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Sie begnügten sich nicht mit dem Bau des Berliner Fernsehturmes, des höchsten Gebäudes auf deutschem Boden, des von Architekten in aller Welt gepriesenen Palastes der Republik im Herzen der Hauptstadt, der multifunktionalen Kulturpaläste und Stadthallen in den Zentren aller 14 Bezirke, des modernen Gewandhauses auf dem Karl-Marx-Platz (heute wieder Augustusplatz) in Leipzig mit seiner hervorragenden Akustik, dem Wiederaufbau des Schauspielhauses am Berliner Gendarmenmarkt und später der prachtvollen Dresdner Semperoper und so manch anderer im Krieg zerstörter architektonischer Kleinode. Nein, es mußte unbedingt – koste es, was es wolle – noch ein Sport- und Erholungszentrum her, das nach Größe, äußerer Schönheit und innerer Multifunktionalität in der Welt seinesgleichen suchen sollte. Und aus der ruhmsüchtigen Absicht wurde Realität. Nach 27monatiger Bauzeit wurde 1981 in Berlin-Friedrichshain an der Kreuzung Leninallee/Dimitroffstraße (heute Landsberger Allee/Danziger Straße) ein Gebäudekomplex für Sport und Erholung, eben das SEZ, eröffnet, das in seinen Ausmaßen und der Vielseitigkeit seiner sportlichen und kulturellen Möglichkeiten einmalig war. Für erschwingliche Eintrittspreise bot das Zentrum den Besuchern unter anderem sieben Schwimmbäder, darunter ein Wellenbad, dessen Wogen Alt und Jung erfreuten, mehrere Sporthallen und Fitneßstudios, eine Eis- beziehungsweise Rollschuhlaufbahn, verschiedenartige Gymnastik- und Ballettsäle, eine Schule für Kampfsportarten, Hallen für Tischtennis und Bowling, zahlreiche großzügige Open-Air-Sportanlagen, einen Treffpunkt für Freunde des Schachs und eine ständig besetzte sportmedizinische Praxis. Zum Angebot gehörten auch ein Friseursalon sowie ein Kindersportgarten, in dem die Kleinen der Freizeitsportler bis zu vier Stunden kostenlos betreut wurden. Für das leibliche Wohl der Besucher sorgten zehn gastronomische Einrichtungen. Der Plan der SED ging auf: Das SEZ erfreute sich großer Beliebtheit. Obwohl allein in den ersten fünf Jahren mehr als 16 Millionen Besucher gezählt wurden, mußte es aufgrund der vergleichsweise niedrigen Eintrittspreise subventioniert werden. Planwirtschaft und die allseitige Förderung des Massensports machten das möglich. Doch dann kam die freie neoliberale Marktwirtschaft. Alles mußte sich rechnen und möglichst auch noch hohen Gewinn abwerfen. Der Berliner Senat, neuer Eigentümer des SEZ, stand vor einem Dilemma: Entweder er setzte die staatliche Förderung fort, wozu das überschuldete Berlin nicht in der Lage war, oder er entschied sich für eine höchst unpopuläre kräftige Erhöhung der Eintrittspreise. Ein Abriß des Gebäudekomplexes war zu riskant, hatte doch das SEZ neben seinem vielfältigem Nutzen auch ein außergewöhnliche symbolische Bedeutung für das Sportland DDR, und eine Asbestbelastung wie im Falle des Palastes der Republik konnte trotz aller Bemühungen nicht nachgewiesen werden. In dieser belemmerten Situation entschieden sich die Regierenden für ein elastisches Vorgehen. Schritt für Schritt wurde der Betrieb eingestellt und die Beschäftigten in die soziale Hängematte entlassen. Das SEZ verwahrloste, und 2001 wurde es geschlossen. Der Protest gegen diese mit fehlenden Finanzmitteln begründete Bankrotterklärung des Senats war laut und vor allem langanhaltend. Doch »wenn die Not am größten ist, dann«, das pflegte schon Theodor Fontane zu sagen, »ist die Hülfe am nächsten«. Als Nothilferetter erschien Rainer Löhnitz aus Leipzig und erklärte sich bereit, das SEZ zu übernehmen und weiter zu betreiben. Die verarmte Berliner Landesregierung atmete auf und verkaufte die gesamte Einrichtung nebst 47.000 Quadratmeter Außenfläche für 1 (einen) Euro an den großmütigen Leipziger. Der Kaufvertrag hatte nur einen kleinen Haken: Er war an die Bedingung geknüpft, den Hallenbadbetrieb innerhalb von fünf Jahren wieder aufzunehmen. Andernfalls sollte das SEZ samt Grundstück wieder zurück an das Land Berlin fallen. Dafür bürgte auch der damalige Finanzsenator Thilo Sarrazin, der auf einer Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses stolz über seine Verhandlungen mit Herrn Löhnitz berichtete und verkündete: »Wenn der Badebetrieb bis zu einem bestimmten Punkt nicht aufgenommen worden ist, und zwar unabhängig davon, ob dies schuldhaft oder nicht schuldhaft geschah, hat das Land Anspruch auf Übertragung des SEZ.