »erhöhtes Kontaktpotential« besteht. Die von Uwe Krüger grafisch dargestellten Beziehungsgeflechte gleichen einem vielfältig verzweigten Spinnennetz. Bei diesen Journalismuseliten führen die allermeisten Wege direkt oder indirekt nach Washington und zur NATO und damit in eine Nähe zu den Schaltstellen der Sicherheits-, Rüstungs- und Militärpolitik. Das Äußerste an Kritik solcher Journalisten an den Ausspähaktionen beschränkt sich auf die Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung und die Mißachtung der Privatsphäre des Bürgers. Die Meinungsfreiheit, das Demonstrationsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung haben jedoch eine eminent politische Funktion. Wenn die unbeschränkt und grenzenlos durchgeführte Überwachung die Bürger an der unbefangenen Ausübung der Grundrechte hindert, verändert sich die Balance zwischen Regierungsmacht und Bürgerbeteiligung. Das Machtgefälle zwischen Exekutive, Parlament und Volk verschiebt sich zugunsten der Regierungsmacht. Mit der illegalen Überwachung durch die unheimliche »unsichtbare« Hand der Geheimdienste verschafft sich der Staat einen entscheidenden Machtzuwachs. Gegen diesen Machtmißbrauch hilft nur die Herstellung von Transparenz und Öffentlichkeit. Whistleblower, die als Demokraten angesichts staatlichen Unrechts Alarm schlagen, erfüllen eine für die freiheitlich-demokratische Grundordnung unverzichtbare Bürgerpflicht. Stefan Kornelius hat dem Whistleblower Edward Snowden den wohlmeinenden Rat gegeben, er solle sich doch freiwillig »einem rechtsstaatlichen Verfahren in den USA« stellen – und sich damit in die Fänge einer in Staatsschutzsachen durch und durch politischen Justiz begeben. Welches »rechtsstaatliche« Verfahren einem in der Nachfolge eines Carl von Ossietzky handelnden Whistleblowers drohen würde, läßt sich auch an der Konstruktion eines bislang fast unbekannten Geheimgerichts der USA ablesen. Die Richter des sogenannten FISA-Court, der die Geheimdienste der USA überwachen soll, werden von dem Vorsitzenden Richter des Supreme-Court ernannt. Aktuell werden zehn der elf Richter dem republikanischen Lager zugerechnet. Die Verfahren sind geheim. Bis vor kurzem wußte die Öffentlichkeit weder von der Existenz dieses Gerichts noch von Art und Anzahl solcher Verfahren. Mit einem ähnlich totalen Ausschluß der Öffentlichkeit werden auch die Strafverfahren manipuliert, in denen wegen Staatsschutzdelikten verhandelt wird. Über all diese Vorgänge, im Verlauf einer Entwicklung vom autoritären, eines Tages vielleicht sogar bis zum totalitären Staat, schweigen manche Journalisten. Damit machen sie sich nicht nur zum Handlanger der Macht, sondern sind mit ihrer Einbindung in die Politik selbst Teil der Macht. Dieselben bellizistischen Journalisten, die die unbarmherzige Verurteilung des Obergefreiten und Whistleblowers Bradley Manning zu 35 Jahren Gefängnis ungerührt läßt und die das Leid der den militärischen Interventionen im Irak und in Afghanistan zum Opfer gefallenen hunderttausenden Zivilisten kaum erwähnenswert finden, können sich zum Fürsprecher eines Kriegsverbrechens machen. Der gleichfalls im Bereich Außenpolitik der Süddeutschen Zeitung arbeitende Peter Blechschmidt forderte sogar »Barmherzigkeit für Oberst Klein« (Süddeutsche Zeitung, 29.8.2012). Die zahlreichen Verstöße dieses Haudegens gegen das Kriegsvölkerrecht und die militärischen Einsatzregeln standen der Beförderung des Obersten zum Brigadegeneral im März 2013 nicht im Wege.
Erschienen in Ossietzky 18/2013 |
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