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Dabei ist die Einlagerung der in der verlogenen Sprachregelung als »Sondermüll« bezeichneten Giftstoffe mindestens genauso gefährlich und stellt für die nachfolgenden Generationen ein Erbe von tödlicher Brisanz dar. Im Juli 2013 hat der Westdeutsche Rundfunk eine Sendung über »die giftigsten Orte Deutschlands« ausgestrahlt und aufgezeigt, »wie Zehntausende Tonnen Giftmüll unter der Erde verschwinden«. Als einer dieser »giftigsten Orte« wurde das Salzbergwerk Heilbronn genannt. Im Februar 1984 erteilte das Landesbergamt Baden-Württemberg der Südwestdeutschen Salzwerke AG (SWS) die Genehmigung, in den Stollen quecksilberhaltige Produktionsrückstände der Firma Hoechst einzulagern. Im Sommer 1985 sollte in Göppingen eine Müllverbrennungsanlage in Betrieb genommen werden, und die Landesregierung hatte die Aufgabe, nach dem Abfallgesetz einen Ort zu finden, an dem die Filterstäube deponiert werden konnten. Da »zufällig« die Errichtung der Göppinger Müllverbrennungsanlage und die Öffnung des Heilbronner Salzbergwerks für die Einlagerung von quecksilberhaltigem Müll zusammenfielen, kam die Landesregierung auf die geniale Idee, beides miteinander zu verbinden. Als die »Käthchenstadt« Widerspruch dagegen einlegte und ein Planfeststellungsverfahren forderte, wurde die Landesregierung aktiv und schickte zunächst einen »Experten«, der dem Gemeinderat in einer nichtöffentlichen Anhörung deutlich machen mußte, daß die geplanten Einlagerungen schadlos und ungefährlich seien. Dann kam eine hochkarätig besetzte Delegation unter der Führung des Landwirtschaftsministers zu einer Anhörung nach Heilbronn. Der Regierungspräsident, der leitende Bergdirektor und verschiedene »sachverständige« Professoren hatten die Aufgabe, den Gemeinderat davon zu überzeugen, daß die geplante Einlagerung völlig ungefährlich sei. Und so führten die Politiker und »Experten« aus, daß der Heilbronner Standort ausgesucht worden sei, weil eine Grundwasserbeeinflussung nicht zu befürchten sei. Eingelagert werden sollten allein Rückstände aus der Salzauflösung sowie Rauchgasreinigungsrückstände aus Müllverbrennungsanlagen, was vollkommen »unschädlich für die Gesamtbevölkerung« sei. »Eine Aufnahme weiterer Abfälle ist im Rahmen dieser Planfeststellung nicht vorgesehen«, betonte der Minister. Sein Regierungspräsident unterstützte ihn mit der raffinierten Äußerung: »Zur Stunde können sowohl Herr Minister Weiser als auch ich verbindlich erklären, daß außer diesen Müllverbrennungsrückständen nichts Akutes ansteht.« Dabei war von Anfang an die Absicht zu erkennen, in Heilbronn eine Giftmülldeponie zu errichten. Den Stadträten machte der Minister klar, daß sie sowieso nichts zu sagen hätten: »Ich muß Ihnen aber ganz deutlich sagen, daß ich meiner landespolitischen Verantwortung nicht gerecht würde, wenn ich den Bau von Sonderabfallanlagen von der Zustimmung des Gemeinderates anhängig machen würde! Derjenige, der die Verantwortung trägt, muß auch das Sagen haben!« Den Einwand eines Stadtrats, Heilbronn verkomme zur Sondermülldeponie des Landes, wiesen der Minister und seine Paladine vehement zurück. »Stoffe aller Schattierungen werden nie und nimmer eingelagert«, konnte man am 12.2.1985 in der Heilbronner Stimme lesen. Heute lagern Hunderttausende Tonnen giftiger Abfälle in den Kammern des Salzwerks, circa 500 verschiedene Müllsorten aus verschiedenen europäischen Ländern, davon sind 200 Stoffe hochgiftig. Es sind Cadmium, Arsen, Quecksilber, Dioxin, toxische und auch 2292 Tonnen »leicht« radioaktive Rückstände. In der Deponie Heilbronn werden direkt unterhalb von Wohngebieten jährlich 80.000 Tonnen eingelagert und in Kochendorf circa 1.000.000 Tonnen. Eine Zeitbombe. Zu Beginn der Deponierung hatten zahlreiche Politiker protestiert, unter anderem der Vorsitzende der Jungen Union, heute haben sie sich längst arrangiert. Der ehemalige JU-Vorsitzende ist inzwischen zum Fraktionsvorsitzenden der CDU im Heilbronner Stadtrat und zum Landtagsabgeordneten aufgestiegen. Die SWS gehört zu 47 Prozent der Stadt