« Doch Papier ist geduldig, so meint jedenfalls der Ein-Euro-Käufer. Zwar nahm er den Betrieb tatsächlich wieder auf, aber an die Wiederherstellung des Hallenbades verschwendete er weder Kraft noch Geld. Im einstigen großartigen Wellenbad kann Beachvolleyball sowie Tischtennis, im Sprungbecken Basketball gespielt werden. Auch Sauna, Bowling und Fitneßtraining sind im Angebot. Von einem großen Hallenbad aber ist weit und breit nichts zu sehen. Der umtriebige »Eigentümer« hat andere Vorstellungen entwickelt. Auf dem riesigen unbebauten Teil des Grundstückes will er Stadthäuser, Ferienwohnungen, einen Campingplatz und ein Appartementhotel bauen. Die Verletzung des Kaufvertrages scheint Löhnitz bei diesen kühnen Planungen wenig zu scheren, zumal der Berliner Liegenschaftsfonds ihm angesichts von drei Minibad- beziehungsweise Planschbecken Vertragstreue bescheinigte. Aufgrund dieser realitätsfernen, schwachsinnigen Erklärung hat der Berliner Bund der Steuerzahler Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachtes einer gemeinsam begangenen, besonders schweren Untreue zu Lasten des Landes Berlin im Zusammenhang mit dem 2003 erfolgten Verkauf des SEZ gestellt. Ein wenig spät, aber immerhin! Was tun? Aufgrund der eindeutigen Rechtslage ist der Berliner rosa-schwarze Senat doch verpflichtet, das SEZ samt Grundstück zurückzukaufen. Trotz der angespannten Finanzlage wird Finanzsenator Nußbaum doch in der Lage sein, die Ein-Euro-Münze in seinen Geheimkonten aufzutreiben. Notfalls könnte ja auch eine Spendenaktion organisiert werden, um die notwendigen Cents zu sammeln. Ich hege keinen Zweifel, daß sich auch die Ossietzky-Leser daran beteiligen würden. Aber wenn der Rückkauf erfolgreich abgeschlossen sein wird, stellt sich erneut die Leninsche Frage: »Was tun?« Hier wird es schon komplizierter. Das SEZ ist in einem solch miserablen Zustand, daß eine Sanierung nicht zu umgehen ist. Das kostet zwar nicht so viel wie die Wiederherstellung der Fassade des Hohenzollern-Schlosses, aber billig wird es nicht. Und rein theoretisch einmal angenommen, durch ein Wunder oder die Spendenbereitschaft der SEZ-Freunde gelingt es, das Erholungszentrum wieder so herzustellen, wie es seinerzeit die SED angewiesen hatte, wer soll es dann zu zumutbaren Preisen betreiben ? Und wer zahlt die jährlichen beträchtlichen Subventionen? Das arme Berlin ist dazu nicht in der Lage, und die reiche Bundesrepublik hat, um nur einige Beispiele zu nennen, mit dem Milliardenbau für den BND, den Baukosten für das Berliner Schloß, dem Kauf von de Maizières Drohnen schon genug am Hals. Bleibt nur ein Weg: Das ganze Zentrum, dieses nur Ärger bereitende Erbe der DDR muß abgerissen werden. Aber – verflucht und zugenäht – auch die endgültige Beseitigung des SEZ, der Abriß des Palastes der Republik hat es gezeigt, wird teuer. Aber sei’s drum, schließlich entsteht eine wundervolle Brache mit sich anschließenden prächtigen Grünflächen. Investoren werden Schlange stehen, um profitbringende Luxuswohnungen, an denen in Berlin, wie kürzlich mitgeteilt wurde, großer Mangel besteht, zu bauen. So wird am Ende alles gut. Herr Löhnitz wird von einer schweren Bürde befreit, er bekommt seinen Kaufpreis zurück. Berlins Kasse wird nicht übermäßig belastet, am Ende macht der Senat noch einen guten Schnitt. Die Lage auf dem hauptstädtischen Wohnungsmarkt wird entspannt, dabei wird so ganz nebenbei ein weiteres Symbol des untergegangen Unrechtsstaates beseitigt. Und wo können die SEZ-Freunde dann ihre Freizeit verbringen, Sport treiben und Erholung finden? Vielleicht im ICC, das wird trotz Asbestbelastung nicht abgerissen, sondern saniert, obwohl bisher niemand weiß, wie, wozu und von wem es genutzt werden soll. Mit ein wenig Geschick könnte das ICC zu einem SEZ, einem modernen Sport- und Erholungszentrum, umgestaltet werden. Das müßte doch zu machen sein.
Erschienen in Ossietzky 17/2013 |
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