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Es ist ihm gelungen, nach »Erinnerungsskizzen« Wasserfolterzellen, bei deren Anblick dem Besucher ein Schauder über den Rücken läuft, zu installieren. Ihm ist es zu verdanken, daß in die Gedenkstätte nachträglich eine kurze Schiene mit einem Eisenbahnwaggon zum Transport von Häftlingen eingebaut wurde, die dem Besucher suggeriert, daß es in der »zweiten deutschen Diktatur« zuging wie in der ersten, im Massenvernichtungslager in Auschwitz. Nein, alles, was recht ist, kreativ ist der Mann. Aber längst beschränkt sich Hubertus Knabe, der Leiter der Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen, nicht auf die Aufklärung seiner Landsleute. Zunehmend verdient er sich Meriten in hilfs- und aufklärungsbedürftigen Gefilden außerhalb der bundesdeutschen Landesgrenzen. Als der Bundestag im Frühjahr einen Bericht der Bundesregierung entgegennahm, in dem »die Leistungen der letzten Jahre im Bereich der Aufarbeitung der SED-Diktatur umfassend dokumentiert« sind, wurde voll Stolz unterstrichen, daß unser Vaterland damit zu einem Vorbild auch für andere Staaten geworden ist. Wörtlich: »Der Weg Deutschlands in der Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Erbe genießt Achtung in der Welt und ist vielfach Vorbild nicht nur in Ostmitteleuropa, sondern auch im Nordafrika des ›Arabischen Frühlings‹. Ägypten und Tunesien suchen bei der Auseinandersetzung mit ihrer jüngsten Geschichte die Expertise deutscher Aufarbeitungseinrichtungen.« Beispiel Tunesien: Dort unterrichtete Hubertus Knabe seine Partner in den vergangenen beiden Jahren wiederholt über die Aufarbeitung der SED-Diktatur und stellte ihnen das Stasi-Unterlagen-Gesetz und die verschiedenen SED-Unrechtsbereinigungsgesetze zur Verfügung, selbstverständlich in arabischer Übersetzung. Parallel dazu gestaltet seine Gedenkstätte eine aufwendige Wanderausstellung, die die tunesische Öffentlichkeit über »die Aufarbeitung von zwei Diktaturen in Deutschland – die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten von 1933 bis 1945 und das darauffolgende kommunistische Regime in der DDR bis 1989« informieren soll. Im Mittelpunkt der Exposition steht die Frage, mit welchen Instrumenten die Aufarbeitung erfolgte, wobei das Schwergewicht auf die zweite Diktatur gelegt wird. Bei der Gestaltung der aufklärerischen Exposition arbeitet die Gedenkstätte eng mit der Berliner Firma »beier+wellach projekte« zusammen. Dabei nutzt sie vor allem ein »Handbuch Aufarbeitung«, das von Knabes Einrichtung herausgegeben wird und die Aufgaben und vor allem positive Beispiele der Vergangenheitsbewältigung in Deutschland zusammenfassen soll. Autor des Nachschlagewerkes ist Sven Felix Kellerhoff, der für Zeitgeschichte verantwortliche Redakteur der Springerzeitung Die Welt. Das Werk soll im Herbst in deutscher, arabischer, französischer und englischer Sprache er scheinen. Selbstverständlich weiß Knabe, daß allein mit einer Ausstellung, die durch ganz Tunesien und möglichst auch durch andere arabische Länder wandern soll, und einem Handbuch die deutschen Aufarbeitungserfahrungen noch nicht zur Richtschnur werden. Es bedarf Menschen, die in der Lage sind, nach deutschem Vorbild eigene Ausstellungen zu gestalten und Aufarbeitungsbücher zu verfassen. Aus diesem Grund hat seine Gedenkstätte in Kooperation mit der Université de la Manouba fünf Master- und vier Promotionsstipendien für die Erforschung der Aufarbeitung der Vergangenheit in Tunesien ausgeschrieben. Für ein Stipendium konnten sich Studierende bewerben, die sich in Master- oder Doktorarbeiten vor allem mit der »Aufarbeitung von Diktatur und Demokratisierungsprozessen« befassen. Bisheriger Höhepunkt der Aufarbeitungshilfe, war eine im Dezember 2012 in Tunis stattgefundene internationale Konferenz zum Thema »Keine Zukunft ohne Erinnerung – Diktaturaufarbeitung in Deutschland und Tunesien«. Knabe referierte auf der Konferenz zum Thema: »Vom Gefängnis zum Lernort der Demokratie – die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.