Heilbronn, zu 45 Prozent dem Land und zu fünf Prozent der Landesbank Baden-Württemberg. Als Aufsichtsratsvorsitzender fungiert der Heilbronner Oberbürgermeister Helmut Himmelsbach, sein Stellvertreter ist der Staatssekretär im Finanzministerium Ingo Rust. Erfreut verkündeten sie im Mai 2013, daß man erhöhte Dividenden auszahlen konnte: Für die Stadt fielen 5,3 Millionen Euro ab. Die Bergwerke Heilbronn und Kochendorf sind 180 Meter unter der Erdoberfläche seit 2010 durch einen 4,3 km langen Schacht miteinander verbunden. In der Grube Kochendorf kam es 1986 und 1992 aufgrund einer »instabilen Gebirgsmechanik« zu trockenen Verbrüchen und zu Wassereinbrüchen. Die Abdichtung der Tropfstellen mit einem »Versteifungsbauwerk« kostete über zwölf Millionen DM und machte eine Verfüllung der Stollen notwendig, weil nach einem Gutachten des Geologischen Landesamts die Gefahr bestand, daß es zu »Verbrüchen kommen könne, die sich so weit nach oben fortsetzen könnten, daß es zu großräumigen Brucherscheinungen und damit auch zu Schäden an der Tagesoberfläche kommen könnte«. Da aber die Verfüllung mit natürlichen Rohstoffen »genauso wie ständige Sanierungsarbeiten unmittelbar zum Konkurs geführt« hätten, kam man auf die Idee, alle Kammern ebenso wie die des Heilbronner Bergwerks mit Sondermüll aufzufüllen. Die SWS-AG gründete eine Tochtergesellschaft, die für »Umwelt, Entsorgung und Verwertung (UEV)« zuständig ist. Als »Etikettenschwindel« bezeichneten Umweltschutzorganisationen den Umstand, daß die Bundesregierung und die Bergbehörden die Einlagerung von Sondermüll auf der Grundlage bergrechtlicher Betriebszulassungen als Maßnahme der Abfallverwertung durchführten. Der Vorwurf, die Bundesregierung verstoße mit dieser Praxis gegen die Vorschriften der Abfallrahmenrichtlinie, weil der Bergversatz eine Methode der Abfallbeseitigung sei, wurde 2002 durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zurückgewiesen: Demnach spiele »die Frage der Gefährlichkeit für die Abgrenzung einer Abfallverwertung zu einer Abfallbeseitigung keine Rolle«. Trotz der Kochendorfer Vorfälle behaupteten die »Experten«: Die geologischen Bedingungen im Werk Heilbronn seien absolut sicher. Als es aber auch dort einen Wassereinbruch gab, wurde er so lange verschwiegen, wie es ging. Wie überhaupt die Geheimhaltung von Gefahren in der Deponie bei den SWS oberstes Gebot ist. Als es im Januar 2013 in der Deponie, in der »Big Bags« einlagern, zu einem 700 Tonnen umfassenden Gesteinsabbruch kam, erfuhr die Einwohnerschaft erst Monate später davon über einen Artikel, der im Schweizer Magazin Beobachter erschienen war. Der SWS-Vorstand erklärte, er habe das Ereignis »für nicht so dramatisch gehalten«. In einer Sitzung des Gemeinderats beschimpfte der OB den Verfasser des im Beobachter veröffentlichten Artikels als einen »Enthüllungsjournalisten, der Halb- und Viertelwahrheiten und Phantasien« niedergeschrieben habe. Und das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) erklärte: »Die Gefahr, daß durch Gesteinsabbrüche Abfallgebinde beschädigt und dadurch giftige Stoffe freigesetzt werden, sieht das LGRB nicht.« Jahrzehntelang wurden unterhalb von Heilbronn Sprengungen durchgeführt. Schon seit Jahren treten an Häusern, die über den Giftmüllstollen stehen, große Risse auf. Bürger, die sich deswegen an die Stadtverwaltung wandten, wurden abgewiesen. Einen Einwohner, der in einem Leserbrief auf die Rißbildungen aufmerksam gemacht hatte, warnte der Direktor der SWS telefonisch: Einen Zusammenhang zwischen Häuserrissen und den SWS herzustellen, das grenze an Verleumdung. Man erkennt die üblichen Praktiken der Giftmüll-Verscharrer: verheimlichen, vertuschen, einschüchtern. Eines eint die Gegner und die Befürworter der Heilbronner Sondermülldeponie: Die bange Hoffnung, daß es in den Giftmüll-Kammern keine größeren Gesteinsabbrüche oder gar Wassereinbrüche geben wird. Denn die Folgen wären katastrophal: Das Grundwasser wäre vergiftet, die Region würde unbewohnbar.
Erschienen in Ossietzky 17/2013 |
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