« Bemerkenswert ist, daß es über den Inhalt seiner Rede, zumindest im deutschsprachigen Raum, keinerlei Informationen gibt. Angesichts der gehaltenen, aber verschwiegenen Rede können wir nur annehmen, daß sie sich noch unter dem Niveau bewegte, mit dem der Gedenkstättenchef bereits Ende 2011 die Leser von Zeit online erfreute und den Sturz der Ben Ali-Diktatur mit der Großen Deutschen Friedlichen Freiheitsrevolution verglich. Der Vergleich ist zutreffend. Wer erinnert sich nicht sofort an die Greuel der menschenverachtenden SED-Diktatur, wenn er die Berichte über die Menschenrechtslage und den staatlichen Terror im Überwachungsstaat Tunesien vor der Jasmin-Revolution liest? Amnesty International klagte lange vergebens, daß in dem nord-afrikanischen Land jedes Jahr Tausende meist junger Menschen verschwunden seien. Viele Männer seien kurzerhand terroristischer Aktivitäten angeklagt worden, hätten keine Chance auf einen fairen Prozeß gehabt und seien hingerichtet worden, ohne mit ihren Familien oder Anwälten Kontakt aufnehmen zu können. In den Haftanstalten seien Folter und Isolationshaft an der Tagesordnung gewesen. Außerhalb der Gefängnisse, so Amnesty International, habe das Regime den technologischen Fortschritt genutzt, um einen Überwachungsstaat Orwell'schen Ausmaßes einzurichten. Kein Tunesier habe sich ohne einen elektronisch lesbaren Personalausweis bewegen dürfen, auf dem Beruf, Vorstrafen und Kompromittierendes aus dem Privatleben vermerkt war. Auch hier drängen sich Vergleiche mit dem Vorgehen der Stasi förmlich auf. Gleiches gilt auch für das kriminelle Handeln des tunesischen Führungspersonals. Illegale Bereicherung. Korruption und Amtsmißbrauch waren in Tunis an der Tagesordnung. Und Knabe weiß, daß es im ostdeutschen Unrechtsstaat im Prinzip nicht anders war. Dabei ist er sich, wie er gegenüber Zeit online erklärte, durchaus bewußt, daß seine tunesischen Partner »verglichen mit der DDR ... vieles sehr gut gemacht (haben): etwa sofort die Partei von Ben Ali verboten und die Parteizentrale zugemacht. Deren Unterlagen konnten damit – anders als bei der SED/PDS – nicht vernichtet werden.« Bedauerlicherweise verzichtete er darauf, dem Leser mitzuteilen, welche geheimnisvollen Unterlagen die SED/PDS vernichtet hat. Offenkundig war es in den Augen Knabes ein schwerer Fehler, die schuldbeladene ostdeutsche Partei nicht sofort zu verbieten, den etablierten Parteien der Bundesrepublik wäre in den letzten zwei Jahrzehnten so mancher Ärger erspart geblieben. Aber Tunesienexperte Knabe zeigt auch Verständnis für die Schwierigkeiten seiner Partner und Freunde: »Tunesien hat es schwerer als damals die DDR. Man müßte eigentlich den ganzen Staatsapparat austauschen. Das Land hat aber das Pech, daß es kein West-Tunesien gibt.« Ja, so ist es, die schwer geprüften Bürger des ostdeutschen Schreckensstaates hatten glücklicherweise die BRD. Sie brachte ihnen viel Angenehmes, darunter die kapitalistische Marktwirtschaft, die Treuhand, den »Aufschwung Ost«, Berater, Landesregierungschefs, Minister, leitende Beamte, Banker, Spekulanten, Spezialisten für alle gesellschaftlichen Bereiche und unter ihnen auch den Stasi-Experten aus Unna, der die Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen so erfolgreich leitet und nun eben auch den Islamisten in Tunesien beeindruckende Unterstützung gewährt. Tatsächlich, ein wahrer Wunderknabe.
Erschienen in Ossietzky 16/2013 |
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